Heideck
Als die Rudletzholzer Wehr auf Wallfahrer zielte

Geschichten aus dem Heidecker Erzählcafé rund um den Mai: Gläubigen wurden 1979 irrtümlich für Maibaumdiebe gehalten

20.05.2016 | Stand 02.12.2020, 19:47 Uhr

Der Burschenverein "Gemütlichkeit" Heideck hat nach dem Krieg alljährlich einen Maibaum auf dem Heidecker Festplatz aufgestellt. Seit einem Unfall vor einigen Jahren hat sich der Burschenverein jedoch von dieser Tradition verabschiedet. Seitdem stellt die Heidecker Feuerwehr im Feuerwehrhof einen Maibaum auf. ‹ŒRepro: Peschke

Heideck (HK) Der Marien- und Wonnemonat Mai ist das Thema im jüngsten Erzählcafé gewesen. Es ist die Zeit, in der die Blumen blühen, sich alles erneuert und die Menschen mit guter Laune und Tatendrang in zahlreichen Volksbräuchen und Festen den Anbruch der warmen Jahreszeit feiern.

Andreas Meier eröffnete das wieder gut besuchte Erzählcafé mit einem alten Geburtstagsgedicht zum 75. Geburtstag von Herma Böhm. Für alle Frauen in der Runde sang der inzwischen 87-Jährige im Nachgang zum Muttertag das Lied, das man früher oft der eigenen Mutter vorgesungen hat: "Die Mutter ist das größte Glück auf Erden, was jedes Menschenherz begehren kann."

Richard Böhm bat dann die Anwesenden zurückzudenken, was alles im Monat Mai an christlichen und weltlichen Festen und Feiertagen gefeiert wird. Die Stoffsammlung wollte nicht enden: Maiandachten mit Marienaltar, Prozessionen an Christi Himmelfahrt und Fronleichnam, Pfingsten, Verehrung der Heiligen Dreifaltigkeit am ersten Sonntag nach Pfingsten, Vater- und Muttertag, Tag der Arbeit, Kirchweihen, die Eisheiligen, Volks- und Frühlingsfeste und so weiter.

Im katholischen Kirchenjahr ist der Mai besonders der Verehrung der Gottesmutter Maria gewidmet. So ist es Brauch geworden, dass der Marienmonat am 1. Mai mit feierlichen Maiandachten zu Ehren Marias eröffnet wird. Man sprach ferner von Maitanz, Maibowle oder Maibock und den Maikäfern, die es fast nicht mehr gibt. Es ging um den alten Brauch des Maitanzes, auch um das Aufstellen der Maibäume und um das Maibaumklettern. Auch die fünf Heidecker Keller (Barthskeller, Hahnenwirtskeller, Mändlskeller, Wink-lerskeller, Wurmskeller) wurden dazu wieder geöffnet. Dichter, Sänger und Liedermacher besangen und besingen den Mai als Wonnemonat, in dem es endlich Frühling wird.

Viele Erzählungen rankten sich um den Maibaum, dessen Herrichten und Aufstellen mit zu den beliebtesten Traditionen in ganz Bayern zählt. Er wird jedes Jahr am 1. Mai auf einem besonderen Platz aufgestellt. Der schon 1893 gegründete Burschenverein "Gemütlichkeit" Heideck habe nach dem Krieg auf dem Heidecker Festplatz den Maibaum aufgestellt, wie sich der frühere Vorsitzende Heinrich Gabler erinnert. Der Baum stand etwa dort, wo heute der Eingang zum Bierzelt ist. Als man 1960 zum Heidecker Heimatfest ein Bierzelt aufstellte, wurde der bunt bemalte Maibaum von der Gemütlichkeit beim früheren Gasthof Barth aufgestellt. Seit einem Unfall vor einigen Jahren hat sich die Gemütlichkeit auf diesem Feld zurückgezogen. Jetzt stellt die Heidecker Feuerwehr im Feuerwehrhof einen Maibaum auf.

Man erinnerte sich, dass das Maibaumstehlen bis heute ein beliebter Wettbewerb unter den Burschen ist. Nach alter Sitte darf der Baum, der schon Wochen vor der Aufstellung geschlagen und hergerichtet wird, gestohlen werden. Wenn der Maibaumdiebstahl glückte, endete das Ganze mit einer feucht-fröhlichen Rückgabeverhandlung, in der das als Auslöse vereinbarte Bier samt Brotzeit meist gemeinsam verzehrt wurde. Für lustig befunden wurde im Erzählcafé der aktuelle Coup der Aberzhausener Burschen, die den Laibstädter Maibaum erst gegen eine Auslöse wieder zurückgaben.

Es wurde erzählt, dass das "Maibaumkraxeln" in Heideck einst groß in Mode war. Schon als zehnjähriges Schulkind habe sich der Krätzer "Nori" als hervorragender Kletterer ausgezeichnet. Er soll sich die Hände und Füße auf Anraten seines Vaters einmal mit Honig aus der elterlichen Imkerei eingeschmiert haben und sei dann wie ein "Eichkatzla" auf den mit Preisen geschmückten Baum geklettert, habe vom Kranz eine Stange Rohwurst oder Süßigkeiten abgerissen und sei unter großem Beifall wieder zurückgeklettert. "Das Maibaumklettern war für mich viele Jahre eine riesige Gaudi", erzählte Krätzer. Andere Kletterer versuchten es mit Pech und Spucke und waren ebenso erfolgreich.

Andreas Meier erzählte, dass er mit Freunden einmal einen rund sechs Meter hohen Maibaum aus dem Wald holte und diesen bunt geschmückt beim Denzinger Sepper vor dessen Haus "einpflanzte". Der habe sich über den Maibaum so gefreut, dass er den ganzen Tag über Freibier spendete. Auch alle Wurstdosen des Hauses wurden ratzeputz verzehrt. Ein anderer Teilnehmer der Runde erzählte, dass der Maibaum der "Gemütlichkeit" im Hof von Christoph geputzt, bemalt und geschmückt wurde. Der Baum sei Tag und Nacht von einem riesigen Bernhardinerhund erfolgreich bewacht worden.

Richard Böhm wusste noch aus eigener Erfahrung, dass Stadtpfarrer Josef Fersch 1979 bei der ersten Heidecker Pfarrwallfahrt nach Eichstätt mit vielen Gläubigen in Richtung Rudletzholz unterwegs war. Die Feuerwehr Rudletzholz befürchtete damals, dass die große Menge Menschen, die da anrückte, den Maibaum stehlen wollte. Deshalb wurden die Gläubigen aus vollen Rohren nass gespritzt, bis sich der Irrtum aufklärte. Die Lindwurmspatzen haben dieses Ereignis seinerzeit im Fasching besungen "Was schleicht dort im nächtlichen Dunkel nach Rudletzholz herein? Es werden doch nicht Maibaumdiebe sein, man holt zum Gegenschlage aus und spritzt die frommen Pilger zum Ortseingang hinaus!"

Inge Fürsich erinnerte sich dann, dass man im Mai anstelle von "April, April" die Leute gerne mit dem Hinweis foppte "Da schau hie, dou is a Maigansla". Andreas Meier erzählte, dass man früher nach einem Maitanz nicht heimgegangen sei. Man habe sich beim Tanzen jemanden herausgesucht und sei dann bei diesem eingekehrt. Solche Nachfeiern dauerten meist bis in die Morgenstunden. Der Ausersehene ließ sich in der Regel nicht lumpen, tischte eine Brotzeit auf und es floss immer viel Bier.

Überhaupt ist man im Monat früher gerne zusammengekommen, um etwas zu feiern. Es seien oft auch Wetten abgeschlossen worden, so Andreas Meier. Einmal habe er in Selingstadt eine Bierfasswette gewonnen, weil er versprach, einen ganzen Ring Stadtwurst "und er" Brot zu essen. Er verzehrte dann unter großem Gelächter nur den Wurstring, den er "unter" ein Brot gelegt hatte.

Maximilian Peschke erzählte, dass der Pano Athanasulis einmal im Skiclub ein Fass Bier zahlen musste, weil er felsenfest wettete: "Ich schlachte eine halbe Sau." Ihm sei erst nach der Wette klar geworden, dass man nur eine ganze Sau schlachten könne.

Richard Böhm gab zum Besten, dass er als Jugendlicher bei einer Wirtshausschlachtschüssel einmal eine riesige aufgeplatzte Stadtwurst im Wurstkessel entdeckt habe. Der Wirt habe zu ihm gesagt: "Wenn du die Wurst alleine packst, dann kannst die ganze Woche bei mir Brotzeit machen!". Er habe die Wurst wider Erwarten verdrückt und löste dann eine Woche lang beim Wirt die ihm versprochene Brotzeit ein.

Das letztes Erzählcafé vor der Sommerpause findet am Donnerstag, 9. Juni, ab 17 Uhr, im Gasthof Lindwurm statt.