Neuburg
Arbeitsplatz in der Baumkrone

Die Rohrenfelder Alleen erhalten einen neuen Schnitt – Die Spezialisten müssen schwindelfrei sein

30.12.2014 | Stand 02.12.2020, 23:15 Uhr

Hoch hinauf geht es mit dem Drehkran, oder die spektakulärere Variante: mit dem Seil. Max Lück klettert in der Rohrenfelder Allee auf einen der Bäume, bestens ausgerüstet wie ein alpiner Bergsteiger mit Fuchsschwanz. Christian Wohlhüter (rechtes unteres Bild) und seine Kollegen dürfen jedenfalls keine Höhenangst haben. - Fotos: Schanz

Neuburg (DK) Sie teilen ihren Arbeitsplatz mit dem Specht und dem Hirschkäfer: Baumpfleger kraxeln bis in die oberen Äste. Schwindelfreiheit ist eine Grundvoraussetzung. „Wenn wir unseren Job gut machen, sieht man gar nicht, dass wir am Baum waren“, sagen sie über ihre Arbeit.

Alt und anmutig stehen die Alleen, die nach Rohrenfeld führen – und die betagten Bäume brauchen ab und zu einen neuen Schnitt, immerhin stehen sie direkt am Wegesrand. „Straßenverkehrssicherungspflicht“ lautet das Zauberwort. Das bedeutet leider auch, dass der ein oder andere Kandidat kräftig Haare lässt, wenn Baumpfleger Maximilian Stoll und seine Kollegen die Säge ansetzen. Dabei beteuern die Männer immer wieder, dass sie am liebsten nur ganz wenig schneiden würden. „Wir versuchen, den natürlichen Habitus des Baumes zu unterstützen“, erklärt Stoll. Doch wenn morsche Äste auf die Fahrbahn zu fallen drohen, bleibe ihnen keine Alternative.

Einen morschen Gesellen muss Stolls Mannschaft deshalb bis zum Stumpf amputieren. „Wenn es von der Sicherheit her möglich ist, schneiden wir solche Bäume auf fünf Metern Höhe“, erklärt sein Kollege Christian Wohlhüter. Das sei in etwa die Höhe, in der sich Fledermäuse ansiedeln. Auch zwei Spechtlöcher sind von unten zu erkennen – sicher nicht die einzigen Bewohner. In einer alten Eiche könnten 600 verschiedene Käfersorten hausen: „In so einem alten Baum steckt unheimlich viel Leben drin. Deshalb ist es auch so wichtig, dass man sie saniert“, sagt Stoll. „Das Privileg eines Baumpflegers ist es, in einem eigenen Biotop zu arbeiten, direkt in der Krone.“ Sein Rekord liege bei etwa 40 Metern, die er mit dem Seil nach oben geklettert ist – Höhenangst darf man da nicht haben. Schwindelfreiheit sei eine Grundvoraussetzung, erzählt Max Lück, bevor er hinaufsteigt. Eine eigene Ausbildung zum Baumpfleger gibt es aber nicht. Die meisten haben einen grünen Beruf gelernt, also Förster oder Weinbauer. Wer im wahrsten Sinne des Wortes höher hinaus will, kann Weiterbildungen machen, zum „European Treeworker“ und zum „Fachagrarwirt für Baumpflege“. Resistographen-Bohrungen, um Fäulnis festzustellen, Zugversuche, um die Standfestigkeit zu testen: Das Handwerk dreht sich um die Frage, wie man am besten einen Baum schneidet – und wie eben nicht. „Der typische Fehler ist, dass man zu starke Kappungen hat“, erklärt Manfred Maurer. Reibende Äste entfernen, damit sich keine Wunden bilden, Totholz nach Möglichkeit drin lassen: Einen Baum zu pflegen bedeute nicht, ihn radikal zusammenzustutzen. Zu viel Laub, zu groß, zu viel Schattenwurf: Oft blute ihm das Herz, wenn Besitzer stolze Bäume als Ärgernis ins Visier nehmen.

Werden alle Verordnungen eingehalten, sind es die Besitzer, die die Entscheidungen treffen, auch wenn man ihnen vor Kappungen oder Fällungen abrät. Wer zahlt, schafft an.