Weichering
"Alles in trockenen Tüchern? Von wegen!"

Fragen und Antworten zum geplanten Paketzentrum bei Weichering

07.06.2021 | Stand 23.09.2023, 19:03 Uhr
So könnte der Komplex aussehen: Ein geplantes Paketzentrum bei Weichering erhitzt die Gemüter. Unter anderem mit Bürgerprotesten sahen sich die Vertreter der Gemeinde um Bürgermeister Thomas Mack (3.v.l.) schon konfrontiert. Das Projekt ist auf einer Fläche zwischen W −Foto: Patrick Pleul/dpa-Archiv, Jandaeichering und Maxweiler geplant.

Neuburg - Das geplante Paketzentrum der Deutschen Post bei der Gemeinde Weichering beschäftigt die Menschen in der Region. Für unsere Zeitung beantworten Bürgermeister Thomas Mack und Konzernvertreter Thomas Schlickenrieder einige häufig gestellte Fragen.

 

Wie läuft das Baurechtsverfahren für das geplante Paketzentrum bei Weichering?

Vorgesehen ist für die Fläche zwischen Weichering und dem Neuburger Stadtteil Maxweiler ein vorhabenbezogener Bebauungsplan, der ausschließlich und genau auf die Deutsche Post ausgerichtet ist – samt der üblichen Beteiligung der Bevölkerung sowie von Behörden und Fachstellen. Im Normalfall dauert ein solches Verfahren zwischen einem und zwei Jahren. Dazu gehören auch sämtliche notwendige Gutachten, beispielsweise zur Umweltsituation, zur Verkehrsentwicklung und zum Lärmaufkommen. In diesem Prozess sind mehrere Beschlüsse des Gemeinderats notwendig.

Wann soll dieses Verfahren beginnen?

Der Startschuss für die Bauleitplanung  fällt wohl in diesem Sommer. „Wir haben aber zahlreiche Anfragen von Bürgern, weshalb ein  Beschluss zur  Einleitung des Verfahrens  bis Juli fraglich ist“, erklärt Weicherings Bürgermeister Thomas Mack (CSU), der  eher von einer Entscheidung nach den Sommerferien ausgeht. Ihm geht es   darum, „nichts durchzudrücken“ und stattdessen auf einen Dialog zu setzen. „Bisher klappt das sehr gut.“ Sämtliche Gespräche seien konstruktiv und sachlich. 

Die Gemeinde wird einen vorhabenbezogenen Bebauungsplan aufstellen, also ein Sondergebiet schaffen. Wann ist der finale Beschluss dazu denkbar?

Vor der zweiten Hälfte  des Jahres 2022 geht Mack von keiner Entscheidung im Gemeinderat aus. Die Änderung des Flächennutzungsplans und die Aufstellung des Bebauungsplans sollen zwar im Parallelverfahren, also gleichzeitig, ablaufen. Mit Beteiligung der Öffentlichkeit und der Fachstellen wird das aus Sicht des Bürgermeisters aber einfach dauern.

Die Bürger haben die Möglichkeit, im Verfahren Einwände vorzubringen. Ist dadurch eine Verzögerung denkbar?

In einer solchen Planung gehören Einwände aus der Bevölkerung zum  Standard, wie der Bürgermeister betont. Daher wäre eine Verzögerung ebenso möglich wie durch die geplante Änderung des Landschaftsschutzgebiets Brucker Forst. Ein Teil von dessen Fläche soll für das Projekt aus der Schutzkulisse herausgenommen werden, dafür sollen Waldstücke auf Neuschwetzinger und Lichtenauer Flur, ebenso bei der Muna-Siedlung, mit hinein. Diesem Tausch muss der Umweltausschuss des Kreistags zustimmen. 

Weichering hat Jahre für die Schaffung von   Bauland gebraucht. Warum geht es beim Paketzentrum derart schnell?

Diese Frage hat Mack in den vergangenen Tagen öfter gehört. Die Antwort ist in seinen Augen aber simpel. „Das hängt – ganz böse gesagt – mit der Abgabepraxis der Eigentümer zusammen“, erklärt der Bürgermeister, der die Schuld nicht bei der Gemeinde sieht. Dieses Problem habe Weichering aber mittlerweile öfter – „obwohl das 20 Jahre lang kein Thema war“. 

In der Debatte um einen Nationalpark in den Donau-Auen  und aktuell bei den Planungen zum vierstreifigen Ausbau der B16 fürchtet Weichering um seine Entwicklungsmöglichkeiten. Mit dem Paketzentrum wäre das  nach Westen aber so gut wie vorbei. Wieso geht man diesen Schritt trotzdem?

„Weil es in diese Richtung nie eine  Entwicklung geben wird“, sagt Thomas Mack. Zwar läuft im Westen derzeit die Erschließung des Baugebiets an der Weingasse, doch allzu viel mehr werde es dort nicht mehr geben. Stattdessen sieht der Bürgermeister die Entwicklungsachse eher westlich des Ortsteils Lichtenau. „Dort wäre ein gesundes Wachstum realistisch.“ Mack zufolge wäre  Weichering mit rund 3000 Einwohnern ohnehin an der Grenze angekommen.  „Dann wäre die Kläranlage ausgelastet, Kindergarten und Schule müssten wir erweitern“, so der Rathauschef, der betont: „5000 Einwohner  werden wir nie haben.“ Allerdings sind die zum Teil ohnehin anstehenden Investitionen in die Kinderbetreuung auch ein Grund, warum die Gemeinde einen stabilen Gewerbesteuerzahler mit Kusshand aufnehmen würde. „Um gut leben  und unsere Aufgaben stemmen zu können, brauchen wir die Möglichkeit für Investitionen“, so der Bürgermeister. 

Wieso hat eine Ansiedlung nicht zwischen Weichering und Lichtenau geklappt?

Auch hier nennt Thomas Mack  die Abgabewilligkeit der Eigentümer als Ursache, ebenso die Entwicklungsachse für den Ortsteil Lichtenau. „Irgendwann müssen wir dort nach Westen, dann hätten wir ein Problem.“ 

Welche Anforderungen hat die Deutsche Post an das Grundstück?

Der Zuschnitt des Grundstücks zwischen Weichering und Maxweiler ermöglicht  laut   Post-Vertreter  Thomas Schlickenrieder eine optimale betriebliche Ausnutzung. Die Lage zwischen den bereits bestehenden Paketzentren in Augsburg-Gersthofen, Aschheim, Regensburg und Nürnberg-Feucht sei logistisch ideal. Das gilt laut dem Fachmann auch für Anbindung an die B 16, die ohne Ortsdurchfahrt möglich ist. „Es ist geplant, die Ein- und Ausfahrten entsprechend zu verlängern, um ein staufreies Abbiegen zu gewährleisten“, teilt die Post mit. 

Ist weiteres Gewerbe in diesem Bereich  denkbar?

Die Antwort darauf lautet ganz klar Nein, wie der Bürgermeister betont. „Wir sind uns im Gemeinderat einig, dass wir einmal etwas Ordentliches wollen,  und dann war es das.“  Weitere Ansiedlungen und damit einen weiteren Flächenverbrauch lehnt das Gremium demnach klar ab. Selbst das geplante Paketzentrum haben sich die Mitglieder des Gemeinderats Mack zufolge nicht leicht gemacht. 

In der Öffentlichkeit wird die geschlossene Zustimmung im Gemeinderat eher angezweifelt. Wie sieht das Gremium das Projekt?

„Das  Stimmungsbild im Gemeinderat ist geschlossen dafür“, betont der Bürgermeister. Allerdings gibt es seinen Worten zufolge derzeit natürlich noch keinen endgültigen Beschluss. „Wir haben aber einstimmig dafür gestimmt, jetzt erst mal so weiter zu verfahren“, erklärt er. Sowohl beim gesamten Prozess als auch bei der Bürgerbeteiligung stehen Konzern und Gemeinde daher noch am Anfang. Die endgültigen Beschlüsse folgen im weiteren Verfahren – und schließlich bei der Behandlung des Bauantrags. 

Wie viele Eigentümer sind  mit  Flächen betroffen?

Eine genaue Anzahl nennen weder Post noch Gemeinde. Dem Vernehmen nach ist mit der Kommune selbst allerdings etwa ein Dutzend Eigentümer beteiligt. Dabei geht es nicht nur um Privatpersonen, sondern auch um Institutionen. 

Wann ist mit einem Abschluss der Grundstückskäufe zu rechnen?

Das kommt auch auf das weitere Verfahren an. Vorverträge hat die Post bereits mit sämtlichen Eigentümern abgeschlossen. Sollte sich das Projekt am Ende aber als nicht umsetzbar erweisen, dürfte es wohl kaum zu Abschlüssen kommen. 

Für den Startschuss der Bauarbeiten ist frühestens das Jahr 2023 anvisiert. Wie wird der Bau ablaufen?

Alle Baumaßnahmen erfolgen Schlickenrieder zufolge in Abstimmung mit der Gemeinde und den anderen Behörden. Geplant sind die Arbeiten ausschließlich werktags und zu den üblichen Tageszeiten. Momentan ist vorgesehen, über einen hohen Grad an vorgefertigten Teilen eine schnelle Montage auf der Baustelle zu erreichen. Wesentlicher Bestandteil der Maßnahme wird laut dem Fachmann der Innenausbau sein. 

Wie soll der Lärmschutz konkret aussehen?

Ein endgültiges Lärmgutachten gibt es noch nicht. Allerdings zeigt ein erster Entwurf laut der Post, dass der Lärm durch Betrieb und Verkehr „unter Berücksichtigung der ergriffenen Schallschutzmaßnahmen nicht zu Pegelerhöhungen führt, die ein Planungshindernis darstellen“.  Geplant sind demnach unter anderem schallgedämpfte Umsetzfahrzeuge, veränderte Rückstandswarner und schallabsorbierende Lärmschutzwände. Für Mack und Co. spielen zudem die Lichtemissionen eine Rolle. Daher wollen sich die Gemeinderäte möglichst bald  ein bestehendes Paketzentrum ansehen. Gleichzeitig laufen Gespräche über einen Lärmschutz in Richtung Maxweiler – vor allem entlang der Kreisstraße. 

Das gesamte Post-Gelände soll 15,5 Hektar umfassen. Wie soll der ökologische Ausgleich ablaufen?  

Der beauftragte Fachplaner wird in Abstimmung mit der Unteren Naturschutzbehörde am Landratsamt und den weiteren Beteiligten einen Ausgleichsplan erstellen. Dieser soll den Eingriff in das Landschaftsschutzgebiet und in betroffene Waldflächen kompensieren. 

Der Neubau verschlingt überwiegend Ackerland. Wie viele   Bäume müssen dennoch verschwinden?

Nachdem noch kein endgültiger Plan existiert, lässt sich diese Frage nicht bis ins letzte Detail beantworten. Aktuell gehen die Verantwortlichen von Gemeinde und Konzern allerdings von mehreren Dutzend betroffenen Bäumen aus. Der Ausgleich soll aber in  doppelt so vielen  Neuanpflanzungen bestehen. 

Am Paketstandort sollen 400 Arbeitsplätze entstehen. Um welche Art von Jobs handelt es sich?

In der öffentlichen Diskussion ist immer wieder von Niedriglohn-Jobs die Rede. Ein Gerücht, dem die Vertreter des Konzerns vehement widersprechen. „Es handelt sich komplett um tarifgebundene und sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze“, betont Schlickenrieder. Etwa ein Drittel der Beschäftigten sollen Frauen sein, dazu kommt ein gewisser Anteil an Menschen mit Behinderung. Die Jobstruktur sieht sowohl Voll- als auch Teilzeitstellen vor, die unterschiedliche  Voraussetzungen haben. „Zum Teil werden es einfache Tätigkeiten für ungelernte Mitarbeiter, zum Teil brauchen die Leute auch ein Studium“, so der Post-Experte. Allein 50 Stellen sind demnach für Reparatur und Instandhaltung der Sortieranlage vorgesehen. Dazu kommen 35 Mitarbeiter in der Verwaltung. Und auch Ausbildungsplätze sind  geplant. 

Für welchen Bereich in Bayern soll das neue Paketzentrum zuständig sein?

Diese Frage lässt sich ebenfalls  noch nicht endgültig beantworten. Da der Großraum Ingolstadt   und die umliegenden Landkreise allerdings bislang auf die Paketzentren in Augsburg-Gersthofen, Nürnberg-Feucht, Regensburg und Aschheim im Landkreis München aufgeteilt sind, ist eine komplett neue Struktur erforderlich. Das Zentrum des Freistaats könnte daher künftig von Weichering aus versorgt werden.

Rund 700 bis 800 Lastwagen sollen pro Tag die Pakete aus und für diesen Bereich weiterverteilen. Wie genau kommen die Päckchen in die Haushalte?

Die Befürchtung vieler Bürger aus Weichering und Maxweiler ist, dass jeder Paketbote in der Region künftig das neue Zentrum anfahren muss. Doch genau das wird laut der Post nicht der Fall sein. Stattdessen ist vorgesehen, dass die Waren  über die einzelnen  Zustellstützpunkte im Paketzentrum landen und über diese schließlich auch beim Empfänger landen – so wie das bisher auch der Fall ist. Einziger Unterschied: Für Pakete  aus der Region und für die Region  soll künftig der Weg ins weit entfernte Paketzentrum entfallen. Der Transport zwischen den einzelnen Großstandorten – und damit das Gros des Verkehrs – soll zwischen 20 und 5 Uhr ablaufen. 

Viele Bürger kritisieren den zunächst  spärlichen Informationsfluss. Auch die Einzelgespräche  erreichen nicht die breite Masse. Wie wollen Sie dieses Problem lösen?

Für Bürgermeister Thomas Mack ist klar: „Am liebsten würden wir eine  Bürgerversammlung machen.“ Doch wegen der Pandemie ist das  schwierig. „Natürlich bekommen wird deshalb schnell den Vorwurf, dass alles in trockenen Tüchern sei – von wegen“, sagt der Rathauschef. Er setzt auf erklärende Videos auf der Internetseite der Gemeinde, auf die Beantwortung von häufig gestellten Fragen im Netz sowie auf viele, viele Gespräche. Auch eine Bürgerversammlung im Internet kann sich Mack gut vorstellen.   „Das wäre tatsächlich eine Überlegung wert“, sagt er. 

Längst ist von einem Bürgerbegehren mit anschließendem -entscheid die Rede. Wieso ist ein   Votum der Bevölkerung aus Weichering und Maxweiler nicht denkbar?

Dieses Problem erinnert Thomas Mack an den Bürgerentscheid über die geplante Erweiterung der Firma Scherm im Jahr 2012. Obwohl der Weicheringer Ortsteil Lichtenau   massiv betroffen gewesen wäre, durften die Bürger damals  nicht abstimmen – weil ein solches Votum auf das Gebiet der Gemeinde beschränkt ist, in dem sich das Projekt abspeilen soll. Daher sind nun auch die Menschen aus Maxweiler außen vor. „Was die Information angeht, gehören die Leute aber für uns dazu“, sagt der Bürgermeister, der den benachbarten Neuburger Stadtteil daher auch bei einer möglichen Bürgerversammlung einbinden will. Sollte ein Bürgerbegehren erfolgreich sein und ein Entscheid folgen, sieht Mack das Thema aber relativ emotionslos. „Das gehört zur Demokratie einfach dazu.“

DAS PROJEKT

Die Deutsche Post plant zwischen dem Kernort der Gemeinde Weichering und dem Neuburger Stadtteil Maxweiler ihr siebtes Paketzentrum im Freistaat. Auf einer Fläche von rund 155 000  Quadratmetern, davon 27 000 für Gebäude, soll in Spitzenzeiten   die Verarbeitung von rund  40 000 Paketen pro Stunde  möglich sein. Der Konzern plant dazu bis zum Jahr 2025 eine Investition im dreistelligen Millionenbereich; der Baubeginn ist für 2023 anvisiert. Das vorgesehene Areal befindet sich direkt neben der Bundesstraße 16,  im Westen und Osten begrenzen es  Wald, im Norden eine Bahnlinie.  Für rund 2500 Einwohner zählende  Gemeinde zwischen Neuburg und Ingolstadt würde das Projekt eine Verdopplung der Gewerbesteuer bedeuten. Gegen das Projekt formiert sich bereits Widerstand. Eine Gruppe von Weicheringern plant dazu ein Bürgerbegehren, das die Pläne bei Erfolg vorerst zum Scheitern bringen könnte. 

Stefan Janda