Am sozialen Abgrund

12.10.2009 | Stand 03.12.2020, 4:35 Uhr

Neuburg (r) "Ich möchte jetzt ein normales Leben führen". Der Richter glaubt dem 28-jährigen Neuburger sogar, aber seine Vorgeschichte spricht gegen ihn. Weil er seinen Vater verprügelt hat, verurteilte ihn der Strafrichter am Amtsgericht gestern zu weiteren neun Monaten Haft.

Wieder einmal war die Begegnung des Vaters mit dem Sohn eskaliert. Obwohl er vom Markt Rennertshofen Hausverbot für die Sozialunterkunft der Gemeinde bekommen hatte, besuchte der Junior den Vater nach einem Anruf. Aus dem Gespräch wurde nach einigen Halben Bier Streit, und als der 28-Jährige die Partnerin des Vaters beleidigte ("Die will dich nur ausnutzen") schlug der Sohn zweimal mit der Faust zu. Das Opfer verlor einen Zahn und rief blutüberströmt die Polizei an.

"Er hat mich beleidigt und zweimal geohrfeigt", versuchte der Angeklagte Richter Ruprecht Herbst seinen Ausraster zu erklären. Er fügte hinzu: "Die ganze Sache tut mir im Herzen leid". Die Entschuldigung klang echt, aber die Vorahndungen sprechen eine deutliche Sprache. Nicht zum ersten Mal hatte der 28-Jährige seinen Vater geschlagen, und 15 Vorstrafen im Register nehmen ihm die Chance auf ein mildes Urteil.

Drastisch fiel aber die Begutachtung durch Landgerichtsarzt Dr. Hubert Haderthauer ins Gewicht. Der Sachverständige sprach dem jungen Angeklagten nahezu jede soziale Kompetenz ab. Verminderte Schuldfähigkeit durch Alkohol oder andere Einflüsse komme nicht in Frage. Der Beschuldigte sei grundsätzlich aggressiv und gewaltbereit: "Dissoziale Verhaltensmuster gehören zu seinem bisherigen Lebensweg". Das mache ihn anfällig auch für rechtsradikale Jugendgruppen. Der 28-Jährige könne nicht resozialisiert werden, weil er gar nicht sozialisiert sei: "Er lebt am Rande der Sozialisation".

Den Eltern – fast 20 Jahre in Sozialunterkünften in Rennertshofen gelebt – weisen die Beteiligten Totalversagen zu. Verteidigerin Susanne Dumann (Ingolstadt) bat um eine "letzte Chance". Staatsanwalt Jochen Metz bewertete Geständnis und Reue und verlangte zehn Monate Haft. Richter Ruprecht Herbst verhängte neun Monate, verbunden mit der Warnung, eine weitere Straftat werde wohl unweigerlich zu einer langjährigen Unterbringung in der Psychiatrie führen.