Bergheim
Amtsmissbrauch, oder Akt der Menschlichkeit?

Landratsamt gibt Verfahren gegen Bürgermeister Tobias Gensberger an die Landesanwaltschaft in München ab

28.08.2015 | Stand 02.12.2020, 20:52 Uhr

Bergheim (DK) Für ihn ging es um einen Akt der Menschlichkeit, jetzt lässt das Landratsamt die Landesanwaltschaft Bayern prüfen, ob der Bergheimer Bürgermeister Tobias Gensberger sein Amt missbraucht hat. Er hatte Anfang Juni eine entfernte Verwandte aus einem Seniorenheim geholt.

„Für das weitere Verfahren und Auskünfte ist die Landesanwaltschaft zuständig“, teilte Karen Johannsen mit. Fast drei Monate lang hatte das Landratsamt geprüft, ob ein Disziplinarverfahren eingeleitet werden muss, nachdem Gensberger Selbstanzeige erstattet hatte. Dass nun die Landesanwaltschaft eingeschaltet wurde, begründet sie mit einem „entsprechend schwierigen Fall“. Hier sei es üblich, das Verfahren abzugeben, „um die gute und vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Gemeinden und Landratsämtern nicht zu belasten“. Weiterhin handelt es sich um ein Vorverfahren – ob überhaupt ein Disziplinarverfahren wegen Amtsmissbrauchs eingeleitet wird, steht damit noch nicht fest.

Worum geht es? Die 85-jährige Unterstallerin hatte per Handy aus einem Seniorenheim sowohl an Gensberger als auch einen Nachbarn Hilferufe geschickt. Sie habe Angst, dass ihr Betreuer sie dauerhaft in diesem Heim lassen wolle, hatte sie Gensberger erklärt und ihn „als Bürgermeister und entfernten Neffen“ gebeten, sie herauszuholen. Gensberger machte sich daraufhin mit einem Nachbarn und dem Pächter der landwirtschaftlichen Flächen der Seniorin auf ins Heim. Zuvor hatte er sich in mehreren Gesprächen beim Amtsgericht kundig gemacht und erfahren, dass die Seniorin durchaus berechtigt sei, ihren Aufenthaltsort selbst zu bestimmen, sofern sie das deutlich kommuniziere. Das bestätigte Udo Kotzur, der zuständige Amtsgerichtsmitarbeiter, dem DONAUKURIER auf Anfrage kurz nach der Aktion. Die Seniorin war aus eigenem Willen und selbstständig aus dem Heim zum Auto gegangen, während Gensberger noch mit der Pflegerin sprach. Weder Polizei noch Staatsanwaltschaft wurden während der nächsten Tage tätig – trotz einer Anzeige des damaligen Betreuers. „Uns liegt kein Verfahren vor“, sagte Leitender Oberstaatsanwalt Helmut Walter. Es sah ganz nach einer Privatangelegenheit aus. Das wäre es wohl auch geblieben, wenn die Leitung des Seniorenheims bei einer Befragung des Amtes nicht von ungebührlichem Verhalten des jungen Bürgermeisters berichtet hätte. „Wenn er als Verwandter gehandelt hätte, dann würde uns das gar nicht interessieren“, bestätigt Johannsen. Doch er leugne gar nicht, sich als Bürgermeister von Bergheim vorgestellt zu haben. Hierin aber könnte ein Interessenkonflikt liegen. „Ich habe damit nur die Pflegerin beruhigen wollen, ihr Vertrauen geben wollen“, erklärt Gensberger seinen Satz „Ich bin der Bürgermeister von Bergheim“. Er weist darauf hin, dass immer noch nicht feststehe, ob es tatsächlich ein Verfahren gebe. „Ich bin daran interessiert, dass das geklärt wird“, ergänzt er, „sollte ich einen Fehler begangen haben, werde ich dafür einstehen“. Zugleich stellt er klar, „dass niemandem ein Schaden entstanden ist“ – im Gegenteil, der alten Dame gehe es gut. Das kann deren Jugendfreund Hermann Dinkel, der sie täglich besucht, nur bestätigen. Seit sie wieder zu Hause ist, gehe es ihr immer besser. „Ich bin richtig froh“, sagt sie selbst am Telefon, „hier bin ich einfach daheim“. Ihr damaliger Betreuer Josef Lehmeier, der ebenfalls entfernt mit ihr verwandt ist, wurde zwischenzeitlich durch einen berufsmäßigen Betreuer abgelöst, wie sie es damals gewünscht hatte. Seit einigen Wochen lebt sie mit einer Pflegerin auf ihrem Bauernhof.