"Am Nasenring durch die Arena" - EuGH prüft Datenschutzregeln für Facebook und Co.

30.03.2015 | Stand 25.04.2020, 3:49 Uhr

Luxemburg (DK) Kann es Spaß machen, sich mit der Europäischen Kommission und Facebook anzulegen? Absolut. Diesen Eindruck gewinnt zumindest, wer sich mit Max Schrems unterhält. Der 27-jährige Jura-Doktorand aus Wien hat ein Verfahren initiiert, das nun den Europäischen Gerichtshof (EuGH) beschäftigt. Die Folgen könnten weitreichend sein.

„Die Richter haben die EU-Kommission am Nasenring durch die Arena gezerrt“, erinnert sich Schrems an die Anhörung vor dem EuGH in Luxemburg. Da habe zum Beispiel der Staatsanwalt einen Vertreter der Kommission gefragt, was er als Facebook-Nutzer tun müsse, wenn er nicht wolle, dass seine Daten in den USA bei NSA und Co. landeten. Die Antwort sei gewesen: „Sie müssen halt Ihr Facebook-Konto löschen.“ Doch das stimme nicht einmal. „Denn auch wenn ich kein Facebook- oder Google-Konto habe, landen meine Daten früher oder später bei Facebook oder Google, über Smartphones beziehungsweise Handy-Apps von Freunden.“ Denn die kleinen Programme verlangen oft Zugriff auf das Telefonbuch des Geräts, in dem Namen, Adressen und Telefonnummern von hunderten anderen Menschen gespeichert sind. Schrems bilanziert: „Das war de facto ein Eingeständnis der Kommission, dass meine Rechte aktuell nicht durchsetzbar sind.“

Seit den Veröffentlichungen der Snowden-Dokumente ist bekannt, dass personenbezogene Daten europäischer Internetnutzer in den USA nicht vor dem Zugriff durch Geheimdienste geschützt sind. Schrems hatte daher 2013 in Irland geklagt. Dort hat Facebook seinen europäischen Hauptsitz. Die irischen Datenschützer hatten die Beschwerde abgelehnt. Dabei beriefen sie sich unter anderem auf eine Entscheidung der EU-Kommission aus dem Jahr 2000, in der die Brüsseler Behörde das Schutzniveau der USA als ausreichend eingestuft hatte. Daraufhin wollte das zuständige irische Gericht vom EuGH wissen, ob die irischen Datenschützer sich überhaupt auf die Brüsseler Entscheidung berufen durften – oder ob sie vielmehr selbst hätte ermitteln können oder müssen.

„Das Hauptthema des irischen Datenschutzbeauftragten in seinem Vortrag vor dem EuGH war die Limitierung der Macht und die eingeschränkten Möglichkeiten seiner Behörde“, berichtet Schrems. Die Richterin habe dann gefragt, ob man diese Situation in Irland vielleicht aus wirtschaftlichen Interessen nicht ändern wolle. Denn Irland hat ein vergleichsweise niedriges Datenschutzniveau und weitgehend machtlose Datenschutzbehörden – ein Standortvorteil im Wettbewerb um die Ansiedlung von US-amerikanischen IT-Firmen wie Facebook.

Mit ihrer Entscheidung könnten die Richter am EuGH das „Safe Harbor“-Abkommen kippen. Das regelt den Fluss von personenbezogenen Daten in die USA. Denn eigentlich ist es verboten, solche Daten aus EU-Mitgliedsstaaten in Staaten zu übertragen, die über kein vergleichbares Datenschutzniveau verfügen – wie die USA. US-Unternehmen können allerdings „Safe Harbor“ beitreten, sofern sie sich zu bestimmten Prinzipien bekennen. Gebrauch gemacht von dieser Möglichkeit haben IBM, Microsoft, Amazon, Google, Hewlett-Packard, Dropbox und Facebook.

„Safe Harbor zu kassieren, wäre am sinnvollsten“, betont Schrems. In der Tat steht das Abkommen seit langem in der Kritik. Unter anderem hat das Europäische Parlament mit 544 zu 78 Stimmen bei 60 Enthaltungen gefordert, dass „Safe Harbor“ ausgesetzt wird. Hintergrund war der von Whistleblower Edward Snowden aufgedeckte NSA-Skandal.

Es ist auch fraglich, ob die Kommission ein Problem damit hätte, wenn der EuGH „Safe Harbor“ kippt. Denn es gibt auch in der Kommission Datenschützer, die das Abkommen gerne los wären. Andere Kommissionsvertreter haben jedoch keine Lust auf Ärger mit den USA. Wenn der EuGH „Safe Harbor“ kippt, wäre das Gericht schuld.

Die Kommission könnte mit den Schultern zucken, die sicherlich verärgerten Amerikaner auf den EuGH-Entscheid verweisen und neue Verhandlungen anstreben. Schrems kommentiert: „Die EU-Kommission hat ja selbst gesagt, dass die aktuelle Situation nicht in Ordnung ist, dass man sich aber zurzeit mit USA auf nichts einigen kann.“

Am 24. Juni soll der Generalanwalt am EuGH sein Gutachten vorlegen. Danach steht die Sommerpause des Gerichts an. Anschließend wird der EuGH wohl sein Urteil verkünden.