Mindelstetten
Andere Schule oder teures Ticket

Landkreis Eichstätt streicht Schülern aus Hiendorf die Monatskarte für den Schulbus nach Riedenburg

23.02.2018 | Stand 02.12.2020, 16:46 Uhr

Der Schulbus nach Riedenburg wird auch künftig kommen, bezahlen muss Michael Zimmermann die Fahrt nun aber selbst. - Foto: Missy

Mindelstetten/Riedenburg (DK) Das Landratsamt Eichstätt übernimmt seit dem laufenden Schuljahr nicht mehr die Kosten für Busmonatskarten von Mindelstetten und Hiendorf nach Riedenburg. Die Hiendorfer Schüler erhielten diese Monatskarten allerdings laut Landratsamt jahrelang zu Unrecht.

Michael Zimmermann ist im Schützenverein in Mindelstetten und ministriert in der dortigen Kirche. Und bei der JFG Schambachtal spielt er Fußball. Der zwölfährige Hiendorfer besucht, wie seine Freunde aus Mindelstetten, die Staatliche Realschule in Riedenburg. Der emotionale Bezug der gesamten Gemeinde nach Riedenburg ist ziemlich groß. Von aktuell 36 Realschülern, die in Mindelstetten wohnen, besuchen 28 die Realschulen in Riedenburg, nur sieben fahren morgens nach Kösching. "Ich bin fast nie in Kösching", sagt Michael.

Doch genau dorthin gehört Michael nach Meinung des Landratsamts Eichstätt. Auf Michaels emotionale und zwischenmenschliche Situationen nimmt die Rechtslage keine Rücksicht. Der Gesetzgeber will grundsätzlich, dass Schüler die jeweilige Bildungseinrichtung auf dem billigsten Anfahrtsweg ansteuern. Der Grund dafür: Wenn Kinder und Jugendliche die nächstgelegene Schule besuchen, können die Behörden - ausgehend von Analysen des demografischen Wandels und der Einwohnerentwicklung der Gemeinden und Landkreise - ziemlich präzise vorhersagen, wie sich die Klassenstärken in den einzelnen Schulen verändern. Ein für die Planung der Schule entscheidender Faktor.

Kompliziert wird die Ausgangslage in Gebieten, in denen es nicht eindeutig ist, welche die nächstgelegene Schule ist. Das ist in der Gemeinde Mindelstetten der Fall. Der Weg zur Realschule in Kösching ist nur drei Kilometer kürzer als zur Staatlichen Realschule in Riedenburg, die reine Fahrtzeit unterscheidet sich um wenige Minuten. Traditionell tendieren die Mindelstettener eher zu den Riedenburger Schulen. "Wir haben keinen Bezug zu Kösching", sagt Michaels Vater Erich Zimmermann.

Fahrtzeit und Entfernung sind für die Übernahme der Buskosten durch das Landratsamt aber überhaupt nicht ausschlaggebend. Laut Schulbeförderungsverordnung sind die Tarifpreise der Busunternehmen maßgeblich. Zwar besagt die Regel, dass nur der billigste Anfahrtsweg erstattet wird. Familien, für deren Kinder mehrere Schulen mit gleichem Bildungsangebot infrage kommen, wird aber eine Toleranzgrenze gewährt. Solange eine Monatskarte nicht mehr als 20 Prozent teurer ist als die Buskarte zur Schule mit dem billigsten Fahrtweg, wird auch zu weiter entfernten Schulen die Anfahrt erstattet.

Unabhängig von dieser Toleranzgrenze wird somit klar: In Randlagen an der Grenze zu Einzugsgebieten von anderen Schulen entscheidet die Tarifsituation teils verschiedener Busunternehmen, welche Monatskarte bezahlt wird und welche nicht. Bei monatlichen Kosten von über 100 Euro, die gegebenenfalls selbst gezahlt werden müssen, kann die Tarifsituation indirekt die Schulwahl entscheiden.

Es geht aber noch komplizierter. Die Tarifpreise der Busunternehmen ändern sich jährlich. Manche Gemeinden können so in eine Situation geraten, in der von einem Schuljahr zum anderen die Toleranzgrenze über- oder unterschritten wird.

Und damit zurück in die Gemeinde Mindelstetten. Von den acht Ortsteilen liegen nach den Angaben des Landratsamtes die Tarifkosten für die Busfahrt zur Staatlichen Realschule nach Riedenburg für sechs Ortsteile unterhalb der 20-Prozent-Toleranzgrenze. Während von Tettenagger und Imbath aus der Weg nach Riedenburg sogar günstiger ist, übersteigen die Fahrtkosten von Mindelstetten und Hiendorf in die Dreiburgenstadt die Monatskartenpreise zur Realschule nach Kösching um 25 beziehungsweise 32 Prozent. Die Monatskarte von Hiendorf nach Riedenburg ist satte 19,50 Euro teurer als die von Hüttenhausen aus. Die beiden Ortsteile trennen keine drei Kilometer. Schuld daran sind die Tarifzonen der jeweiligen Busunternehmen.

Die Familie Zimmermann aus Hiendorf ist davon unmittelbar betroffen. Am liebsten würde sie beide Söhne die Riedenburger Realschule besuchen lassen. Der älteste Sohn Michael geht bereits in die siebte Klasse in Riedenburg. Kurz vor Ende des vergangenen Schuljahrs erhielten die Zimmermanns vom Landratsamt Eichstätt die Nachricht, dass künftig die Busfahrkarte nach Riedenburg nicht mehr gezahlt werde. Auch für den Kernort Mindelstetten hatte das Landratsamt diesen Beschluss gefasst.

Die Gründe dafür sind, dass die Köschinger Schule wieder bereit ist, Realschüler aufzunehmen und wegen einer Tariferhöhung die Monatskartenpreise von Mindelstetten über der Toleranzgrenze liegen. Aber: Schülern aus Mindelstetten, die bereits die Riedenburger Realschule besuchen, wird die Monatskarte bis zum Ende der Realschulzeit weiterhin bezahlt.

Das gilt nicht so für Realschüler aus Hiendorf. Wobei der Plural an dieser Stelle irreführend ist. Es geht konkret nur um den Sprössling der Zimmermanns. Seit zwei Jahren besucht Michael Zimmermann die Riedenburger Realschule. Er ist wie seine Mitschüler aus Pförring oder dem Kernort sozusagen Bestandsschüler. Trotzdem werden die Fahrtkosten aber nicht bis zum Realschulabschluss übernommen.

Das begründete das Landratsamt auf Anfrage des DONAUKURIER wie folgt: Von dem Beschluss seien 27 Schüler aus Mindelstetten und Pförring (wir berichteten) betroffen. Doch angesichts dieser großen Zahl sei die Aufnahmekapazität der Köschinger Realschule überschritten. Für Michael Zimmermann werde mit Verweis auf Vorgaben der Rechtsprechung ein Schulwechsel als zumutbar erachtet. Dagegen wird einem Hiendorfer Schüler in der zehnten Klasse der Riedenburger Realschule das Busticket weiter gezahlt. "Gerichtlich anerkannt ist die erforderliche ,Unzumutbarkeit' in der Regel für Schüler, die sich in der Abschlussklasse befinden oder in die Abschlussklasse vorrücken", erklärt dazu Manfred Schmidmeier, der Pressesprecher des Eichstätter Landratsamts.

Familie Zimmermann musste sich also entscheiden: Entweder Schulwechsel nach Kösching in ein komplett neues soziales Umfeld oder die Monatskarte selbst bezahlen. Das sind nach gegenwärtigem Tarif bis zum Ablegen der Mittleren Reife rund 5000 Euro. Die Familie hat sich entschieden, den Sohn nicht aus dem gewohnten Umfeld zu reißen. "Wir werden dem Landratsamt nicht den Gefallen tun, dass Michael wegen des Geldes eine andere Schule besucht", sagt Vater Erich.

In diese Entscheidungssituation brachte die Familie letztlich ein Fehler des Landratsamts. Denn die Kreisverwaltung hatte die Monatskarte zwei Jahre zu Unrecht gezahlt, wie Pressesprecher Schmidmeier unserer Zeitung bestätigte.

Von dem Beschluss, ab sofort selbst für die Kosten aufkommen zu müssen, wurde die Familie Zimmermann überrascht. "Uns hat das bei der Einschreibung niemand gesagt", erklärt Erich Zimmermann. Hätten die Eltern von Michael vor dem Übertritt auf die Realschule gewusst, dass der Schulweg nach Riedenburg eines Tages selbst bezahlt werden muss, hätte der Sohn sich ab der fünften Klasse in der Realschule Kösching einleben können.
 

Kommentar

Urteile von Gerichten mögen den Beschluss, für den Siebtklässler aus Hiendorf die Beförderung zur Schule nicht mehr zu zahlen, rechtfertigen. Aus menschlicher Sicht können die Eltern des Realschülers die Entscheidung zurecht nicht verstehen. Denn erst ein Fehler des Landratsamts brachte die Familie Zimmermann in die unangenehme Situation, zwischen erheblichen Mehrkosten oder dem Herausreißen des Sohnes aus dem gewohnten Umfeld wählen zu müssen. Das Landratsamt macht hier keine gute Figur. Zunächst bemerkte jahrelang niemand, dass unrechtmäßig Steuergelder für die Übernahme von Beförderungskosten ausgegeben wurden. Da freut sich der Bund der Steuerzahler. Nachdem der Fehler bemerkt worden war, muss die Familie Zimmermann die Folgen ausbaden. Offenbar gibt es einen Ermessensspielraum, der es erlaubt, einem Zehntklässler die Busfahrkarte weiterhin zu bezahlen. Dass der Schulwechsel für einen Zehntklässler als unzumutbar, für einen Siebtklässler aber als zumutbar erachtet wird, ist nicht nachvollziehbar. Dass der Gesetzgeber bei der Zumutbarkeit einen Schulwechsel mit einem Umzug vergleicht, mutet fast wie Hohn an – ist es doch in einem solchen Fall die Familie, die selbst die Entscheidung trifft. Wünschenswert wäre es, wenn die Behörde Flexibilität zeigen und die Busfahrkarte des Siebtklässlers bis zum Ende der Realschulzeit bezahlen würde. Die Hiendorfer Familie sollte nicht unter dem Fehler der Kreisverwaltung leiden müssen. Christian Missy