Ingolstadt
Alles, nur kein "Einheitsschulwesen"

Kultusminister Spaenle will an den Grundfesten freistaatlicher Bildungspolitik nicht rütteln lassen

23.06.2013 | Stand 02.12.2020, 23:59 Uhr

Ingolstadt (DK) Das bayerische Kabinett war am Wochenende stark in Ingolstadt präsent. Während am Samstagvormittag Kultusminister Ludwig Spaenle (CSU) offensiv die Bildungspolitik des Freistaates vertrat, diskutierte Wirtschaftsminister Martin Zeil (FDP) am Nachmittag mit den Jungunternehmern.

Spaenle (Foto) stand offensichtlich noch ganz unter dem Eindruck der Kultusministerkonferenz der Länder in der vergangenen Woche. Er habe sich in Wittenberg, gewissermaßen dem protestantischen Vatikan und Zentrum des Luthertums, fast als Einzelkämpfer gefühlt, berichtete er den Teilnehmern eines CSU-Bildungskongresses im Hotel Ambassador. Denn das Kultusressort sei leider in kaum einem Bundesland noch von der Union besetzt. Dabei sei doch gerade die Bildung das „Kern- und Herzthema des bürgerlichen Lagers“. Die in Wittenberg propagierte Vergleichbarkeit der Abiturprüfungen in Deutschland will Spaenle keinesfalls so verstanden wissen, dass die Länder in der Bildungspolitik die „Handlungsautorität aus der Hand geben“ sollten. Mit welchem Widerwillen der Minister die Vorstellung von einem „Einheitsschulwesen für ganz Deutschland“ erwähnte, daraus sprach das freistaatliche Selbstbewusstsein, das zuvor auch schon Christa Stewens offenbart hatte, die CSU-Fraktionschefin im Landtag.

„Bayern erreicht in allen Vergleichsstudien Spitzenplätze“, rief die Politikerin den Kongressteilnehmern in Erinnerung. „Entscheidend ist, welche Chancen die Ausbildung den jungen Menschen vermittelt. Gerade diese Chancen sind für uns in Bayern hervorragend.“ Die CSU-Position: „Wir stehen für ein differenziertes, nach allen Seiten offenes Bildungssystem.“ Ein handfester Beweis für diese These schien der aktuelle Ingolstädter Bildungsbericht zu sein, den Christina Hofmann den Parteifreunden stolz präsentierte. Die Stadträtin und Hauptschullehrerin sprach als Vertreterin des OB ein Grußwort.

Minister Spaenle verstand seinen Vortrag als Bilanz („Wir legen Rechnung“) und Ausblick gleichermaßen. „Bildungspolitik gehört zu den Kronjuwelen im Politikverständnis der Bürgerlichen“, erklärte er und ließ keinen Zweifel daran, dass die CSU am „differenzierten Bildungswesen“ unter allen Umständen festhalten werde. Die Aufteilung in Mittelschulen, Realschulen und Gymnasien biete ein „Höchstmaß an Teilhabe und Chancengerechtigkeit“. Allerdings habe es durchaus Versäumnisse gegeben, was die Übergänge und die Durchlässigkeit angeht. Daher Spaenles Forderung: „Kein Abschluss ohne Anschluss.“

Das „ach so gescholtene Gymnasium“ habe eine „stürmische Entwicklung hinter sich gebracht“, kommentierte er den Streit um das G8 und kündigte für den Herbst eine „völlig neue Förderkonzeption“ an: die Wahlfreiheit der Schüler zwischen acht und neun Gymnasialjahren, in der Öffentlichkeit als „Flexi-Jahr“ tituliert. Der Kultusminister räumte ein, dass für die Schulkinder „die Startbedingungen noch nie so weit voneinander entfernt waren wie heutzutage“. Die Bildungspolitik müsse deshalb „noch mehr auf die Entwicklung des einzelnen Kindes“ eingehen. „Gemeinschaftsschulfantasien führen ins Abseits.“

In der anschließenden Diskussion erzählte eine Mutter von vier Kindern aus dem Schulalltag. Immer mehr Kinder würden „aus dem Ruder laufen“, so dass sie sich manchmal fast die Polizei im Klassenzimmer wünsche. Eine Lehrerin machte sich für ihr Projekt „Soziales Lernen“ stark, das den Schülern „soziale Kompetenz“ vermitteln solle. Dazu Minister Spaenle: „Die RTL2-Generation wird jetzt älter!“