Ingolstadt
Altstadt steht auf Pfahlschuhen

Ausstellung im Messpegelhaus über Grabungen auf dem Gießereigelände

24.11.2021 | Stand 23.09.2023, 21:59 Uhr
Die sogenannten Pfahlschuhe, die Gerd Riedel hält, werden im Alten Messpegelhaus ausgestellt. −Foto: Schattenhofer

Ingolstadt - Dieser Schuh aus Eisen läuft sehr spitz zu und wirkt in seinem rostroten Look äußerst dekorativ. Trotzdem ist er nichts für schuhverrückte Frauen - eher ein Modell, auf das Archäologen stehen. Gemeint ist der Pfahlschuh, auf dem - in tausendfacher Ausführung - ein großer Teil der Altstadt fußt. Ihm ist nun eine Ausstellung im kleinsten Museum Ingolstadts, dem Alten Messpegelhaus gewidmet. Sie wird diesen Donnerstag um 18 Uhr eröffnet. Gerd Riedel vom Stadtmuseum führt in das Thema ein.

Die präsentierten Pfahlschuhe stammen von Ausgrabungen auf dem ehemaligen Gießereigelände, wo gerade das Museum für Konkrete Kunst und Design (MKKD) entsteht. Unter der früheren Gießereihalle wurden sie einst in Reih und Glied in den feuchten Boden gerammt und verschafften der Konstruktion die nötige Stabilität.

So erklärt sich der Titel der Ausstellung: "Ingolstadt steht auf Schuh(en)". Gerd Riedel erklärt, dass Ingolstadt nicht nur eine Stadt am, sondern zum Teil auch im Fluss ist. "Das Schwemmland von Donau und Stadtbach Schutter musste seit dem Mittelalter für den Bau ganzer Stadtviertel stabilisiert werden. In den Untergrund gerammte Pfähle sorgen bis heute dafür, dass die schweren Mauern der aus Bruchsteinen und Ziegeln errichteten Gebäude nicht im Boden versinken." Das erinnert ein wenig an Venedig - eine romantische Vorstellung.

Laut Riedel war für die Verteidigungswerke von Ingolstadt, Bayerns stärkster Festung seit dem 16. Jahrhundert, ein fester Untergrund "überlebenswichtig". So stecken heute in zehn bis fünfzehn Metern Tiefe ganze Felder mächtiger Pfähle im kiesigen und mancherorts sogar sandigen Untergrund der Stadt. Um sie einrammen zu können, trugen ihre Spitzen eiserne Schuhe.

Das MKKD wird größtenteils im Untergrund, um die mächti-
gen Fundamentbögen der sogenannten Gießereihalle herum, errichtet. In der Baugrube offenbarte sich eine Überraschung: "An keiner Stelle der Stadt fand man so viele Pfähle auf so engem Raum", sagt Riedel. "Denn die 1882 bis 1884 erbaute Gießereihalle war als Geschütz-Bohr-Werkstätte der Königlich Bayerischen Geschützgießerei und Geschossfabrik errichtet worden. Die schweren Maschinen ruhten auf massiven Steinfundamenten, und diese wiederum auf einem ausgedehnten Pfahlfeld, fest verbunden durch Holznägel und Balkenschlösser." Der Untergrund ist besonders schwierig zu bebauen: Ihn durchziehen verfüllte Festungsgräben des 16. und 17. Jahrhunderts. "Bis hinein ins 19. Jahrhundert waren sie mit Wasser verfüllt, in denen sich auch Fische tummelten", erzählt Riedel. "Einer von ihnen wurde bei den archäologischen Ausgrabungen entdeckt und erhielt von seinen glücklichen Entdeckern den Namen Finn."

Auf kleinstem Raum sind im Alten Messpegelhaus einige der Pfahlschuhe ausgestellt - das Ensemble wirkt wie ein Kunstwerk. "Wir waren noch nie so schnell mit dem Aufbau der Ausstellung fertig", sagt Gerd Riedel. Die Spitzen der meterlangen Pfähle wurden abgesägt. Sie stammen vom Holz der Tanne, Eiche oder Buche. "Wir können anhand der Pfähle nachvollziehen, woher die Ingolstädter in den vergangenen 500 Jahren ihr Holz bekamen - aus dem Neuhau oder dem Hochgebirge." Aber das ist eine andere Geschichte.

DK

Suzanne Schattenhofer