Hilpoltstein
"Anleitung zum Schwarz sein"

"Frankenschau"-Moderatorin Anne Chebu stellt in der Residenz ihr Buch vor

26.09.2016 | Stand 02.12.2020, 19:16 Uhr

Über alltäglichen und versteckten Rassismus spricht Anne Chebu bei ihrer Lesung in der Hilpoltsteiner Residenz. - Foto: Unterburger

Hilpoltstein (ub) Sie ist Journalistin, Moderatorin und Autorin. Im Februar gab sie ihr Debüt als TV-Moderatorin der "Frankenschau" im BR-Fernsehen. Mit ihrem Buch "Anleitung zum Schwarz sein", das 2014 im Unrast-Verlag erschienen ist, engagiert sie sich auf vielfältige Weise in der Antirassismus-Bewegung: Anne Chebu. Bei einer Lesung in der Hilpoltsteiner Residenz stellte sie ihr Buch vor.

Marcel Schneider, der stellvertretende SPD-Bezirksvorsitzende und Moderator, freute sich über das rege Interesse. Der Saal war voll besetzt, ein Zuhörer war extra aus Berlin angereist, um Chebu zu hören. Schneider sprach von einem "ganz besonderen, ungewöhnlichen, fantastischen Abend für Respekt und Toleranz und gegen Fremdenfeindlichkeit". Dieses Thema sei akut. "In unserer Gesellschaft gibt es einen Ruck nach rechts", sagte Schneider.

Anne Chebu wurde 1987 in Nürnberg geboren, studierte in Ansbach "Multimedia und Kommunikation", arbeitete als Volontärin in Hamburg, beim NDR und SWR als Fernseh-Journalistin. Seit Februar moderierte sie die "Frankenschau" des BR. 2014 erschien ihr Buch. "Ich habe das Buch für afro-deutsche Jugendliche geschrieben, von denen manche ziemlich isoliert aufwachsen", sagte Anne Chebdu. "Ich wollte den Jugendlichen Mut machen." Seit vielen Jahren engagiere sie sich im Verein "Initiative Schwarze Menschen in Deutschland", den es über 30 Jahre gebe.

"Rassismus wird mit Rechtsextremismus gleichgesetzt", erklärte Chebu, "für mich ist Rassismus ein großes Netz, das aus vielen Knoten besteht." Es gebe einen latenten Alltagsrassismus, der auch verharmlosend "Champagner-Rassismus" genannt werde. "Rassismus findet immer dann statt, wenn sich Menschen diskriminiert fühlen, er transportiert Vorurteile und Stereotypen", sagte Anne Chebu.

"Jedes Mädchen aus Nürnberg will Nürnberger Christkind werden, ich aber habe mich nie getraut, mich zu bewerben", erzählte Chebu. "Wenn man eine Schülerin mit dunkler Hautfarbe ist, muss man zu hundert Prozent ein Referat über Afrika halten." Schon die Annahme, dass es biologische Unterschiede zwischen schwarz und weiß gibt, sei Rassismus. Eine unbewusste rassistische Aussage sei es auch, wenn man Schwarze ausschließlich als Opfer darstelle. "Es gibt auch einen Rassismus, der in Schulbüchern steht und ein falsches Afrika-Bild zeigt", unterstrich die Autorin.

Auch in Spielfilmen bekämen schwarze Schauspieler klischeehafte Negativrollen. Das habe sich zum Glück aber gebessert. Begriffe wie "schwarz", "afrodeutsch" oder "People of colour" seien für sie korrekte Bezeichnungen. "Jeder Mensch sollte das Recht haben, selbst zu bestimmen, wie er genannt werden möchte. Allerdings lehne sie das Schubladendenken ab. Nicht in Ordnung fand sie, als eine Verkäuferin in einem Klamottengeschäft zu ihr sagte: "Das Outfit passt gut zu Ihrer Hautfarbe". Chebu: "Meine Hautfarbe ist kein Modeaccessoire."

Der Begriff "farbig" werde oft in den Medien verwendet. Meist würden damit Menschen bezeichnet, die eine hellere schwarze Haut haben und "Latte-Machiato-braun" seien. "Bei weißen Menschen wird darauf verzichtet, Nuancen in der Hautfarbe zu machen", so die Autorin, "der Begriff 'farbig' ist kolonial besetzt."

Seit über 300 Jahren gebe es eine "schwarze deutsche Geschichte" und schon 1452 habe der damalige Papst die Sklaverei erlaubt. Afrikanische Kinder seien als "Mohren" verkauft oder verschenkt worden. So gebe es bis heute "Mohrenapotheken" und "Mohrenstraßen". "Das ist für schwarze Menschen ein Stich ins Herz", sagte Anna Chabu. Missionare in den afrikanischen Kolonien hätten Vorurteile über schwarze Menschen verbreitet, die bis heute nachwirkten.

"In der Zeit des Nationalsozialismus verschlimmerte sich die Situation für schwarze Menschen", berichtete die Autorin, "sie kamen in Arbeits- und Konzentrationslager und wurden zwangssterilisiert." Rund 2000 schwarze Menschen seien in den KZs gestorben. Nach dem Krieg habe es für Schwarze von staatlicher Seite keine Entschädigung gegeben und der Rassismus sei noch lange nicht vorbei gewesen.

"Es ist enorm schwierig, ständig zu erklären, dass ich eine Deutsche bin, obwohl ich schwarz bin", betonte Anne Chebu, "die Frage nach der ursprünglichen Herkunft beinhaltet eine Vielzahl von Rassismen, das ist eine klare Grenzüberschreitung." Der weiße Fragesteller erwarte "eine exotische Herkunftsgeschichte" und stelle mit der Frage nach der "wahren" Herkunft schwarze Menschen bloß. "Viele Rassismen haben sich so in unser Denken eingenistet, dass es noch lange dauern wird, bis man sie überwunden hat", lautete das nüchterne Fazit von Anne Chebu. Unter jedem Foto von Barack Obama stehe: "Der farbige Präsident".

In der Diskussion wollte ein Zuhörer von Anne Chebu wissen, ob sie schon persönlich so extremen Rassismus erlebt habe, dass sie geweint habe. "Ja", antwortete Chebu, "ich habe aber großes Glück gehabt und bin nicht körperlich angegangen worden, es gab aber viele kleine Stiche." Schwarze Menschen würden zum Beispiel bei der Wohnungssuche vielfach abgelehnt. "Ich merkte es sehr genau, wenn es rassistische Äußerungen über mich gab", sagte sie.

"Es war eine Bereicherung für uns alle", lobte am Ende Christine Rodarius die Lesung mit der anschließenden Diskussion, "ich würde mich freuen, mit Ihnen zusammen an Schulen zu gehen", wandte sie sich an Anne Chebu. Die TV-Moderatorin versprach, dieser Bitte gerne nachzukommen.