Mindelstetten
Anna Schäffer bewegt weltweit die Katholiken

20.10.2017 | Stand 02.12.2020, 17:19 Uhr

−Foto: Rast

Mindelstetten (DK) Vor fünf Jahren wurde Anna Schäffer auf dem Petersplatz in Rom vom bayerischen Papst Benedikt XVI. heiliggesprochen. Für ihren Heimatort Mindelstetten und Pfarrer Johann Bauer hat sich seitdem viel verändert.

Die Hauptakteure bei Anna Schäffers Heiligsprechung in Rom vom 21. Oktober 2012 sind nur fünf Jahre später nicht mehr im Amt. Papst Benedikt XVI. trat ein halbes Jahr später zurück und lebt seither in klösterlicher Abgeschiedenheit hinter den Mauern des Vatikans. Kardinal Gerhard Ludwig Müller, damals als Erzbischof mächtiger Leiter der Glaubenskongregation sowie häufiger Prediger beim Anna-Tag in Mindelstetten, wurde von Papst Franziskus entlassen. Und Mindelstettens damaliger Bürgermeister Josef Kundler verlor bei der Kommunalwahl 2014 sein Amt.

Nun widmet sich Alfred Paulus der Frage, wie Mindelstetten von seiner Heiligen profitieren kann. Schon nach der Seligsprechung von Anna Schäffer im Jahr 1999 hätten viele Wallfahrer Mindelstetten angesteuert. Nach der Heiligsprechung habe sich der Zustrom verstärkt. "Derzeit kommen 30 000 bis 35 000 Pilger im Jahr", berichtet Mindelstettens Bürgermeister. Es würden sich vermehrt Busse anmelden. Zudem würden mehr Pilger aus anderen Ländern anreisen. Für Paulus ist das nicht verwunderlich: "Als Heilige ist Anna Schäffer in der Weltkirche präsent." Der Bürgermeister bedauert aber, dass nur die angemeldeten Pilger erfasst würden. Tatsächlich dürften es weitaus mehr Katholiken sein, die sich auf den Weg zur heiligen Anna machen.

Um diesen Menschen etwas zu bieten, sei in den vergangenen fünf Jahren viel passiert. "Das Anna-Schäffer-Haus ist komplett saniert worden", sagt Paulus. In dem darin untergebrachten Museum gebe es Handarbeiten sowie Schriftstücke aus Annas Feder zu sehen. Nachholbedarf herrsche bei dem sich an das Anna-Schäffer-Haus anschließenden Garten. Aber auch hier ist Paulus zuversichtlich, dass sich bald etwas tut. Es sei gelungen, den Garten in das Leader-Projekt aufzunehmen. "Der Förderbescheid über 186 000 Euro ist da", freut sich Paulus.

Die detaillierte Planung für den Garten werde nun gemeinsam mit Altmühl-Jura, dem Kreisheimatpfleger, dem Kirchenpfleger und dem Sprecher des Pfarrgemeinderates vorgenommen. "Wir haben schon ein Konzept besprochen", berichtet Paulus. Im Zuge der Ausschreibung habe man Künstler kontaktiert, von denen fünf bereits in der engeren Wahl stünden. Letztere seien nun aufgefordert, Muster ihrer Konzepte für die Bevölkerung anzufertigen. "Wir starten im Frühjahr und wollen spätestens Ende Juli zum Anna-Schäffer-Tag fertig sein", kündigt Paulus an.

Sobald der Garten verwirklicht ist, will er ein weiteres Projekt anvisieren. Die Kommune plant nach den Worten ihres Bürgermeisters, an Annas Grabstein unterhalb der Kirche eine Kerzenkapelle zu errichten. Die Grabsteine der Heiligen und des Pfarrers Karl Rieger, der ihr Seelsorger war, sollen eingebunden werden. Nötig werde die Kapelle, weil das Abbrennen von Kerzen in der Kirche nach deren Renovierung wegen der Rußentwicklung nicht möglich sei.

Mindelstetten sei durch die heilige Anna "auf alle Fälle bekannter geworden", glaubt Paulus. "Die Heiligsprechung ging ja durch alle Medien", erinnert er sich. Wo immer er sich aufhalte, werde er auf dieses Ereignis angesprochen. Er gibt aber zu, dass die örtlichen Gastronomen weniger profitiert hätten, als erwartet. Ein eigens eröffnetes Café habe sich leider nicht getragen. "Denn in vielen Bussen gibt es Kaffee und Kuchen an Bord." Viel Lob hat Paulus für den sehr aktiven Helferkreis parat. Dieser kümmere sich ehrenamtlich um die Wallfahrer.

Für Mindelstettens Pfarrer Johann Bauer hat sich seit der Heiligsprechung viel verändert. "Anna hat nun innerhalb der Kirche die höchste Position, die man erreichen kann." Zudem sei sie von der Weltkirche zur Verehrung freigegeben. Bauer hat ebenfalls bemerkt, dass mehr Wallfahrer kommen. "Viele Pfarrgemeinden reisen mit ihren Priestern an und halten hier eine Messe." Das Gros der Pilger stamme aus Bayern und Österreich.

Das internationale Interesse an Anna habe spürbar zugenommen. Er erhalte zahlreiche E-Mails aus der ganzen Welt, berichtet der Geistliche. Vor allem würden sich die Schreiber der E-Mails für Informationen zu Anna interessieren. Dabei hätten sich zwei Länder herauskristallisiert: die Philippinen und Brasilien. Allerdings erreichten ihn auch Anfragen aus Afrika und den USA.

Entscheidend sei natürlich, dass es in den jeweiligen Ländern eine Heiligenverehrung gebe. Verblüfft ist Bauer über das große Wallfahrerkontingent von den Philippinen. Dort gebe es sogar einen Verehrer- und Freundeskreis für Anna. "Die geben mit der Erlaubnis des Bischofs von Manila eigene gedruckte Werke heraus." Anna Schäffer sei auf den Philippinen inzwischen wirklich bekannt. Bauer führt das darauf zurück, dass in der Person von Pedro Calungsod ein Märtyrer von den Philippinen am gleichen Tag wie Anna heiliggesprochen worden sei.

Im Gegensatz zu vielen seiner Amtsbrüder hat Pfarrer Bauer keine Probleme, am Sonntag seine Kirche zu füllen. Etwa 50 Prozent der Gottesdienstbesucher kämen von auswärts, schätzt er. Das sei natürlich Anna zu verdanken. "Es gibt hier nie einen Gottesdienst, bei dem die Einheimischen unter sich sind", sagt der Pfarrer, der bereits im 33. Jahr in Mindelstetten wirkt.

Bauer pflegt die Auslandskontakte mit großer Aufmerksamkeit. Es seien per E-Mail echte Brieffreundschaften rund um den Globus entstanden. "Das macht Spaß, das ist keine Arbeit, sondern ein Hobby", meint der 66-Jährige. Doch diese Tätigkeit hat für ihn auch eine spirituelle Dimension. Denn Anna Schäffer habe vor ihrem schweren Unfall in die Mission gehen wollen. "Nun tue ich das auf meine Weise für sie. Und es ist meine hervorragende Aufgabe, Anna zu helfen."

Als Heiliger ist Anna die weltweite Verehrung durch die Katholiken bis ans Ende aller Tage gewiss. Dagegen werden die Amtsträger, die der stillen Dulderin aus Mindelstetten vor fünf Jahren zu diesem Titel verholfen haben, nach und nach im Dunkel der Geschichte verschwinden.
 

"Reliquien der Heiligen"

Die Reliquienverehrung hat auch heute noch einen hohen Stellenwert in der katholischen Kirche. Unzählige Wallfahrtsorte mit Gräbern und Reliquien von Heiligen weltweit belegen die Wertschätzung der Gläubigen. "Pilgern ist fast schon ein Boom", erklärt Clemens Neck, Pressesprecher des Bistums Regensburg. Und verweist als Beispiel auf den Ansturm auf dem Jakobsweg. Vor der Heiligsprechung der Anna Schäffer wurden bei einer sogenannten "Recognitio canonica" auch aus ihrem Grab in Mindelstetten Reliquien entnommen. "Es handelt sich um kleine Partikel der Gebeine", erklärt Neck. Dazu werde in aller gebotenen Ehrfurcht vor der Würde des Menschen auch im Tod das Grab geöffnet. Es handelt sich um Reliquien "ex ossibus", Reliquien erster Ordnung. Will ein Bistum oder eine Ordensgemeinschaft eine Reliquie haben, richtet sie die entsprechende Bitte an den Bischof von Regensburg. "Er stimmt zu, wenn die Reliquie für die öffentliche Verehrung bestimmt ist", so Neck. Im Fall der Anna Schäffer seien viele Anfragen von den Philippinen oder aus Lateinamerika eingegangen. Eine Reliquie wird aber auch in einer Kirche in Kasachstan verehrt.