Ingolstadt
Angriff auf die Atemwege

21.01.2019 | Stand 02.12.2020, 14:48 Uhr
Fahrverbot in manchen Städten: Vor allem alte Dieselmodelle sind betroffen. −Foto: Büttner/dpa

Ingolstadt (DK) In Hamburg und Stuttgart gelten für manche Diesel-Modelle bereits Fahrverbote, weitere Großstädte könnten 2019 folgen. Es ist eine Maßnahme für bessere Luftqualität und weniger NOx-Belastung. Doch worum geht es bei diesen NOx eigentlich? Und wie gefährlich sind Stickoxide für die Gesundheit?

Die Diskussion um Luftverschmutzung durch Diesel-Motoren ist eine europäische. Während in China oder den USA nahezu alle Pkw mit Otto-Motoren angetrieben werden, hat in Deutschland der Diesel das Image eines sparsamen Antriebs. Er gilt aber dennoch als Luftverschmutzer, weil er mehr Stickoxide emittiert als Benziner. In einer emotional geführten Diskussion gibt es hinsichtlich Auswirkungen und Lösungen teils sehr gegensätzliche Meinungen.
 Was sind NOx?Wenn Öl, Kohle oder Holz verbrannt werden, entstehen gasförmige Verbindungen aus Stickstoff (N) und Sauerstoff (O). Davon gibt es verschiedene Kombinationen, die Sammelbezeichnung dafür ist NOx. Zwei NOx-Varianten sind Stickstoffmonoxid und Stickstoffdioxid. Sowohl Otto- als auch Diesel-Motoren stoßen diese Schadstoffe aus, allerdings in unterschiedlichem Maße. Ein Diesel-Motor verbrennt Kraftstoff mit einer höheren Temperatur und ist damit effizienter. Für dieselbe Leistung wie ein Benziner braucht ein Diesel weniger Kraftstoff. Das fällt vor allem bei langen Strecken oder schweren Fahrzeugen ins Gewicht, weshalb alle Lastwagen einen Diesel-Motor haben. Die Kehrseite dieser Verbrennungsmethode: Diesel-Motoren stoßen mehr Stickstoffoxide aus. Laut Umweltbundesamt (UBA) hat der Verkehr mit 60 Prozent den höchsten Anteil an den gesamten Emissionen von NOx - und am Stickoxid-Ausstoß des Verkehrs selbst haben Diesel-Pkw gut 70 Prozent Anteil.
Wie schädlich sind NOx?Für die Umwelt sind Stickoxide ziemlich ungefährlich. Für die menschliche Gesundheit nicht. Vor allem Stickstoffdioxid (NO2) kann bei hoher Konzentration die Atemwege angreifen. "Es handelt sich um einen unspezifischen Reizstoff wodurch Husten und Atemwegserkrankungen wahrscheinlicher werden", sagt der Ingolstädter Pneumologe Roland Zippelius. Werden diese gasförmigen Schadstoffe über die Umgebungsluft eingeatmet, nehmen die Bronchien sie auf. Das kann zu Reizungen führen. Laut dem Leiter der Gruppe Fahrzeugtechnik im Umweltbundesamt, Lars Mönch, drohen vor allem Kindern oder Erwachsenen mit Vorerkrankungen dauerhafte Schäden der Atemwege. Das Umweltbundesamt gibt an, dass ein Zusammenhang zwischen NO2-Belastung und einer Zunahme der Herz-Kreislauf-Erkrankungen und der Sterblichkeit der Bevölkerung beobachtet werden konnte. Deswegen hat die EU Grenzwerte für Stickstoffoxiden in öffentlichen Räumen und der Außenluft festgelegt (siehe Kasten rechts). Basis für den Jahresmittelwert von 40 ?g/m³ sind Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO). "Dieser Grenzwert ist super streng", erklärt Pneumologe Zippelius. "Dass diese Menge zu einer höheren Mortalität führt, ist wissenschaftlich nicht belegbar."
Was ist der Unterschied zu anderen Schadstoffen?Diesel- und Otto-Motoren stoßen neben Stickoxiden auch Kohlenwasserstoff und Kohlenstoffmonoxid aus. "Hier sind die Werte aber so gering, dass davon keine Belastung ausgeht", so Mönch vom UBA. Anders verhält es sich beim Feinstaub. Diesel und Benziner schleudern bei der Verbrennung von Kraftstoff kleine Partikel in die Luft. Und auch hier gilt: Ein Diesel produziert mehr Feinstaub als ein Otto-Motor. "Bei Menschen, die chronische Atemprobleme haben, steigt die Wahrscheinlichkeit an Asthma, Husten oder Krebs zu erkranken", sagt der Ingolstädter Pneumologe Carsten Helbig. Partikelfilter in allen Modellen verringern aber den Feinstaubausstoß. Ein weiterer emittierter Stoff ist Kohlenstoffdioxid (CO2). Im Gegensatz zu NOx und Feinstaub ist CO2 für die Gesundheit unbedenklich. Stattdessen trägt das Treibhausgas zur Klimaerwärmung bei. "Ein Anstieg von CO2 in der Atmosphäre ist ein globales Problem", sagt Mönch. "Stickoxide dagegen sind die Hauptursache für eine Beeinträchtigung der lokalen Luftqualität."
 Wie können Stickstoffoxide verringert werden?Auch hier unterscheiden sich Diesel- und Otto-Motoren. In Benzinern gibt es Katalysatoren, die Stickoxide in unbedenklichen Stickstoff umwandeln. In Diesel-Motoren ist das technisch nicht möglich, stattdessen gibt es zwei Möglichkeiten. In Speicherkatalysatoren werden Stickoxide zwischengespeichert. Deutlich mehr Potenzial hat aber die SCR-Technik (siehe Grafik). Hier wird ein Harnstoff-Wasser-Gemisch eingespritzt, wodurch Stickoxide in Stickstoff und Wasser umgewandelt werden. Die Variante des NOx-Speicherkatalysators ist jedoch günstiger. "Modelle der Abgas-Norm Euro 6d-TEMP (Diesel mit SCR-Technik, Anm. d. Red.) gleichen sich beim Ausstoß von NOx den Benzinern an", so Mönch. "Wenn ein Diesel richtig gemacht ist, ist er ein relativ sauberes Fahrzeug. Es gilt aber trotzdem ein Minimierungsgebot bei den Abgasen." Fahrzeugen der Abgas-Norm 1 bis 5 droht deshalb in manchen Städten ein Fahrverbot.
 Die GrenzwerteBei Grenzwerten zur Sicherung der Luftqualität muss zuerst nach Immission und Emission unterschieden werden. Bei Emissionengrenzwerten handelt es sich um die Abgasnorm, also die Höchstmenge an Schadstoffen, die Fahrzeuge ausstoßen dürfen. In Europa zugelassene Pkw dürfen maximal 60 (Benziner) bzw. 80 (Diesel) mg NOx pro Kilometer ausstoßen. Zudem sind nicht mehr als 4,5  mg Feinstaub pro Kilometer (Benziner und Diesel) erlaubt.

Über Immissionsgrenzwerte regulieren Städte und Kommunen die Konzentration von Schadstoffen in der Umgebungsluft. Nach Untersuchungen der Weltgesundheitsorganisation setzten die EU-Staaten 2008 folgende Grenzwerte fest: Der NOx-Jahresmittelwert darf laut Umweltbundesamt nicht höher als 40 μg/m³ sein, ein 1-Stunden-Mittelwert von 200 μg/m³ darf im Jahr maximal 18-mal überschritten werden. Für die Feinstaubmasse (Durchmesser unter 10 Mikrometer) gilt ebenfalls  40 μg/m³ im Jahresmittel als Grenzwert, auch der Tagesmittelwert von 50 μg/m³ darf maximal an 35 Tagen im Jahr überschritten werden.

Für die Einhaltung der Grenzwerte sind die Bundesländer zuständig. In Absprache mit den Kommunen messen die Landesumweltämter die Schadstoffbelastung in der Außenluft. In Deutschland gibt es nach Angaben des Bundesumweltamts derzeit rund 650 aktive Messstationen, die nicht weiter als zehn Meter vom Fahrbahnrand stehen dürfen. Bei einer Überschreitung der Grenzwerte  müssen die Bundesländer Maßnahmen dagegen ergreifen. Einige Städte setzen auf Fahrverbote für manche Diesel-Modelle, seit das Bundesverwaltungsgericht nach Klagen der Deutschen Umwelthilfe dies genehmigt hatte. Wie genau diese Verbote umgesetzt werden, ist bislang noch unklar.