München
Apollo und Athene warten auf Besuch

Die Münchner Gyptothek ist saniert und könnte eröffnet werden - wäre da nicht die Pandemie

07.02.2021 | Stand 23.09.2023, 16:54 Uhr
Patrik Stäbler
  −Foto: Stäbler

München - Apollo und Athene, Augustus und Nero, ja all der "alte Plunder" - er wäre nun bereit, wieder Besuch zu empfangen.

 

Eigentlich. Doch die Corona-Beschränkungen haben auch den griechischen Göttern, den römischen Kaisern und den übrigen Skulpturen in der Münchner Glyptothek ein Kontaktverbot auferlegt - was hier umso schlimmer wiegt, als das Museum schon seit Oktober 2018 wegen Sanierungsarbeiten geschlossen ist.

17 Millionen Euro hat der Freistaat Bayern für die Renovierung des prächtigen Gebäudes zur Verfügung gestellt, das König Ludwig I. einst im Stile eines griechischen Tempels auf dem Königsplatz errichten ließ. Die Sanierung der Ost- und Westfassade sowie der Außenanlagen werde sich noch bis Sommer ziehen, sagt Direktor Florian Knauß. Im Innern jedoch seien die Arbeiten so weit abgeschlossen, dass die Glyptothek wieder "besuchsbereit" wäre - gäbe es da nicht die Pandemie.

"Wir würden gerne wieder öffnen", betont Knauß, ein klassischer Archäologe, der das Haus und sein Schwestermuseum auf der anderen Seite des Königsplatzes, die Staatlichen Antikensammlungen, seit 2011 leitet. Der Ausdruck vom "alten Plunder" stammt natürlich nicht von dem 57-Jährigen, sondern von Max Joseph, dem ersten bayerischen König - was zeigt, dass Eltern schon vor 200 Jahren nicht immer angetan waren von den Hobbys ihrer Kinder. "Mein verrückter Sohn will wieder Geld ausgeben, dessen bin ich mir sicher, um alten Plunder zu kaufen", schrieb König Max in einem Brief über die Sammelleidenschaft des Thronfolgers Ludwig. "Und er hofft, dadurch Griechen und Römer aus dieser Rasse von Biertrinkern zu machen. "

Die Kritik seines Vater konnte Ludwig jedoch nicht davon abbringen, zwischen 1810 und 1820 systematisch einen Bestand von hochkarätigen Skulpturen aufzubauen, den er später noch durch einzelne Erwerbungen ergänzte. Sie bilden die Grundlage der heutigen Sammlung von Weltrang in der Glyptothek, die überdies einige Werke aus dem Besitz der Wittelsbacher sowie spätere Zukäufe umfasst. Ab 1816 ließ der damalige Kronprinz Ludwig, ein glühender Verehrer des antiken Griechenlands, von Hofbaumeister Leo von Klenze ein Gebäude für seine Kollektion errichten: die Glyptothek mit ihrer klassizistischen Tempelfront, die 1830 fertiggestellt wurde und somit das älteste öffentliche Museum Münchens ist. Und eigenen Angaben zufolge: das weltweit einzige Museum, das allein antiken Skulpturen gewidmet ist.

 

Diese Fokussierung kann der Beliebtheit der Glyptothek indes nichts anhaben: Vor der Schließung zog das Museum zuverlässig bis zu 180000 Besucher pro Jahr an; weitere 60000 Menschen wollten die Antikensammlungen vis-à-vis sehen, wo Kunstwerke und Gebrauchsobjekte der alten Etrusker, Römer und Griechen ausgestellt sind. Was den Erfolg der Glyptothek ausmacht? "Zum einen ist sie wegen ihrer Architektur und Lage ein Sonderfall", sagt Florian Knauß. Schließlich befindet sich die Glyptothek nicht nur im sogenannten Kunstareal, das ein Dutzend weiterer hochkarätiger Museen beheimatet - von den Pinakotheken bis zum NS-Dokumentationszentrum. Sondern sogar inmitten der klassizistischen Pracht des Königsplatzes ragt das Gebäude mit seiner Südfassade aus Untersberger Marmor und den ionischen Säulen auch architektonisch heraus. Überdies sind die Steinstufen am Eingang ein beliebter Ort zum Sonnenbaden, und das Museumscafé im Innenhof gilt als eines der schönsten in München.

Zum anderen, erklärt der Direktor, seien die circa 450 Skulpturen in der Dauerausstellung "leichter verdaulich" als etwa ihr Pendant in den Antikensammlungen. So lasse sich der Anblick der imposanten Werke auch ohne tiefere Geschichtskenntnisse genießen, findet Knauß. "Es gibt viele Menschen, für die ist der Besuch in der Glyptothek ein Augenschmaus. Denen ist es egal, ob eine Skulptur 500 Jahre vor Christus oder 500 Jahre nach Christus gefertigt wurde. " Auch ihretwegen verzichte man in der Ausstellung bewusst auf Erklärungen an den Skulpturen. Stattdessen hängt in jedem Saal nur eine Infotafel an der Wand; wer als Besucher tiefer einsteigen will, der greift zu den ausliegenden Infoblättern, zur Museums-App oder zum Mediaguide.

All diese Angebote mussten im Zuge der Sanierung kaum überarbeitet werden, schließlich habe es im Innern des Gebäudes "nur wenige Veränderungen gegeben", sagt Florian Knauß. Unter anderem sei es durch den Austausch der Fenster nun deutlich heller in den Räumen; überdies wurden die Barrierefreiheit verbessert, die Toiletten erneuert sowie der Eingangsbereich und das Café modernisiert. Die meiste Arbeit fand jedoch im Hintergrund statt: Haustechnik und Beleuchtung sind ebenso komplett neu wie die Alarmanlage. Dass diese veraltet gewesen sei, habe das Landeskriminalamt schon in den 1990er Jahren beanstandet, sagt Knauß. "Jetzt entspricht die Alarmanlage wieder dem heutigen Stand der Technik. "

Bleibt die Frage, wann die Glyptothek mitsamt der geplanten Sonderausstellung "Bertel Thorvaldsen und Ludwig I. " ihre Türen wieder für Besucher öffnen darf. Florian Knauß will da keine Prognose abgeben. Jedoch ist der Direktor überzeugt, dass sein Haus nach der zweieinhalbjährigen Pause keine lange Anlaufzeit brauchen wird. "Wir merken eine sehr große Sehnsucht nach der Glyptothek", sagt Knauß. "Ich glaube daher kaum, dass wir nach der Wiedereröffnung an Besuchermangel leiden werden. "

DK

Patrik Stäbler