Nürnberg
Anfassen, ausprobieren und mitmachen

Mit dem Josephs geht Fraunhofer neue Wege: Ein Laden, in dem Kunden bei der Produktentwicklung Hand anlegen können

22.04.2014 | Stand 02.12.2020, 22:47 Uhr

Das Josephs wird am 19. Mai in Nürnberg in der Karl-Grillenberger-Straße seine Pforten öffnen. Fotomontage: Fraunhofer

Nürnberg (npe) Mit dem Josephs eröffnet die Fraunhofer-Arbeitsgruppe für Supply Chain Services (SCS) in Kooperation mit der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg am 19. Mai einen Laden, in dem Unternehmen ihre Produkte und Services mit realen Kunden testen und weiterentwickeln können. Diese werden hier aktiv in die Entwicklung, Einführung und Vermarktung der Konzepte eingebunden. Was Besucher und Unternehmen von dem Projekt erwarten dürfen, erläutert im Gespräch mit unserer Zeitung Frank Danzinger, stellvertretender Geschäftsführer von Fraunhofer SCS.

Was können Besucher im Josephs erleben?

Danzinger: Das Josephs ist als Servicemanufaktur gestaltet. Dem Besucher bietet es eine Innovationserlebniswelt im Herzen Nürnbergs. In wechselnden Themenwelten, zum Beispiel der ersten „Kreativ mit Hand und Fuß“, erlebt der Kunde vier bis fünf Unternehmen mit neuen Produkten, Dienstleistungen oder gänzlich neuen Shopkonzepten, teilweise noch weit vor der eigentlichen Markteinführung. Anfassen, ausprobieren und mitmachen ist ausdrücklich erwünscht. Es können neue Technologien und Prototypen, individuell anpassbare Produkte und Services erlebt und Lösungen selbst (mit)entwickelt werden. Herzstück ist die Werkstatt. Um sie sind die Denkfabrik, ein Gadgetshop und ein innovatives Coffee-Shop-Konzept der Firma Mr. Bleck angeordnet. Egal, ob ein Besucher Neuigkeiten testen will, Verbesserungsideen beitragen oder einfach in einer inspirierenden Atmosphäre einen Kaffee genießen möchte – das Josephs bietet das richtige Umfeld für dieses Erlebnis. Um das Serviceerlebnis insgesamt ständig zu verbessern, fragt Josephs beim Verlassen des Ladengeschäfts nach einem Gesamteindruck – mit einem „Daumen hoch“ oder „Daumen runter“ kann man sein Josephs-Erlebnis bewerten.

Gleichzeitig soll das Josephs auch ein offenes Labor werden: Wie können die Besucher bei der Entwicklung von Dienstleistungen und Technik beitragen?

Danzinger: Innovationserlebnis, Mitmachen und offenes Labor sind untrennbar miteinander verbunden. Wir wissen, dass eine Vielzahl der Produkteinführungen misslingt – und noch höher ist die Rate neuer Produkt-Service-Bündel oder reiner Services, die bei der Markteinführung scheitern. Services stellen eine besondere Herausforderung dar, da die direkte Einflussnahme des Nutzers und Kunden hier entscheidend ist. Sie sind damit schwerlich nur in Experimenten und abgeschlossenen Labors entwickelbar. Josephs eignet sich einerseits besonders für frühe Innovationsphasen, in denen noch unterschiedlichste Ideen und Problemstellungen erfasst werden. Hier bietet das Josephs eine offene Umgebung, die den Besucher einlädt z. B. mittels vorgegebener Hilfsmittel oder Eckdaten Probleme zu lösen oder gar erst Probleme zu formulieren, die er gerne gelöst hätte. Derartige Informationen und Probleme sind viel wert, denn ohne Öffnung bleiben viele Kundenprobleme und Kundenbedürfnisse den Unternehmen unzugänglich und Lösungen werden am Kunden vorbei entwickelt. Doch auch die späte Innovationsphase unterstützt das offene Labor. Es stellen sich andere Fragen, zum Beispiel „Wie muss ich meine Lösung anbieten, welche Zusatzleistungen werden benötigt“ oder „Versteht der Kunde den Mehrwert“.

Welche Innovationen sind durch das Josephs denkbar?

Danzinger: Welche Innovationen genau im Josephs generiert werden, werden die nächsten Monate zeigen. Allerdings finden sich an vielen Stellen bereits heute Produkte und Dienstleistungen, bei denen Nutzer, Kunden oder Hobbytüftler für wichtige Neuheiten maßgeblich verantwortlich sind. Beiersdorf hat beispielsweise ein sehr erfolgreiches Deodorant unter erheblicher Mitarbeit einer sogenannten Co-Creation-Community entwickelt. Das zentrale Ursprungsproblem war hier die Tatsache, dass ein konventionelles Deodorant auf Textilien Spuren hinterlässt.

Wird das Josephs eher wie ein Museum oder ein Elektronikmarkt ausschauen? Wenn Sie mal das Josephs beschreiben könnten?

Danzinger: Man wird im Josephs weder das eine noch das andere finden. Natürlich werden im Josephs auch neue Technologie- und Elektroniklösungen zu sehen sein, aber nicht nur: Neue Verpackungslösungen, neuartige Designs oder manchmal auch einfach nur eine simple, aber zum Mitmachen anregende Problemstellung werden ebenfalls vertreten sein. Anders als im klassischen Museum möchte das Josephs den Besucher nicht ehrfürchtig erstaunen lassen. Erstaunen soll der Besucher höchstens dann, wenn er erkennt, welch spannende Designs er selbst erzeugen kann, wie schnell doch die Zeit im Josephs vergeht oder wie viel Spaß in der Mitmachökonomie für ihn persönlich steckt.

Welche moderne Idee steckt hinter der Servicemanufaktur Josephs?

Danzinger: Josephs baut auf der Idee auf, Kunden in die Entwicklung von Produkt- und Dienstleistungsprototypen ein-zubeziehen. Wir nennen dies Rapid Social Prototyping. Schnelle Entwicklungszyklen und Prototypen sind in vielen produktorientierten Unternehmen oft Standard. Bei Dienstleistungen und Services sowie Kombinationen aus Produkten und Services sind derartige Entwicklungsprozesse wesentlich schwieriger gestaltbar. Der Nutzer und Kunde ist ein integraler Bestandteil der angestrebten Leistung. Deshalb muss der soziale und menschliche Aspekt so gut wie möglich bereits in der Entwicklung einbezogen werden. Für Innenstädte zeigt Josephs ein Konzept, das auf Erlebnis und Interaktion setzt und nicht mehr nur die – durch das Internet bedrohten – Aspekte Konsum und Warenpräsentation fokussiert.

Im Mai wird das Josephs eröffnen: Auf was freuen Sie sich am meisten?

Danzinger: Nach einer langen Planungs- und Vorbereitungsphase freuen wir uns sehr, dass es Mitte Mai so richtig und vor allem pünktlich in der Karl-Grillenberger-Straße losgeht. Besonders freuen wir uns natürlich darauf zu sehen, wie unsere Besucher auf Josephs und seine Themenwelt reagieren und vor allem auch darauf, was die Besucher beitragen können und möchten, um das Josephs vom ersten Tag an mitzugestalten und zu ihrem Josephs zu machen.

Das Interview führte

Nikolas Pelke.