Archaisch, kunstvoll, weiblich

Eröffnung der 21. Ingolstädter Künstlerinnentage und der Ausstellung "Da-Sein" mit einer Klangperformance

27.09.2015 | Stand 02.12.2020, 20:45 Uhr

Eindringliches Spiel: Limpe Fuchs am Lithophon. - Foto: Eberl

Ingolstadt (DK) Zur Begrüßung durchdringt blechernes Trommeln die Exerzierhalle im Klenzepark, wo gestern Vormittag mit der Eröffnung der Ausstellung „Da-Sein“ der in Ingolstadt lebenden Künstlerin und Kunsterzieherin Sieglinde Bottesch auch die 21. Ingolstädter Künstlerinnentage ihren Anfang nahmen.

Limpe Fuchs, eine der fantasievollsten Klangkünstler der internationalen experimentellen Musikszene, hatte vor ihrem Auftritt bei einem kanadischen Festival mit ihren selbst entwickelten Instrumenten einen Zwischenstopp in Ingolstadt eingelegt. Mit eigens auf die Installationen Botteschs komponierten Sequenzen umrahmte sie die Begrüßung durch Projektleiterin Gerti Achtner und Kulturreferent Gabriel Engert sowie die anschließende Einführung in Botteschs Kunst durch Professor Günther Köppel. Mit dabei hatte Limpe Fuchs ihren Klangturm, bestehend aus zwei großen Trommeln und einem Doppelpendel. Dessen neun Kilo schwere Bronzestäbe erzeugen, einmal in Bewegung gebracht, Töne und begleiteten so den Gesang, die Urlaute, Jauchzer und gemurmelten Fragen der Limpe Fuchs, und ihr Spiel auf der Viola. Am Ende wirbelte die Künstlerin mit großen Klöppeln über ihr Lithophon, dessen Steinplatten aus einem Steinbruch bei Valmalenco (Lombardei) stammen. Keine anderen als diese Klänge der 1941 in München geborenen Musikerin hätten besser einen sinnlichen Vorgeschmack auf das Werk Botteschs geben können. Die aus Rumänien stammende Bildende Bottesch verbindet mit hoher Kunstfertigkeit Archaisches, Ursprüngliches, verweist auf das Werden und Vergehen in der Natur auf das menschliche Sein.

Ihre Artefakte strahlten mächtig in den Raum der Exerzierhalle, formulierte es Günther Köppel. Die Werke machen die Evolution erfahrbar, vermitteln immer wieder ein „Gänsehaut-Gefühl“, wie jene Formen, die in der Installation „Aufgehoben“ an langen Fäden, leeren Booten gleich, in der Luft auf einem Meer (dem Mittelmeer) zu schwanken scheinen: „Sieglinde Bottesch ist eine Gedankenfischerin, die den Betrachter ermuntert, selbst Assoziationen zu bilden.“

Die Impulse zu ihrer Kunst erhielt die im siebenbürgischen Hermannstadt aufgewachsene Bottesch auch auf dem Land bei ihrer Großmutter. Die kindliche Erlebniswelt wurde geprägt vom Wachsen, Werden, Reifen und Ernten in der Natur, durch Nähen, Sortieren und Säubern. Dies nahm Bottesch mit ins Kunststudium nach Bukarest, wo sie sich die Meta-Ebene erwarb, wie es Klöppel formulierte, und verfeinerte ihren künstlerischen Ausdruck. Der schafft immer wieder subtil irritierende Strukturen in sorgfältigst gearbeiteten Oberflächen.

Papier, Wachs, Gips, Keraquick (ein Klebemörtel), Holz, Hanf- und Kokosseile oder Haselruten und Schilf verarbeitet die Künstlerin dergestalt, dass diese eine völlig andere Anmutung erhalten. Der lebensgroße Stier beispielsweise ist nicht aus Stein, sondern aus poliertem Keraquick. Er verharrt, Sinnbild männlicher Virilität, zwischen Vorwärtsstürmen und Innehalten in gebändigter Aggressivität. Botteschs Werk nimmt die Natur nicht nur auf, sondern fragt, wie Kunst und Kultur aggressive Potenziale bremsen und verwandeln können.

„Da-Sein. Installationen und Objekte“ ist bis 18. Oktober, donnerstags bis sonntags, 11 bis 18 Uhr, in der Exerzierhalle im Klenzepark zu sehen. Am 3. und 11. Oktober führt Sieglinde Bottesch (ab 11 Uhr) durch die Ausstellung, zu der ein Katalog erschienen ist.