Ingolstadt
Altersarmut auf dem Vormarsch

Überschuldete Haushalte nehmen weiter zu - Landkreis Eichstätt hat die finanziell solidesten Bürger

05.02.2018 | Stand 02.12.2020, 16:51 Uhr

Ingolstadt (DK) Die Wirtschaft brummt. Erst vor Kurzem verkündete die Bundesagentur die geringste Januar-Arbeitslosigkeit seit 25 Jahren. Doch die Überschuldung in der Region steigt weiter an - zum vierten Mal in Folge.

Fast alle neu Verschuldeten im Jahr 2017 kommen aus der sogenannten Mittelschicht. Das geht aus dem Tätigkeitsbericht der Schuldner- und Insolvenzberatung des Diakonischen Werks Ingolstadt hervor. In Bayern ist die Schuldnerquote im Vergleich zu anderen Bundesländern demnach weiterhin recht niedrig. So lag die Quote im Freistaat bei 7,47 Prozent (2016: 7,35 Prozent), in Berlin bei 12,63 Prozent und in Bremen bei gar 13,97 Prozent. Allerdings: Von den 65 000 neu verschuldeten Menschen, die im vergangenen Jahr dazukamen, sind über ein Drittel (22 000 Personen) aus Bayern.

"Das ist schon etwas komisch", sagt Helmut Hartl, Leiter der Schuldner- und Insolvenzberatung auf Nachfrage. Man müsse die Zahlen aber auch in der Relation sehen. Im Vergleich zu anderen Bundesländern stehe Bayern gut da. So liegt die Schuldnerquote in der Region unter dem bayerischen Durchschnitt von 7,47 Prozent. Ingolstadt kommt ihr mit 7,30 Prozent (2016: 7,27 Prozent) am nächsten, gefolgt vom Landkreis Pfaffenhofen mit 6,31 Prozent (2016: 6,23 Prozent) und vom Kreis Neuburg-Schrobenhausen mit 5,41 Prozent (2016: 5,22 Prozent). Die sogar bundesweit mit Abstand niedrigste Quote hat der Landkreis Eichstätt mit 3,77 Prozent (2016: 3,79 Prozent).

Als Gründe für Überschuldung nennt der Bericht vor allem Arbeitslosigkeit, Scheidung und andere kritische Lebensereignisse. Aber auch Zeit- und Leiharbeiter seien oftmals betroffen. Als weiteren Grund führt das Diakonische Werk die "extrem steigenden Mietkosten" an, die dazu führen, dass "Familien von ihrem Einkommen nicht leben und die laufenden Kosten nicht mehr zahlen können."

Steigende Mieten werden auch für ältere Menschen zunehmend zu einem finanziellen Problem. "Wir haben Fälle, in denen ein Rentner 950 Euro Rente erhält und 608 Euro Miete zahlen muss," sagt Hartl. Diese Altersarmut hat es seiner Meinung nach vor 10 bis 15 Jahren noch nicht gegeben. Er geht deshalb davon aus, dass das Thema "Überschuldung im Alter" in den kommenden Jahren noch zunehmen wird.

Statistisch gesehen kam im vergangenen Jahr jeden Tag mindestens eine Bürgerin oder ein Bürger in die Schuldnerberatungsstelle der Diakonie. 381 Ingolstädter nahmen demnach den Service in Anspruch. Davon konnten 198 Personen im Rahmen einer Kurzberatung (ein bis zwei Beratungsgespräche) geholfen werden. 183 Familien und Einzelpersonen benötigten längerfristige Beratungen.

Dass die Altersarmut zu steigen beginnt, lässt sich auch aus den Zahlen ablesen. Machte der Anteil der Bürger über 56 Jahren, die die Schuldnerberatung 2016 in Anspruch nahmen noch 9,9 Prozent (16 Personen) aus, stieg sie ein Jahr später auf 13,1 Prozent (24 Personen). 43,2 Prozent der Schuldner waren 18 bis 35 Jahre alt, 43,7 Prozent 36 bis 55 Jahre.

Mangelnde Bildung ist auch ein wesentlicher Faktor für Überschuldung. So haben 33,33 Prozent der betreuten Schuldner keinen Schulabschluss, 52,46 Prozent keine Berufsausbildung. Fast die Hälfte der Ratsuchenden war zu Beginn der Beratung arbeitslos.

Unter den Klienten, die längerfristig beratet werden mussten, hatten 75 Personen im vergangenen Jahr bei bis zu fünf verschiedenen Stellen Schulden, 79 bei bis zu 15 Gläubigern und 29 Bürger standen bei über 15 Stellen "in der Kreide". Am höchsten war der Anteil der Personen, die einen Schuldenberg zwischen 10 000 und 25 000 Euro hatten. Fünf Ratsuchende hatten gar Schulden von mehr als 100 000 Euro.