Ingolstadt
Als "laufender Bierkrug" für die Schüler

Volker Simm läuft jedes Jahr beim Ingolstädter Halbmarathon mit - 2019 erstmals verkleidet

07.05.2021 | Stand 23.09.2023, 18:27 Uhr
Volker Simm hat sich 2019 zum ersten Mal für den Halbmarathon verkleidet. −Foto: Meyer

Ingolstadt - Ein etwa 30 Zentimeter hoher Hut mit weiß-blauen Rauten, ein kariertes Hemd, eine Badehose im Lederhosenstil, knallrote Turnschuhe - in diesem Outfit ist Volker Simm 2019 seinen 19. Ingolstädter Halbmarathon gelaufen.

Und nicht nur zum Spaß - es hatte einen pädagogischen Hintergrund.

Für heuer ist der 52-jährige Schreinermeister Simm bereits ausgestattet. Auf seinem himmelblauen Shirt ist in grauer Schrift "20 Jahre Halbmarathon Ingolstadt" zu lesen. Die Silhouetten von Kreuztor, Liebfrauenmünster, Rathaus und Neuem Schloss sind in Grau darauf abgedruckt. Seine Laufnummer hat er auch: 2009. So eine Nummer, die mit 20 beginnt, haben nur die 18 Sportler bekommen, die zum 20. Mal beim Ingolstädter Halbmarathon mitlaufen - der in seine 20. Auflage geht. Wie so viele findet auch diese Veranstaltung heuer virtuell statt. Die Teilnehmer haben sich Shirt, Nummer und eine Medaille zu Ehren der 20. Auflage am Sporthaus Sport IN abgeholt oder können es diesen Samstag beim MTV-Stadion tun. Sie laufen einzeln zwischen dem 30. April und 15. Mai. Das Ergebnis tragen sie selbst ein. Wie sie auch die Strecke selbst wählen.

Volker Simm hat sich nicht für die übliche Route des Halbmarathons entschieden. Er läuft von seinem Zuhause in Gerolfing aus zum Baggersee, zweimal um ihn herum und wieder zurück. Die Strecke hat er so gewählt, dass er auf die 21,1 Kilometer kommt. Dafür brauchte er in den meisten Jahren etwa eine Stunde und 45 Minuten. Nicht aber beim vergangenen Lauf 2019. Da lief er etwa eine Dreiviertelstunde länger bis ins Ziel. Mit Hut, Hemd, Badehose.

"Sozusagen als laufender Bierkrug" sei er angetreten, so Simm. Für diese Verkleidung habe er sich auch wegen des "Fests zum Reinen Bier" entschieden. Das habe schon mal am gleichen Wochenende stattgefunden wie der Halbmarathon. Aber warum hat er sich überhaupt verkleidet? Vor allem den etwa 30 Zentimeter hohen Hut brauchte er, um gesehen zu werden - von seinen Schülern. Die sollten ihn in den Zwischenstationen des Staffellaufs schnell finden. "Ich dachte, mit dem Hut sehen sie mich in der Wechselzone und werden nicht nervös. "

Simm ist nicht nur selbstständiger Schreiner, sondern seit 2007 auch Fachlehrer am Caritaszentrum St. Vinzenz in Ingolstadt. In der Einrichtung für Menschen mit Behinderung schreinert Simm mit den Schülern der Berufsschulstufe. "Es ist ein angenehmes Arbeiten. Die Schüler geben viel zurück. " Früher hat er seine beiden Söhne zum Kinderlauf mitgenommen. Für 2019 hat er Schüler gefragt, ob sie beim Staffellauf mitmachen wollen und mit den fünf Freiwilligen zwischen 16 und 19 Jahren trainiert. Dreimal am Stück sei er mit ihnen wöchentlich um den Sportplatz gelaufen, jede Runde 400 Meter. Der Heilerziehungspflegehelfer Uwe Welter hat Training und Staffellauf mitbetreut. "Für die Schüler war das top. Die haben sich tierisch gefreut", sagt er. Simm sei "sehr engagiert beim Thema Sport mit Jugendlichen". Es wäre toll, wenn kommendes Jahr wieder Schüler mitlaufen könnten.

Simm sagt, es gehe auch darum, Berührungsängste abzubauen. Die Eltern der Schüler hätten sich über die Teilnahme ihrer Kinder gefreut und an den Wechselzonen gewartet. Vorletzter seien sie geworden. Aber es ging vor allem um den Spaß. Sein Kostüm habe den Jugendlichen gefallen: "Sie haben gelacht und auf mich gezeigt. " Für 2022 kann Simm sich vorstellen wieder mit Schülern zu laufen, wenn sich ein Team zusammenfindet.

Für diesen Samstag, an dem der Halbmarathon ursprünglich geplant war, hat er sich heuer den Lauf vorgenommen. Die Organisatoren hätten länger im Vorfeld gesagt, dass der auf jeden Fall stattfinde. Deshalb hatte Simm seit Januar gezielt trainiert. Er finde es super, dass die Verantwortlichen den virtuellen Halbmarathon ermöglichen. Auch wenn das besondere Gefühl des gemeinsamen Laufens und das Publikum heuer fehlen.

Simm erzählt sehr lebendig davon: "Wenn sie auf der Konrad-Adenauer-Brücke kurz vorm Start ,Highway to Hell' spielen, der Oberbürgermeister den Startschuss gibt, Trommeln spielen und es teilweise so laut ist, dass man seinen eigenen Atem nicht hört. " Er scheint während seiner Beschreibung ganz in den Moment des Starts versetzt. Er lächelt fast das ganze Gespräch hindurch. "Man spürt keinen Widerstand. " So motiviert sei er durch die Innenstadt gelaufen, wegen der Leute, der Musik. "Dann erst nach 4,5 Kilometern Richtung Autobahn wird es ruhiger. Am Baggersee findet man seinen Rhythmus. " Zurück in der Stadt werde es wieder laut. So sei es immer gewesen. "Als Ingolstädter liebe ich ja die Stadt", sagt Simm weiterhin lächelnd.

DK

Christine Zinner