Ingolstadt
Anstoßen auf ein rotes Kösching

Ein Jahr nach erfolgreicher Stichwahl begrüßt Bürgermeisterin Ernhofer den Münchner OB Reiter

29.03.2015 | Stand 02.12.2020, 21:29 Uhr

Prost, Genossen: Oberbürgermeister Dieter Reiter scharte die regionale SPD-Prominenz um sich, nachdem er zuvor das Starkbierfass fachgerecht mit zwei Schlägen angestochen hatte – für einen Münchner OB eine leichte Übung - Foto: Rössle

Ingolstadt (DK) Seitdem das Köschinger Rathaus wieder in roter Hand ist, kann die SPD ihren traditionellen Starkbierabend umso entspannter angehen. Am Samstag reihte sich Münchens OB Dieter Reiter in die prominente Rednerliste dieser Veranstaltung ein.

Zu ungewohnt früher Stunde, nämlich schon am Nachmittag um 16 Uhr, zapfte Reiter mit zwei Schlägen das Starkbierfass an. „Wir beide mussten in die Stichwahl“, hatte ihn zuvor Köschings Bürgermeisterin Andrea Ernhofer mit einem Rückblick auf den März 2014 begrüßt, „gemeinsam prägten wir die Titelseite des DONAUKURIER. Du hattest die Schlagzeile, ich das Titelbild.“

In Reiters Rede („Kösching ist einer der Orte, wo man als Sozialdemokrat gewesen sein muss“) ergaben sich aber noch viel mehr Gemeinsamkeiten. Seiner Amtskollegin Ernhofer bescheinigte er, dass sie es bei der Kommunalwahl viel schwerer gehabt habe als er in München. „Einen amtierenden Bürgermeister der CSU in Bayern aus dem Amt zu schubsen, Respekt, da kann ich nur gratulieren.“ Besagter Bürgermeister namens Max Schöner spielte später bei Manfred „Bruder Barnabas“ Schuhmann noch eine tragende Rolle.

Erstaunt nahm das Münchner Stadtoberhaupt zur Kenntnis, dass auch im Raum Ingolstadt Mieten über zehn Euro pro Quadratmeter verlangt werden – verbunden mit den gleichen Problemen wie in der Landeshauptstadt. „Die kleinen Leut’“, sagte Reiter, „erfahren das Thema Wachstum an steigenden Mieten und steigenden Preisen“. Er sieht es deshalb als seinen wichtigsten „sozialdemokratischen Auftrag“ an, das Wachstum „sozialverträglich zu gestalten“. Dass Rentner in Abfalleimern wühlen müssen, dürfe es in einem reichen Land wie Bayern nicht geben.

Für eine „echte Sauerei“ hält Reiter den Verkauf tausender, ehemals staatseigener GBW-Wohnungen. München müsse jetzt hunderte von Millionen Euro für den Rückkauf aufbringen. „Die Mieter können nichts dafür, dass die CSU sie verkauft hat“, rief der OB in den voll besetzten Festsaal des Gasthofs Amberger.

Und dann der Mindestlohn von ganzen 8,50 Euro. Es sei ein „Skandal“, dass man darüber jahrelang verhandeln musste, findet Reiter. 8,50 Euro, das entspreche 1360 Euro monatlich brutto. „Davon kannst du in München gerade deine Wohnung bezahlen.“

Keine Kompromisse kennt der Rathauschef, der bereits kurz nach der Amtsübernahme mit Hungerstreiks konfrontiert war, bei der Flüchtlingspolitik. „Ich hab’ mir das zu Hunderten angeschaut. Solchen Leuten gilt’s zu helfen.“ Reiter ist überzeugt: „Wir werden das Thema nicht wieder loswerden und vermeiden können.“ Dabei dürften rechte Parolen aber „nie wieder Platz greifen“.

Fastenprediger Barnabas zollte seinem Vorredner großen Respekt für dessen Engagement bei der Aufnahme von Flüchtlingen in München. Hier habe sich gezeigt, dass die Sozialdemokraten wesentlich näher am Gedanken der christlichen Nächstenliebe dran seien als eine Partei, die das C in ihrem Namen führe.

Im Übrigen zeigte sich Manfred Schuhmann sichtlich erleichtert, dass sein früheres Wort von der „roten Insel im schwarzen Meer“ inzwischen für Kösching wieder seine Gültigkeit habe. Wobei das mit der Insel fast schon untertrieben ist, denn beim Starkbierfest waren immerhin die SPD-Gemeindeoberhäupter von Gaimersheim und Lenting zugegen.

Den größten Lacherfolg erntete der Fastenprediger, als er genüsslich und in weinerlichem Ton Passagen aus einem Brief des abgewählten CSU-Bürgermeisters Schöner vortrug. Der hatte vor der Stichwahl noch einmal an seine Köschinger appelliert („Sie alle sind meine Heimat!“), ihm ihre Stimme zu geben. „Ich möchte den kennenlernen“, spottete Schuhmann, „der ihm diesen Seifenoperntext geschrieben hat“.