"Am Ort ist Geschichte zu erfahren"

29.10.2008 | Stand 03.12.2020, 5:28 Uhr

Andreas Heusler präsentiert sein Buch "Das Braune Haus" - Foto: oh

München (DK) Der kleine Konzertsaal der Hochschule für Musik und Theater in München war vollständig belegt. Großes Interesse also für ein Buch über ein Gebäude, dass nur wenige Meter entfernt gestanden hat: Das "Braune Haus".

Andreas Heusler, Leiter des Sachgebiets Zeitgeschichte und Jüdische Geschichte am Stadtarchiv München präsentierte jetzt ein Buch über den Zweiten Weltkrieg, das sich von der Vielzahl von Neuerscheinungen zu diesem Thema abhebt. Er nimmt den Leser mit und versucht zu erklären, wie aus der Stadt der Kunst die Hauptstadt der NS-Bewegung wurde und wirft dadurch einen Blick auf einen dunklen Teil unserer Geschichte am konkreten Beispiel dieses Bauwerks.

Heuslers Diskussionspartner bei dieser von der Moderatorin Amelie Fried begleiteten Buchpräsentation, war der Schriftsteller Gert Heidenreich, dem 1998 der Marieluise–Fleißer–Preis der Stadt Ingolstadt verliehen wurde. Er brachte Heuslers Grundaussage auf den Punkt: "Am Ort ist Geschichte zu erfahren." Und dieser Ort, das "Braune Haus", steht repräsentativ für die Geschichte der NSDAP. Wenige Jahre zuvor noch in Nebenräumen von Bierkellern, hatte man sich 1930 das großbürgerliche Palais Barlow in der Nähe des Königsplatzes als Parteizentrale ausgesucht. Laut Heusler ein "Ort der Repräsentation, an dem die als Krawall- und Schlägerpartei verrufene NSDAP ihre zerstörerischen Ziele unter dem Deckmantel braver Biederkeit verschleiern konnte."

Während des Krieges wurde das "Braune Haus" vollständig zerstört. Doch gerade in München – wo an vielen Stellen noch Relikte der NS-Vergangenheit zu finden sind – stellt sich die Frage nach dem Umgang mit einem solch belasteten Ort. Nach Ansicht von Heidenreich hätten sich Denkmäler abgenutzt. Vielmehr böten so genannte "Stolpersteine" – in den Boden eingelassene Platten, die auf NS-Verbrechen an den jeweils konkreten Orten aufmerksam machen – eine ansprechendere Möglichkeit, zur Aufarbeitung unserer Geschichte. Dies stößt jedoch bei Oberbürgermeister Christian Ude (SPD) und Charlotte Knobloch, der Präsidentin des Zentralrats der Juden, auf Widerstand, da sie befürchten, die Steine könnten durch Neonazis entweiht werden. Für das Gelände des "Braunen Hauses" hingegen ist ein Dokumentationszentrum geplant, das die Erinnerung an die NS-Zeit topografisch in der Stadt verankert, die sich somit der Verantwortung stellt, einen Lernort für die Zukunft zu gestalten. Und wenn es nach Heusler ginge, dann wäre München bald nicht mehr nur "für den FC Bayern und das Oktoberfest" weltweit bekannt, sondern auch für sein NS-Dokumentationszentrum und seine Aufarbeitung der Vergangenheit.

Andreas Heusler: Das Braune Haus – wie München zur "Hauptstadt der Bewegung" wurde, Deutsche Verlags-Anstalt, München, 383 Seiten, 22,95 Euro.