Pfaffenhofen
Alles eine Frage des Standpunkts

09.06.2017 | Stand 02.12.2020, 17:58 Uhr

Die Kunst der geheimen Perspektive: Geometrische Körper - auf manchen Seiten rot, auf anderen verspiegelt - ergeben vom richtigen Standpunkt aus gesehen ein Motiv. Gartenschaubesucher müssen dazu nur durch das Guckloch (unteres Foto) in einer Stele im Sport- und Freizeitpark blicken. Geplant und realisiert haben das Kunstwerk unter anderem Sebastian Gerlsbeck (oben, von links), Heinz Kindhammer, Andreas Gerlsbeck und Wilma Kindhammer. - Fotos: Kraus

Pfaffenhofen (PK) Die Anamorphose im Sport- und Freizeitpark offenbart ihre wahre Gestalt nur demjenigen, der genau am richtigen Fleck steht - und als Beitrag des Forums Baukultur zur Gartenschau soll die Installation Diskussionen über gute Architektur anstoßen.

19 geometrische Körper stehen scheinbar zufällig angeordnet am Ufer der Ilm. Jeweils eine Seite ist rot, die anderen sind verspiegelt. Teils fragend, teils neugierig betrachten Gartenschaubesucher ihr Spiegelbild in den Würfeln, die auf metallenen Pfosten zwischen den Margeriten im Sport- und Freizeitpark hervorragen.

Doch die Kunstinstallation nahe des Freibads ist ganz und gar nicht zufällig angeordnet. Im Gegenteil: Am nahen Holzsteg steht eine metallene Stele. In der Mitte ein Guckloch. Blickt man hindurch, fügen sich die roten Flächen zu einem Motiv. Von einer anderen Seite hingegen verschmelzen die verspiegelten Seiten der Installation nahezu mit der Landschaft.

Die Skulptur ist eine Anamorphose. Dieses Wort entstammt dem Altgriechischen und heißt in etwa "Die Umformung". Es bezeichnet Bilder, die nur in einem bestimmten Blickwinkel, von einem bestimmten Standpunkt oder mithilfe etwa eines Spiegels oder anderer Hilfsmittel erkennbar sind oder die richtigen Proportionen haben.

Und diese Anamorphose ist der Beitrag des Forums Baukultur zur Gartenschau. Die Idee dazu hatte Heinz Kindhammer. "Früher wurden Anamorphosen in der bildenden Kunst eingesetzt, um geheime Botschaften zu verstecken", erzählt der Pfaffenhofener Landschaftsarchitekt. "Für die Gartenschau wollten wir so etwas in Form einer Skulptur machen." Als "land art", wie man auf Englisch sagt. Anfangs überlegte der gegründete Arbeitskreis aus zehn Forumsmitgliedern noch, ob man eine Anamorphose aus aufgeschütteten Erdhügeln realisieren sollte - doch die Idee wurde verworfen. "Das hätte nicht so zum Konzept der Gartenschau gepasst", sagt Kindhammer. Stattdessen planten und tüftelten er und seine Mitstreiter an der roten Installation aus aluminiumummantelten Holzkörpern. "Da gibt es sogar mathematische Formeln, um so etwas zu berechnen", erzählt er. Trotzdem sei viel Herumprobieren und Detailarbeit am Computermodell erforderlich gewesen. "Man muss schließlich auf den Zentimeter genau planen, damit sich das Bild am Ende korrekt und ohne Spalten zusammenfügt", sagt Sebastian Gerlsbeck, Vorsitzender des Forums Baukultur. Und dieses Bild soll im Sinne der historischen Anamorphose eine Botschaft transportieren. Das zeigt auch schon die Beschriftung rund um das Guckloch. "Wir wollen eine Diskussion anregen, was Baukultur ist", sagt Gerlsbeck. "Unsere Anamorphose ist einerseits ein Symbol für all die vielfältigen Beteiligten an einem Bau", ergänzt Kindhammer. Viele Teile ergeben ein Ganzes. "Aber andererseits stellt sie die Frage, ob man auch anders bauen kann." Und nicht zuletzt soll die Installation die Leute ansprechen: "Vor allem soll es Spaß machen", sagt der Landschaftsarchitekt. "Suchen, entdecken und sich überraschen lassen - das ist der Sinn einer Anamorphose."

Das Forum Baukultur hat sich die Installation, die nach der Gartenschau als Geschenk ins Eigentum der Stadt übergeht, einiges kosten lassen - rund 20 000 Euro wurden investiert, einen Teil steuerten Sponsoren bei. Von der Arbeit ganz zu schweigen: "Es hat uns richtig Kraft und Anstrengung gekostet", sagt Andreas Gerlsbeck vom Arbeitskreis.