Ingolstadt
Am liebsten spielt sie die zweite Geige

Isolde Atzerodt hat sich um das Kulturleben in Ingolstadt verdient gemacht – heute wird sie 70

12.12.2014 | Stand 02.12.2020, 21:52 Uhr

Wertvolle Erinnerungen: Das Goldene Buch, in dem sich vom Konzertverein eingeladene Künstler seit fast 100 Jahren eintragen, ist ein Schatz. Gehütet wird er von Isolde Atzerodt, die sich seit Jahren als guter Geist des Vereins für das Ingolstädter Kulturleben engagiert - Foto: Rössle

Ingolstadt (DK) Das Ingolstädter Kulturleben wäre deutlich ärmer ohne das jahrelange Engagement der Familie Atzerodt. Vor allem um den Konzertverein hat sie sich generationenübergreifend verdient gemacht. Ein Mitglied der Familie feiert am heutigen Samstag einen runden Geburtstag.

Die ganz große Bühne ist nicht die Sache von Isolde Atzerodt. „Ich halte mich lieber im Hintergrund“, sagt sie. Dort allerdings wirkt sie umso emsiger. Ende der 1970er Jahre hat ihr Mann Reinald den Vorsitz des traditionsreichen Ingolstädter Konzertvereins übernommen. Als Musiklehrer war er allerdings untertags unterwegs und so nahm Isolde Atzerodt die Anrufe entgegen, wenn Agenturen oder Musiker Nachfragen hatten oder sonst irgendetwas zu klären war. „Ich stand dabei meistens im Flur, damals gab es ja noch keine Mobiltelefone“, erinnert sie sich. Die Arbeit machte der gebürtigen Ambergerin so viel Spaß, dass sie entschied, den Beruf der Grund- und Hauptschullehrerin aufzugeben, und sich ganz dem Ingolstädter Kulturbetrieb zu widmen.

Seit damals ist eine Menge passiert und es gibt viele schöne Geschichten zu erzählen. Etwa die von Thomaskantor Hans-Joachim Rotzsch. Der kam 1983 mit dem berühmten Thomanerchor aus Leipzig für ein Konzert nach Ingolstadt und wollte in der Stadt Kleidung für seine Gattin kaufen. „Sie haben genau die Figur meiner Frau“, habe er zu ihr gesagt und Isolde Atzerodt als Anprobier-Model mit auf Einkaufstour genommen, erzählt sie. Im ungezwungenen Kontakt zu Weltstars der Musikszene habe sie – bis auf ganz wenige Ausnahmen – stets nur positive Erfahrungen gemacht.

Gerne erinnert sie sich auch an Thomas Quasthoff. Als sie von Haunwöhr aus in die Stadt radelte, um den Sänger willkommen zu heißen, dachte sie darüber nach, wie er wohl zu begrüßen sei. „Gibt man ihm einfach die Hand“, fragte sie sich. Schließlich ist Quasthoff contergan-geschädigt. „Er hat mich dann einfach mit seinen kurzen Armen umarmt. Das war wunderbar.“ Auch die Stars scheinen sich in Ingolstadt unter der Betreuung Atzerodts wohlzufühlen. Am 6. Januar kommt etwa die Violonistin Patricia Kopatchinskaja für ein Konzert nach Ingolstadt. „Auf eigenen Wunsch“, wie Atzerodt betont. Atzerodts führen die Tradition der Goldenen Bücher des Konzertvereins weiter. Jeder Künstler, der in den vergangenen 97 Jahren auf Einladung des Konzertvereins in Ingolstadt zu Gast war, hat sich eingetragen. Die ersten Bände sind bereits dem Stadtarchiv übergeben worden.

Künstler zu betreuen, ist freilich nur eine Aufgabe, der sich Isolde Atzerodt im Konzertverein verschrieben hat. 20 Jahre lang war sie für den Kartenverkauf zuständig. Mittlerweile ist Eva-Maria Atzerodt, eine Tochter von Isolde und Reinald, Vorsitzende des Vereins. Da sie ebenfalls Lehrerin ist, bleibt der „grauen Eminenz im Hintergrund“ (Reinald Atzerodt über seine Frau) nach wie vor eine Menge an Organisationsarbeit. Dabei fällt so viel Papierkram an, dass der Flügel im Hause Atzerodts zeitweise zur musikalischen Büroablage umfunktioniert wird.

Neben dem Konzertverein hat sich Isolde Atzerodt auch für die Musiker des Georgischen Kammerorchesters engagiert. Sie half Anfang der 1990er Jahre nach ihrer Ankunft bei der Suche nach Wohnungen, unterstützte bei Behörden- und Arztterminen. Zehn Jahre hatte sie nach der Gründung der „Nachtigallen“ den Vorsitz des Kinder- und Jugendchors inne, bis sie auch hier wieder ins zweite Glied zurücktrat.

An diesem Samstag allerdings wird sie nicht umhinkönnen, die Hauptrolle zu spielen. Da feiert sie nämlich ihren 70. Geburtstag. Immerhin wird sie nicht alleine im Mittelpunkt stehen – neben ihr wird ihre Zwillingsschwester Brunhilde gefeiert werden.