Geisenfeld
Als der Dorfpolizist ausgedient hatte

06.05.2010 | Stand 03.12.2020, 4:02 Uhr

Gruppenbild mit Käfer: Kurz nach Gründung der neuen Geisenfelder Großraumstation Anfang der 60-er Jahre postierte sich der junge Polizist Lothar Nossol (rechts) mit seinen drei Kollegen der "Dienstgruppe A" zum Foto.

Geisenfeld (GZ) Krankenhaus und Amtsgericht hat Geisenfeld in den 70-er und 80-er Jahren als überörtliche Einrichtungen verloren. Eine ist geblieben: die Polizei als Großraumstation, die für den gesamten nördlichen Landkreisbereich zuständig ist.

Vor nunmehr 50 Jahren, Ende April 1960, wurde diese Organisationsform eingeführt, die das Ende der kleinen Ortspolizeien in Vohburg, Wolnzach, Pörnbach und Reichertshofen mit sich brachte. Heute betreut die PI Geisenfeld rund 45 000 Einwohner, die sich auf etwa 300 Quadratkilometer verteilen.

Der wohl letzte noch lebende Polizeibeamte, der bei Gründung der Geisenfelder Großraumstation persönlich dabei war, ist Lothar Nossol. Der heute 75-Jährige wurde damals aufgrund der Umorganisation von der aufgelösten Zwei-Mann-Dienststelle Scheyern hier her versetzt. An das dortige Polizeileben kann sich Nossol noch gut erinnern: "Jeder Beamte musste in der Regel die Hälfte des Tages Außendienst verrichten. Die Streifen, die drei bis sechs Stunden dauerten, wurden zu Fuß oder mit dem Radl absolviert." Ganz wichtig dabei: die Kontaktpflege mit den Bürgern und auch mit den Bürgermeistern in den Dörfern. "Da erfuhr man dann vieles über die Sorgen und Nöte der Leute, man bekam aber auch Infos über verdächtige Zeitgenossen", schmunzelt Nossol, der bis zu seiner Pensionierung 1994 stellvertretender Dienststellenleiter in Geisenfeld war.

Beamte nicht erreichbar

Aus heutiger Sicht kaum vorstellbar: Die Beamten, die im Außendienst waren, konnten von der Dienststelle aus stunden lang nicht mehr erreicht werden – ein Funkgerät war für die Polizeistationen damals noch nicht vorgesehen.

Auch einen Schichtdienst gab es in den örtlichen Polizeistationen nicht. Wenn nachts etwas Schwerwiegenderes passierte – ein Unfall, ein Brand oder eine Straftat – dann mussten die Beamten aus dem Bett geholt werden. Einer von ihnen hatte das Diensttelefon bei sich zu Hause installiert, er verständigte dann im Bedarfsfall die Kollegen.

Dass mit dem zunehmenden Verkehrsaufkommen und der ebenso ansteigenden Kriminalität diese Organisationsform unzureichend war, lag auf der Hand, und so wurde Ende April 1960 in ganz Oberbayern die Polizei-Großraumstationen eingeführt. Die Beamten der bisherigen kleineren Stationen wurden zusammengezogen, womit nun ein Schichtdienst rund um die Uhr gewährleistet werden konnte.

Seit der Schaffung der Großraumstationen gibt es im Bereich des Landkreises Pfaffenhofen nur noch zwei Polizeistationen: in Pfaffenhofen und in Geisenfeld. An dieser Organisationsform auf der untersten Ebene hat sich seitdem kaum etwas geändert – außer dass 1973 auch noch die Bereiche Baar-Ebenhausen und Reichertshofen zum Dienstbereich Geisenfeld geschlagen wurden (dafür kam Rohrbach zu Pfaffenhofen) und die Station mittlerweile als Polizeiinspektion bezeichnet wird. "Dass es die Dienststelle in dieser Form in Geisenfeld gibt, ist zur Selbstverständlichkeit geworden, aber wir sind froh, dass wir sie haben", betont Bürgermeister Christian Staudter.

Flugzeugabsturz 1968

Die schlimmste Katastrophe, zu der die Geisenfelder Beamten seit Gründung der Großraumstation gerufen wurden, ereignete sich im August 1968: Ein britisches Charterflugzeug stürzte damals auf Höhe der Auffahrt Langenbruck auf die Autobahn. 48 Menschen kamen dabei ums Leben. "Das war einfach grausig, und weil auch in der Führungsebene auf so etwas niemand so richtig vorbereitet war, gestaltete sich die Koordination des Einsatzes alles andere als einfach", erinnert sich Nossol.

A propos Autobahn: Trotz der geringen Verkehrsdichte gab es dort schon vor fünf Jahrzehnten etliche schlimme Unfälle, erzählt der altgediente Beamte. Hauptgrund – neben der unzureichenden Sicherheitsausstattung der Fahrzeuge: "Die Autobahn hatte damals statt einer Mittelleitplanke nur einen Grünstreifen, der leicht zu überfahren war".

Der erste Chef der hiesigen Großraumstation hieß bis 1964 Georg Lachner. Im folgten Josef Grassold (bis 1967), Einhard Schwind (bis 1970), Franz Motzet (bis 1989) und Hans Fuchs (bis 1993). Unter dessen Ägide erfolgte im Dezember 1990 auch der von den Beamten lang ersehnte Umzug in das neue Dienstgebäude an der Nöttinger Straße, nachdem die Räumlichkeiten im Klosterstock schon lange aus allen Nähten geplatzt waren. 4,3 Millionen Mark betrugen damals die Baukosten für das neue Gebäude .

Die letzten drei Chefs hießen Hans Lutz (bis 1999), Hans Heimhuber (bis 2002) und Alois Batz. Seit März steht nun Klaus Hofbeck der Dienststelle vor, und dieser freut sich, "Leiter einer so geschichtsträchtigen Inspektion zu sein". Freilich, so Hofbeck, könne man in Nostalgie schwelgen und der Zeit nachtrauern, "als der Dorfpolizist noch mit dem Radl unterwegs war". Naturgemäß habe die unvermeidliche Vergrößerung der Organisationsform ein Stück weit mehr Anonymität zwischen Bürger und Polizei mit sich gebracht. Dennoch, so Hofbeck, verstehe sich die Geisenfelder Polizei auch in der heutigen Zeit als bürgernaher Ansprechpartner. "Denn Sicherheitsprobleme können letztlich nur gemeinsam mit der Bevölkerung gelöst werden".