Anklage im NSU-Prozess verlesen

14.05.2013 | Stand 03.12.2020, 0:09 Uhr
Die Angeklagte Beate Zschäpe wird am zweiten Verhandlungstag in den Gerichtssaal für den NSU-Prozess im Oberlandesgericht geführt. −Foto: Peter Kneffel/dpa

München (dk) Im NSU-Prozess ist am zweiten Verhandlungstag die Anklage gegen die mutmaßliche Neonazi-Terroristin Beate Zschäpe sowie vier weitere Beschuldigte verlesen worden. Die Bundesanwaltschaft wirft Zschäpe Mittäterschaft bei sämtlichen Taten der rechtsextremen Terrorzelle "Nationalsozialistischer Untergrund" (NSU) vor.

Zschäpe habe gemeinschaftlich mit den gestorbenen Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos unter anderem zehn Morde begangen. Die 38-Jährige verfolgte die Verlesung der Anklage zurückgelehnt und ohne sichtbare Regung.

In der Anklage beschrieb Bundesanwalt Herbert Diemer das Konzept des NSU. Demnach sollten Menschen südeuropäischer, vornehmlich türkischer Herkunft "willkürlich ausgewählt und durch hinrichtungsgleiche Erschießungen getötet werden". Detailliert schilderte der Bundesanwalt die einzelnen Morde: Wie Böhnhardt und Mundlos neun Geschäftsmänner türkischer und griechischer Herkunft mit einer Pistole der Marke "Ceska" erschossen.

"Der Angeklagten Zschäpe, die jeweils an der Planung und Vorbereitung beteiligt war, oblag es, während der Tatausführung regelmäßig die Reisebewegungen von Böhnhardt und Mundlos abzutarnen und einen sicheren Rückzugsraum zu schaffen", so Diemer. Darüber hinaus seien die Mitglieder des NSU verantwortlich für zwei Sprengstoffanschläge in Köln, bei denen mindestens 23 Menschen schwer verletzt wurden; außerdem für den Mordanschlag auf zwei Polizisten in Heilbronn, bei dem eine Beamtin getötet wurde.

Hintergründe zum NSU-Prozess

 

Auch bei den 15 Banküberfällen, die Böhnhardt und Mundlos zugerechnet werden, sei Zschäpe die Aufgabe zugekommen, "die Reisebewegungen ihrer Komplizen zu legendieren und einen sicheren Rückzugsraum zu schaffen, sowie die Tatbeute zu verwalten, indem sie die notwendigen finanziellen Verpflichtungen nach außen regelte". Die Anschläge und Raubüberfälle seien "ohne eine im jeweiligen Einzelfall sichere Legendierung, einen sicheren Ausgangspunkt und einen sicheren Rückzugsraum über einen derart langen Zeitraum hinweg und in dieser Häufung nicht möglich gewesen", so die Anklage.

Schließlich habe Zschäpe die gemeinsame Wohnung angezündet, nachdem sich Böhnhardt und Mundlos am 4. November 2011 getötet hatten, um einer Festnahme zu entgehen. "Als Gründungsmitglied einer Kerngruppe, die ihre nationalsozialistisch geprägten rassistischen Vorstellungen unterschiedslos teilte und deren einzige Zweckbestimmung die Tötung von Menschen war, wusste die Angeklagte dies und wollte auch in jedem Einzelfall den Erfolg."

Damit wollte Zschäpe der Anklage zufolge nicht nur den Bestand der Gruppe sichern, sondern zu jeder Tat einen eigenen, gleichwertigen Beitrag leisten. Zschäpe habe Böhnhardt mehrmals bei der Anmietung von Wohnmobilen begleitet, und sie habe sich auch an der Beschaffung von Waffen beteiligt. Hierauf stützt die Bundesanwaltschaft im wesentlichen den Vorwurf der Mittäterschaft.

Antrag auf größeren Gerichtssaal abgelehnt

Zuvor war das Verfahren vor dem Münchner Oberlandesgericht auch am zweiten Prozesstag erneut durch Anträge von Zschäpes Verteidigern und die darauf folgenden Beratungen der Richter verzögert worden. Die Verteidiger hatten mit Verweis auf das Gebot der Öffentlichkeit von Strafverfahren unter anderem gefordert, die Verhandlung auszusetzen und in einen größeren Saal zu verlegen. Das Gericht lehnte diesen und weitere Anträge aber ab. Neben Zschäpe müssen sich in dem Prozess auch vier mutmaßliche Unterstützer der NSU verantworten.

Die Münchner Richter wiesen außerdem einen Antrag der Zschäpe-Verteidiger ab, der sich auf die Ablehnung von Bundesanwälten bezog, die die Anklage in dem Verfahren vertreten. Angesichts der Anträge und der daraus resultierenden Unterbrechungen und Verzögerungen hatte der Anwalt der Familie eines NSU-Opfers, Thomas Bliwier, bereits am Morgen seinerseits einen Antrag gestellt, endlich die Anklage gegen Zschäpe und ihre vier Mitangeklagten zu verlesen. Das Gericht könne dies anordnen.