Eichstätt
Als "Gaudimachen" Pflicht war

18.02.2011 | Stand 03.12.2020, 3:08 Uhr

Eichstätter Fasching in den 1930er Jahren. Der Umzug startete am Bahnhof. - Foto: Sammlung Hager

Eichstätt (EK) In einer Diktatur werden selbst Gaudi und Frohsinn, Volksfest und der Fasching quasi amtlich verordnet. Das war auch während der nationalsozialistischen Zeit so, als 1938 und 1939 der "Volksfasching" erfunden wurde. Die Berichte darüber nahmen in der Tageszeitung viel Raum ein – für die Mitteilung, dass der Fasching 1940 wegen des Krieges untersagt wurde, genügten ein paar Zeilen.

ANNO DAZUMAL

"An die Bevölkerung des Kreises Eichstätt" wandte sich die Stadtverwaltung im Februar 1938 und forderte auf: "Einmal sollen sich alle Volksgenossen des Kreises Eichstätt und der Stadt ein Stelldichein geben." Eine tolle Zaubernacht, "in der des Lebens süßeste Würze prickelt", sollte alle vereinigen. Die holden Schönen Eichstätts im Verein mit ihren Schwestern des Kreises sollten einen Reigen lieblicher Anmut bilden. Dazu wurde in 17 Lokalen für die Rosenmontagnacht ein "buntes Paradies" aufgebaut.

Die 17 Eichstätter Gaststätten, die beim Ball der Stadt mitmachten, waren entsprechend dekoriert. Einige ihrer Faschingsmottos: "Zur Winzerliesl", "Auf der Alm, da gibt’s koa Sünd", "Opiumhöhle", "Berggeist" und "Die keusche Eva". In der Bilanz zu dem Großereignis heißt es, dass rund 2500 Frauen und Männer sich maskiert hatten und teilnahmen. Der Schirmherr, Bürgermeister Dr. Walther Krauß, wurde nach Mitternacht entlarvt und mit "hua hu" gefeiert. Einen Faschingsprinz namens "Lassnetaus" gab es, von einer Prinzessin war keine Rede in den 1938er Berichten.

Kritisch bemerkten die Veranstalter, "dass es Volksgenossen gibt, die den Volksfasching ablehnen und meinen, von ihrer Würde etwas zu vergeben". Das wurde als "volksfremd" angeprangert. Insgesamt gab es während der Faschingszeit 120 Veranstaltungen, wobei auf die wirtschaftliche Seite verwiesen wurde sowie darauf, dass die Musiker reichlichen Verdienst fanden.

Erstaunlicherweise richteten die Strategen 1939 ihre Blicke beim Volksfasching nach Amerika. Al Capone aus Chicago kam mit einem Panzer und raubte Prinzessin Sulaika Orchidee von der Seite des Prinzen Roba El Cali. Verfolgt wurden die Entführer von Polizeirat Ali Baba. An dem Rosenmontag 1939 landeten die Marsmenschen mit dem Raumschiff auf dem Marktplatz, der damals nach einem Nazi-Führer in Julius-Streicher-Platz umbenannt war. Der Chef des Fluggeräts "Usa Varückt" erzählte, wie es auf dem Mars aussieht. Ein Festzug wurde organisiert mit berittenen Beduinen, den Fasenickln und dem Fangen des Ungeheuers von Loch Ness in der Altmühl. Die Bürger aus Stadt und Land wurden aufgefordert, in hellen Scharen zu dem Spektakel zu kommen. Fotografien beweisen, dass der Zulauf enorm war. Und der Redakteur schwärmte: "Eichstätt hat seinen Volksfasching, der in wenigen Jahren so berühmt sein wird, dass man ihn in ganz Deutschland kennt."

Was daraus wurde, zeigt ernüchternd die Zeitungsnotiz vom 12. Januar 1940 auf: "Keine Faschingsveranstaltungen. Nach einer Entschließung des Staatsministeriums des Innern hat der Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda angeordnet, dass Karnevalsveranstaltungen und Bunte Abende … in Anbetracht der Kriegszeit nicht abgehalten werden sollen. … Es ist auch unstatthaft, in Gaststätten Faschingsartikel wie Ballone, Luftschlangen, Papierkugeln und Mützen usw. zu verkaufen und zu verteilen."