Alter Film über Gaudiwurm: Schimpfen auf die Lokalpolitik machte auch vor 50 Jahren schon Spaß

Ab gen Mars mit den Stadträten

21.02.2017 | Stand 04.02.2021, 14:05 Uhr
Ihre Gaudi an frechen Sprüchen, mit denen gern auch die Großkopferten der Stadt derbleckt wurden, hatten die Schrobenhausener auch schon Ende der 60er-Jahre, als Kurt Gössl (o.) einen Film über den damaligen Faschingsumzug drehte. Nicht anders verhielt sich das rund zehn Jahre später, als die Aufnahme links in etwa entstanden sein dürfte. −Foto: Privat

Schrobenhausen (SZ) Was so alles abgeht in der Stadt – oder eben nicht: Wann böte sich je eine bessere Möglichkeit, darüber so richtig schön zu spötteln, als beim Faschingsumzug? Diese Gelegenheit nutzten die Schrobenhausener bereits vor einem halben Jahrhundert. Ein alter Streifen, den Kurt Gössl damals drehte, liefert den Beweis.

Es geht rund in der Schrobenhausener Innenstadt: Mit Kind und Kegel sind die Leute auf den Beinen – die einen als neugierige Zaungäste, die anderen bieten ihnen als kunterbunte Maschkerer in fantasievollen Kostümen, als Cowboys und Sträflinge, Clowns oder Wikinger, ein paar unbeschwerte Stunden in einer noch deutlich ramponierteren Innenstadt, die die Frage aufwirft, worüber sich die Leute heutzutage eigentlich echauffieren. „Postler“ und Feuerwehrleute mischen genauso mit wie der FC Schrobenhausen und gleich mehrere Livebands, die mit Quetschn, Schlagzeug oder Trompete – und zwar mikroverstärkt! – direkt von den Umzugswagen aufs Volk herab posaunen. Szenen wie diese sind es, in denen es ein wenig fuchst, dass das Ganze ohne Tonspur abläuft.

Doch allein die Bilder zeigen einen kleinen Abriss dessen, was den Menschen seinerzeit so alles durch den Kopf gespukt haben mag: So wünschen sich die Erbauer eines besonders imposanten Gefährts „das ganze Jahr Volksfest in Schrobenhausen“, anderen lässt das „Hallenbadprojekt“ keine Ruhe, wieder andere gruseln sich anscheinend beim Blick in die Zukunft, wo sie im Jahr 2000 „Herzverpflanzung am Fließband“ vermuten. Und obwohl die Herrschaften auf einem der Wagen so gar nicht danach aussehen, als wären sie auf Krawall gebürstet, prangt über ihnen in dicken Lettern: „Armersinger Streithähne“.

Witzig auch, womit die Herrschaften so alles durch die Stadt knattern: Bulldog, Lastwagen, Motorrad, VW Käfer, Porsche, dazwischen gurkt sogar ein antikes Hochrad durch Sob-City. Selbst das liebe Vieh muss mit ran, Ochsengespann und Rösser traben genauso friedlich mit wie ein Esel samt Scheich auf dem Buckel. Und auf einem der Fuhrwerke müssen sogar drei quicklebendige Schafe für freche Politikfrotzeleien herhalten: „Wir sind 3 Volksvertreter und doch wählt uns jeder.“

Auch ein prächtiger Schimmel schreitet immer wieder durchs Bild. Auf seinem Rücken, fröhlich den Zuschauern zuprostend: Schimmelwirt Jakob Stief. Apropos zuprosten: Wer meint, die Schrobenhausener seien seinerzeit ja noch viel, viel braver gewesen, wird eines Besseren belehrt – gebechert wird auch damals schon eine Menge. Und noch etwas hat sich bis heute nicht verändert: Das Schimpfen auf die Kommunalpolitik macht den Leuten offenbar auch Ende der 60er-Jahre, als der Streifen mutmaßlich entstand, eine Mordsgaudi. So prangt an einem offensichtlich von Haus aus nicht besonders flotten Gefährt die Aufschrift: „Schnell's Dienstwagen – zur Beförderung der Blitzgedanken unserer Stadtväter“. Wer ganz genau achtgibt, erhascht im Lauf des Films sogar mal einen kleinen Blick auf Bürgermeister Albert Schnell höchstselbst. Und auch die übrigen Lokalpolitiker kommen nicht ungeschoren davon: Eine stattliche Rakete haben ganz besonders kreative Zeitgenossen gebastelt, mit der sie die Stadträte „kostenlos zum Mars“ befördern möchten.

Die Kamera im Anschlag – so war in jenen Zeiten Kurt Gössl, der den Streifen drehte, gern mal in der Stadt unterwegs. So widmete er eines seiner in unzähligen Stunden entstandenen Filmprojekte jener Stadt, in der er einst als Flüchtling gestrandet war. Geboren 1935 in Zieditz im Egerland kam Kurt Gössl im Alter von zehn Jahren mit der Mutter und den drei Geschwistern nach Schrobenhausen, Weihnachten 1947 stieß auch der Vater aus russischer Kriegsgefangenschaft wieder zur Familie. Immer schon faszinierten Kurt Gössl Foto- und Filmtechnik. Übrigens auch die Modellbautechnik – sie sollte einer der großen Pfeiler seines Ladens werden, den er in den 70er-Jahren gemeinsam mit seiner Frau Rita in der Ulrich-Peisser-Gasse eröffnete, später dann in der Lenbachstraße weiter betrieb.

Übrigens: Nur die absoluten Hardcore-Leser der Schrobenhausener Zeitung dürften mit diesem kleinen Bonmot, das ebenfalls auf Gössls Faschingsfilm zu sehen ist, etwas anfangen können: „Unsere Heimatzeitung bringts herum – der Skoda legt sie alle um.“ Und nein, von einem Auto war hier nicht die Rede, sondern von einem früheren Redakteur.