München
„Am Anfang hatte ich Milch im Maßkrug“

Otto Schwarzfischer aus Vohburg stand auf dem Oktoberfest viele Jahre als Kapellmeister auf der Bühne

26.09.2017 | Stand 02.12.2020, 17:26 Uhr
Mittlerweile stattet Otto Schwarzfischer (links) der Wiesn nur noch gelegentlich einen Besuch ab: Hier steht er im Schottenhamel-Festzelt zusammen mit seinem Nachfolger als Kapellmeister, Christian Sachs, auf der Bühne. −Foto: Stäbler

München (DK) 1956 ist Otto Schwarzfischer auf dem Münchner Oktoberfest erstmals auf der Bühne im Schottenhamel-Zelt gestanden – damals mit seinem Opa, später war er fast ein halbes Jahrhundert lang Kapellmeister. Der Vohburger hat sechs verschiedene Oberbürgermeister beim Anzapfen erlebt und den Taktstock mit Promis wie Uli Hoeneß und Thomas Gottschalk geschwungen.

Und er war der Erste, verrät der 77-Jährige im Interview, der Schlager und Pop im Wiesn-Zelt salonfähig gemacht hat.

 

 

Herr Schwarzfischer, wie schreibt man einen Wiesn-Hit?

Otto Schwarzfischer: Diese Frage ist mir immer wieder gestellt worden. Aber ganz ehrlich: Das lässt sich nicht so leicht sagen. Der erste richtige Wiesn-Hit war aus meiner Sicht Mitte der Achtziger „Fürstenfeld“ von S.T.S.

 

Wieso gerade dieser Song?

Schwarzfischer: (fängt an zu singen und zu klatschen) I will wieder ham, fühl mi do so allan.

 

Geht’s also um die Melodie?

Schwarzfischer: Auch. Aber vor allem muss der Text leicht zu merken sein. Und man muss mitklatschen können.

 

Haben Sie selbst ein Wiesn-Lied, dass Sie besonders gerne mögen?

Schwarzfischer: (singt und grinst) „Servus, Pfüat Gott und Auf Wiedersehen“.

 

Weil das für Sie immer Feierabend bedeutet hat?

Schwarzfischer: Genau, wobei ich immer sehr gerne auf dem Oktoberfest gespielt habe, das ist schon was Besonderes. Ich habe auch 51 Jahre lang keinen einzigen Tag gefehlt.

 

Wie hat das Ihre Stimme mitgemacht?

Schwarzfischer: Das mit der Heiserkeit ist schon extrem. Ich habe da verschiedene Sachen probiert, zum Beispiel Kamillentee gurgeln. Und am Anfang hatte ich sogar Milch im Maßkrug, der bei mir immer aus Stein sein musste, damit die Besucher das nicht sehen.

 

Nicht nur für die Stimme sondern für den ganzen Körper ist so eine Wiesn eine extreme Belastung.

Schwarzfischer: Ja, vor allem als in den Zelten noch geraucht wurde. Vor ein paar Jahren war ich mal in einer Klinik, und da wurde wegen einer anderen Sache eine Aufnahme von meiner Lunge gemacht. Der Arzt hat dann zu mir gesagt: Na Sie sind aber ein starker Raucher. . .

Dabei haben Sie nie geraucht.

Schwarzfischer: Aber das wollte der Arzt nicht glauben – bis ich ihm erzählt habe, was ich beruflich mache. Ich war ja nicht nur immer auf der Wiesn, sondern stand in manchen Jahren 130 bis 150 Tage bei Volksfesten auf der Bühne – in Augsburg, in Regensburg, in Günzburg. . .

 

Auch auf dem Barthelmarkt?

Schwarzfischer: Nein, dort nie – obwohl das von meinem Heimatort Vohburg das nächste Volksfest ist. Aber leider hat das aus Termingrünen nie geklappt.

 

Sie haben bereits mit elf von Ihrem Opa Klarinette gelernt, später waren sie 14 Semester lang auf dem Münchner Konservatorium. Und neben den Volksfesten haben Sie noch in einer kleinen Tanz-Kombo gespielt.

Schwarzfischer: . . .und die hat auch den Ausschlag gegeben, wieso wir Anfang der 80er-Jahre einen ganz neuen Sound auf die Wiesn gebracht haben. Damals haben wir als erste Kapelle überhaupt angefangen, Schlager von Udo Jürgens oder Freddy Quinn ins Programm zu nehmen. Später kamen noch englische Lieder dazu, „Country Roads“, die Rolling Stones und solche Sachen.

 

Was heute in allen Zelten gespielt wird.

Schwarzfischer: Ja, aber damals gab es in den anderen Zelten noch ausschließlich Blasmusik. Wir hingegen haben mit unserem neuen Sound den Schottenhamel im Handumdrehen zum jüngsten Zelt der Wiesn gemacht. Der Andrang war riesig, es gab manchmal sogar Leute, die versucht haben übers Zeltdach reinzukommen.

 

Mit Ihnen auf der Bühne im Schottenhamel standen unzählige Promis wie David Copperfield oder Blacky Fuchsberger. Wer hat den meisten Eindruck hinterlassen?

Schwarzfischer: Das war Thomas Gottschalk. Der hat gleich eine halbe Stunde lang mit mir zusammen dirigiert und war richtig gut drauf.

 

Zuletzt noch eine Frage: Stimmt es, dass Sie 2001 Christian Ude und Edmund Stoiber ein „Hey Baby“ abgetrotzt haben?

Schwarzfischer: Das war ja die Wiesn kurz nach den Anschlägen in New York. Damals hatte die Stadt die Ansage gemacht, dass am ersten Tag keine Stimmungsmusik gespielt werden darf. Das Problem war, dass im Jahr vorher „Hey Baby“ von DJ Ötzi ein Riesenhit gewesen ist – und den wollten die Leute unbedingt hören. Irgendwann hat das ganze Zelt angefangen, dieses Lied zu brüllen und uns auszupfeifen.

 

Also sind Sie rauf auf den Balkon, wo Oberbürgermeister und Ministerpräsident saßen. . .

Schwarzfischer: . . .und ich habe gesagt: Lasst mich dieses Lied und noch ein paar andere Songs spielen und danach lasse ich es wieder anklingen. Beide haben das genehmigt, und am nächsten Tag stand in der Zeitung: Otto Schwarzfischer holte sich von Stoiber und Ude auf der Galerie den Segen, dass er das spielen darf. | DK

 

Das Interview führte

Patrik Stäbler.

ZUR PERSON

Otto Schwarzfischer wurde 1939 in Innsbruck geboren, zog dann aber mit seiner Familie nach Vohburg (Landkreis Pfaffenhofen), wo er seit 1945 lebt. Über seinen Opa Wolfgang Schwarzfischer, dessen Hallertauer Bauernkapelle 1950 erstmals auf dem Oktoberfest spielte, kam der damals 16-Jährige zu seinem Debüt im Schottenhamel-Zelt. Danach verpasste er laut eigener Aussage von 1956 bis 2007 „keinen einzigen Wiesn-Tag“. Ab 1963 war er Kapellmeister der „Kapelle Schwarzfischer“ – die dienstälteste Kapelle auf dem Oktoberfest.

Deren Leitung übergab er 2007 zwar an Christian Sachs, doch auch danach stand der Vohburger noch sechs weitere Jahre auf der Bühne – „aber nur noch unter der Woche und bis 20 Uhr“. Nach der Wiesn 2013 zog sich der heute 77-Jährige schließlich ganz zurück. Mittlerweile komme er nur noch gelegentlich auf die Wiesn, „und ab und zu stelle ich mich noch auf die Bühne und dirigiere einen kurzen Marsch oder so etwas.“ | DK