Amerika als Puppenstube

14.04.2014 | Stand 02.12.2020, 22:49 Uhr
Inszenierte Alltagswelten: Verkleinerte Architekturen und künstliche Räume sind die Bühne für Laurie Simmons Figuren. Viele der Protagonisten scheinen nur ein Klischee zu leben und sind Gefangene eigener gesellschaftlicher Konventionen. −Foto: Sammlung Goetz/Neues Museum

Nürnberg (DK) Das Staatsmuseum für moderne Kunst in Nürnberg zeigt die Ausstellung "Die fabelhafte Welt der Laurie Simmons" bis zum 22 Juni. In der Anspielung auf den französischen Film "Die fabelhafte Welt der Amélie" geht es um Amerika als Puppenheim, den „American Way of Life“ als süßlich verkitschte Barbie-Welt und die amerikanische Hausfrau, die als aufgedonnerte Blondine zur „Love Doll“, zur Liebespuppe sexualisiert wird.

Es ist die erste Einzelausstellung der amerikanischen, 1949 in New York geboren Fotografin Laurie Simmons in Deutschland, ja sogar in Europa, eine Werkschau mit über 50 Arbeiten der Künstlerin in Zusammenarbeit mit der Sammlung Goetz München.

Laurie Simmons inszeniert die amerikanische Alltagswelt mit vorgefundenen Objekten, die sie arrangiert und fotografiert, baut sie allerdings auch in Miniaturarchitekturen nach, möbliert sie mit grauenhaften Versatzstücken amerikanischer Wohnkultur und staffiert sie mit Puppen als Prototypen des Durchschnittsamerikaners aus.

Ihre großformatigen, zuerst schwarz-weißen, später farbigen Fotografien zeigen in einer Art Hyperrealismus die USA als eine Welt im Kleinen, die sich die Künstlerin realitätsnah zusammenfantasiert hat. Sie spielt, mal ironisch gebrochen, mal sozialkritisch, grandios auf der Klaviatur der üblichen Klischees und Konventionen über die USA, die sie mit ihren imaginierten Interieurs und Landschaften illustriert.

Trifft freilich auch die amerikanische Wirklichkeit, wenn sie in ihren „Talking and Walking Objects“ einen Base-Ball-Schläger zum Sprechen bringt, den Waffenfimmel der Amis mit einer Pistole mit Pin-up-Beinen karikiert oder die amerikanische Luxuswarenwelt mit einer „Wandernden Handtasche“ auf die Schippe nimmt. Spielzeugpuppen vergrößert sie in ihren Fotografien zu Monstern, die heimelige Scheinwelt des „Sweet Home“ stellt sie wie in einem Kaleidoskop auf den Kopf und Bauchrednerpuppen erstarren auf ihren Fotos in bizarren Posen. Wiewohl Augenblicksaufnahmen eines puppenhaft inszenierten und pikturalisierten US-Alltags scheinen die wie Film-Stills, wie Standbilder wirkenden Fotografien Geschichten zu erzählen, die sich freilich der Betrachter selbst zusammenreimen muss. Wenn nicht die überbordende Fantasie der Künstlerin selbst groteske Kapriolen schlägt und die Wirklichkeit übertrumpft: Cowboys in der archaischen Kultstätte Stonehenge und Indianer auf der Akropolis übertrumpfen selbst noch die Traumwelten Hollywoods!

Staatsmuseum für moderne Kunst Nürnberg, bis 22. Juni. Di bis So von 10 bis 18 Uhr, Do bis 20 Uhr.