Geisenfeld
Als „Lebensretter“ ein gutes Gefühl

Stammzellenspender erzählen von ihren positiven Erfahrungen – Benefizkonzert als Werbung

21.08.2017 | Stand 02.12.2020, 17:37 Uhr

−Foto: Zurek, Magdalena, Geisenfeld

Geisenfeld (GZ) Eine Stammzellen-Spende ist „nichts Dramatisches“, aber sie kann das Leben eines Blutkrebspatienten retten – so die Botschaft junger Freiwilliger beim Benefizkonzert „Rock for Life“. Der Geisenfelder Andreas Aichele kann das aus eigener Erfahrung unterstreichen.

Einem Menschen das Leben zu retten, ist immer ein „zutiefst emotionaler Moment“, weiß Aichele aus Erfahrung. Als Polizist hat Andreas Aichele das bei beruflichen Einsätzen erlebt. Noch wesentlich intensiver waren jedoch die Gefühle, die den Geisenfelder Familienvater überwältigten, als er erfuhr: Seine Knochenmarkspende hatte einem jungen Mann das Leben gerettet. „Die Dankesbriefe der Familie haben mich zutiefst berührt“, erinnert er sich, noch heute hörbar betroffen.

Dass er sich 2002 überhaupt dazu entschlossen hatte, in die bundesweite Spenderkartei aufgenommen zu werden, war im Grunde ebenfalls seinem Beruf geschuldet. „Ich war damals bei der Flughafenpolizei in München tätig, und ein Kollege von der Feuerwehr war an Leukämie erkrankt“, erzählt der heute 41-Jährige. Da sei es „selbstverständlich“ für ihn gewesen, sich typisieren zu lassen. „In einem ersten Schritt musste ich nur einen Tropfen Blut abgeben,“ erzählt er.

Für den Feuerwehrmann war Aichele nicht der richtige Spender, aber zehn Jahre später kam das Anschreiben, es könnte einen passenden Empfänger geben. Fast wie ein Wunder mutet es an, dass am gleichen Tag auch sein damaliger Kollege Daniel Gierl eine solche Nachricht erhielt – allerdings für einen anderen Patienten. Die Heimatzeitung hatte damals ausführlich über dieses Ereignis berichtet.

Was nun folgte, war ein sogenanntes „Confirmacy Typing“. Auch der 24-jährige Stefan Kosak, als Gitarrist der Wild Ones beim Benefizkonzert aktiv, hat diesen großen Check-Up als „völlig unkompliziert“ erlebt. Bei den ausgiebigen Untersuchungen wird nochmals die Kompatibilität der Stammzellen mit jenen des Empfängers überprüft.

Bei Aichele lautete das Ergebnis: „Zu 100 Prozent passend.“ Es folgte ein Tag im Klinikum Gauting, an dem der zweifache Vater nochmals – unter psychologischer Begleitung – in sich gehen konnte, bevor er seine endgültige Entscheidung traf: „Ich mach das.“

Fünf Tage lang bekam er Spritzen mit dem Wachstumsfaktor G-CSF verabreicht. „Die steigern die Anzahl der Stammzellen“ weiß er. Wenn die richtige Konzentration erreicht ist, „steht am Ende so eine Art Blutwäsche“, beschreibt Aichele das Prozedere. Bei diesem dialyseartigen Verfahren werden die Stammzellen aus dem Blut gefiltert. Unter bestimmten Bedingungen kann auch die Entnahme von Knochenmark aus dem Hüftkamm nötig sein.

„Das geschieht dann unter Vollnarkose“, erklärt Clara Naracci. Die 27-jährige Grundschullehrerin aus Ingolstadt, die zu den drei Vertretern der DKMS beim Benefizkonzert gehörte, hat vor knapp zwei Jahren auf diese Art für ein Baby gespendet.

Während der Behandlung dachte Aichele, der heute als Polizeihauptmeister in der Pressestelle Ingolstadt arbeitet, viel an den jungen Mann, dessen Leben von einer erfolgreichen Transplantation abhing. Es war kurz vor Weihnachten, und wie er später erfuhr, hatte der Spendenempfänger sich schon vorsorglich von der Familie verabschiedet. „Sein Immunsystem wurde zur Vorbereitung auf die Übertragung der Stammzellen quasi auf null runtergefahren, das ist eine kritische Phase“, so Aichele, der nach Aufhebung der zweijährigen Sperre einen ersten telefonischen Kontakt mit der Familie hatte und endlich wusste: „Es ist gut gegangen.“ Das weiß inzwischen auch Stefan Kosak, dessen Stammzellen 2014 ein Amerikaner empfangen hat. Spender wie Empfänger bleiben zum Schutz der Privatsphäre so lange anonym. Nur mit beiderseitigem Einverständnis wir die Anonymität aufgehoben.

Clara Narraci wartet noch auf die erlösende Nachricht. Auch ihre DKMS-Mitstreiterin Sylvia Peters weiß noch nicht, ob die 63-Jährige Empfängerin ihrer Stammzellen tatsächlich geheilt ist. Albert Stieglhofer, der sich die Typisierung 2015 „als guten Vorsatz fürs neue Jahr“ vorgenommen hatte, steht hingegen bereits im Briefkontakt mit jener Frau, für die er zum Lebensretter wurde. Allerdings noch ohne deren Namen zu kennen. Der 23-jährige Servicemitarbeiter hatte beim Benefizkonzert ebenfalls am Infostand der DKMS vielen Besuchern zu Fragen rund um das Thema „Stammzellen-Spende“ Rede und Antwort gestanden.

SPENDER GESUCHT

Die gemeinnützige Gesellschaft DKMS, die Blutkrebs-Patienten lebensnotwendige Stammzellen vermittelt, darf sich über eine schöne Spende freuen. Welche Summe genau beim Benefizkonzert „Rock for Life“ am Samstag zusammenkam, konnte Organisator Thomas Thunig gestern aber noch nicht sagen. An dem Erfolg des Festivals waren neben drei Bands auch zahlreiche ehrenamtliche Helfer von Aufbau über die Bewirtung bis zur Technik beteiligt. Der Reinerlös dient unter anderem zur Finanzierung von Typisierungsaktionen potenzieller Spender. Den Kostenaufwand in Höhe von 40 Euro pro Spender trägt die DKMS.

„Alle 15 Minuten erkrankt hierzulande jemand an Blutkrebs und sein Leben hängt davon ab, ob sich ein passender Stammzellen-Spender findet“, begründet Thunig sein Engagement. Als Rettungsassistent erlebt er immer wieder hautnah das Schicksal an Leukämie-Erkrankter und hat sich daher selber bereits typisieren lassen.

In 25 Jahren hat die DKMS als weltweit größter Dateienverbund über 6,2 Millionen Freiwillige registriert und mehr als 55 000 Mal wurden Spenden vermittelt. „Trotzdem wartet hierzulande jeder siebte Erkrankte vergeblich auf Hilfe“, bedauert Thunig. Weil eine Übereinstimmung von Spender und Empfänger „seltener ist als ein Lottogewinn“, hofft er auf viele potenzielle Stammzellen-Spender. Infos bekommen diese unter der Telefonnummer (0 70 71) 93 40 oder unter www.dkms.de. | zur