Ingolstadt
Am Grafen Tilly scheiden sich die Geister

21.01.2010 | Stand 03.12.2020, 4:19 Uhr

Unter dem Dach der Wirtschaftsschule am Brückenkopf soll auch die neue "Tilly-Realschule" angesiedelt werden. - Foto: Herbert

Ingolstadt (DK) Heiliger oder Kriegsverbrecher? An der Person des Grafen Tilly scheiden sich auch 377 Jahre nach dessen Tod in Ingolstadt die Geister. Am Plan der Wirtschaftsschule, eine neue Realschule nach dem kaiserlichen Feldherrn zu benennen, hat sich der Streit wieder entzündet.

Tilly-Realschule soll sie heißen, die neue Ingolstädter Schule in Sichtweite zum gleichnamigen Reduit und der benachbarten Wiese. Unter dem Dach der Wirtschaftsschule will Schulleiter Elmar Tittes noch in diesem Herbst den Betrieb dieser vierten Ingolstädter Realschule aufnehmen.

Soweit, so gut – wenn da nicht die Namensgebung wäre. In Leserbriefen an den DK wurde die Wahl ungewöhnlich deutlich kritisiert. Besonders die "Magdeburger Hochzeit" lasse die Person Grafen Johann t’Serclaes von Tilly (1559 bis 1632) als Patron einer Schule ungeeignet erscheinen. Damals, im Dreißigjährigen Krieg, hatten kaiserliche Truppen unter Führung des glühenden Marienverehrers 1631 das protestantische Magdeburg erobert und gebrandschatzt. Mindestens 20 000 Menschen sollen auf grausame Weise ums Leben gekommen sein. Eine Tiefgarage, ein Reduit und eine Straße, so ein Leserbriefschreiber, seien genug Erinnerung an den Grafen, dessen einzige Verbindung mit Ingolstadt darin besteht, dass er nach seiner schweren Verwundung in der Schlacht von Rain am Lech hierher verlegt wurde, wo er am 30. April 1632 starb.

Erinnerungen an den Feldherrn gibt es nicht nur in Ingolstadt, sondern beispielsweise auch in München (Feldherrnhalle) und besonders in Altötting, wo er seine letzte Ruhe gefunden hat. Diesem Wallfahrtsort war Tilly tief verbunden, hatte er doch das dortige Gnadenbild der Schwarzen Madonna mit edlen Steinen schmücken lassen. Doch sogar in Altötting, wo eine Kapelle und ein Platz nach ihm benannt sind, zeigte sich zuletzt bei der Aufstellung des Reiterstandbildes durch die Marianische Männerkongregation vor knapp fünf Jahren, wie umstritten Tilly heute noch beurteilt wird. So trug auch eine vom Verein Alt-Tilly herausgegebene Publikation den Titel "Heiliger oder Kriegsverbrecher".

Tilly hat aber auch Anhänger wie den Altöttinger Kapuzinerbruder Elias-Maria Spreng. Der gebürtige Ingolstädter und Absolvent der Ickstatt-Realschule begrüßt den Vorschlag einer Tilly-Realschule. Er bedauert, dass offensichtlich Schillers "Geschichte des Dreißigjährigen Krieges" immer noch "gutgläubige Anhänger" finde. "Einfach mal Gertrud von Le Forts ,Magdeburger Hochzeit‘ lesen. Hilft gegen Unwissenheit", sagt der Verfasser einer kleinen Gedenkschrift über Tilly dem DK. Außerdem könne man ja den "unbescholtenen" Neffen des Feldherrn, Werner t’Serclaes Reichsgraf von Tilly, als Namensgeber nehmen, lautet der Vorschlag des Hauschronisten des Kapuzinerklosters St. Magdalena in Altötting

Nur einen, nämlich Elmar Tittes, ficht der Streit um die Namensgebung der geplanten Realschule nur wenig an. "Es bleibt bei Tilly", lautet sein lapidarer Kommentar.