Neuburg
Andere Welt, andere Kultur, anderes Leben

Der in Beilngries praktizierende Kinderarzt Malte Bräutigam engagiert sich im Freundeskreis Indianerhilfe

06.02.2020 | Stand 23.09.2023, 10:25 Uhr
Patricia Viertbauer
  −Foto: privat

Neuburg/Beilngries - Kinderarzt Malte Bräutigam, der in Neuburg lebt und in Eichstätt sowie Beilngries praktiziert, war mit seiner Frau Eva Ackermann von 2005 bis 2007 bei den Urarina-Indianern im peruanischen Regenwald.

Er unterstützt nach wie vor den Freundeskreis Indianerhilfe, der sich um die medizinische Versorgung und die gleichzeitige Bewahrung der Kultur der Indianer kümmert.

Schamanismus, eine hohe Analphabetenrate und Häuser ohne feste Wände - Dinge, die sich für uns fremd und unrealistisch anhören. Doch fast 10000 Kilometer von uns entfernt, im Regenwald im südamerikanischen Peru, ist das bei den Urarina-Indianern Realität. 60 Prozent der Urarinas sind Analphabeten, bei den Frauen können nur zehn Prozent lesen. Es gibt keine Häuser aus Ziegeln mit Wärmedämmung und Schallschutz - die Indianer schlafen in Hütten auf Stelzen, da Überschwemmungen keine Seltenheit sind.

Wohl einer der wenigen Menschen aus der Region um Ingolstadt, der diese fremde Welt kennengelernt hat, ist Kinderarzt Malte Bräutigam. 20 Monate lang hat er vor mittlerweile über zehn Jahren für das Projekt dort gearbeitet. "Unser Auftrag bei den Indianern war und ist es, Vertrauen in der Bevölkerung zu erwecken, damit die medizinische Versorgung, die wir bringen, akzeptiert und möglich gemacht wird", erklärt Bräutigam die Idee des Projektes - und er engagiert sich nach wie vor für dafür.

Die Geschichte des Vereins reicht bis in die 1950er-Jahre zurück. Damals hatte der deutsche Mediziner Theodor Binder eine Aktion im Amazonasgebiet in Peru ins Leben gerufen und in den 1960er-Jahren das Hospital Amazonico gegründet. Aus dem Unterstützerkreis Binders wurde dann der Freundeskreis. Seit zwei Jahrzehnten läuft das Projekt bei den Urarina-Indianern in Absprache mit der peruanischen Gesundheitsbehörde. "Wir haben dort eine Klinik errichtet. Mittlerweile hat es sich herumgesprochen, dass wir die Expertise der westlichen Medizin zu den Indianern bringen wollen. Viele von diesen bringen unserem Projekt auch immer mehr Verständnis entgegen", berichtet Bräutigam.

Die Akzeptanz bei den Urarinas zu erreichen ist eines der Hauptprobleme des Projektes. Das indigene Volk besteht aus 5000 Indianern, die über 19 Motorboot-Stunden und drei Flussläufe verteilt leben. Die Kultur der Urarinas und unsere könnten unterschiedlicher nicht sein: Die Einheimischen sind Jäger und Sammler, die sich von Kochbananen oder erlegten Wildschweinen ernähren. Der Schamanismus spielt eine große Rolle bei den Indianern. "Sie benutzen zum Beispiel halluzinogene Lianenpflanzen, um Reinigungsprozesse durchzuführen", so Bräutigam.

Als er damals beim Projekt des Freundeskreises mitgearbeitet hat, besuchte er in drei Monaten jedes der insgesamt 30 Dörfer. "Eine meiner Aufgaben war unter anderem das Mobilisieren der Leute, bei medizinischen Problemen die Klinik aufzusuchen. Ich habe Impfungen durchgeführt, Einheimische entwurmt und war zwischendrin immer wieder in der Klinik und habe mich dort um Organisatorisches gekümmert"

Da er Kinderarzt und seine Frau Eva Ackermann Gynäkologin ist, haben sie außerdem versucht, bei sensiblen Themen wie Schwangerschaft und Geburt Klarheit zu schaffen. "Wenn sich die Schwangeren von uns untersuchen lassen, können wir Probleme wie Querlagen verhindern. Für gewöhnlich bekommen die Urarina-Frauen nämlich ganz alleine und entfernt vom Dorf ihre Kinder. " Die Kindersterblichkeit bei den Indianern ist sehr hoch. Doch die Einheimischen haben auch zu diesem Thema eine andere Einstellung als wir. "Wenn eine Frau zehn Kinder hat, von denen nur noch drei leben, sagt sie trotzdem, dass sie zehn Kinder hat, denn die Urarinas haben ein ganz anderes Konzept des Individuums als wir", meint Bräutigam.

20 Monate dauerte der Aufenthalt von Malte Bräutigam und Eva Ackermann in Peru. Wieder daheim anzukommen, nahm wesentlich mehr Zeit in Anspruch. "Wenn man dann im Supermarkt steht und Erdbeermarmelade kaufen will, wird man erschlagen vor lauter Auswahl", erinnert sich Bräutigam an die Zeit nach seinem Aufenthalt. Er und seine Frau mussten nach eigenen Angaben erst wieder zurück ins Leben finden. Fünf Jahre lang brach Bräutigam den Kontakt zum Freundeskreis ab, doch irgendwann führte den 48-Jährigen das Interesse und die Liebe zur Arbeit dort wieder zurück. "Mein Herz hängt da einfach dran. Mittlerweile bin ich seit drei Jahren im Vorstand und kümmere mich um Artikel, den Kontakt zu den peruanischen Behörden und so weiter. " Die Zukunft des Freundeskreises ist ungewiss. "Eigentlich arbeiten wir nach dem Motto ?Hilfe zur Selbsthilfe', aber da gibt es ein Dilemma: Wie schaffe ich es, aus dem Gebiet herauszugehen, ohne, dass hinten alles bröckelt? "

Dass die Strukturen, die der Freundeskreis schaffen will, noch nicht von selbst funktionieren und die Indianer sie noch nicht vollständig verinnerlicht haben, bleibt das Hauptproblem des Projektes. "Wir werden in Zukunft mehr mit Anthropologen zusammenarbeiten, damit wir einerseits die Identität der Völker stützen und ihre Kultur bewahren können, aber andererseits auch in der Klinik die medizinische Versorgung weiter ausbauen werden. "

Weitere Informationen sowie die Möglichkeit, zu spenden, gibt es unter der Adresse www. indianerhilfe. de.

DK

Patricia Viertbauer