Neuburg
Allerhöchstes Niveau

Carmen à trois im Stadttheater

03.02.2015 | Stand 02.12.2020, 21:41 Uhr

Sabine Fischmann ist völlig vertieft in die Musik, die sie auf der Melodika spielt, da bereitet Michael Quast schon den nächsten Angriff vor – auf Fischmann und die Lachmuskeln des Publikums - Foto: Hammerl

Neuburg (ahl) Diese Carmen macht so richtig Laune. Zwar nicht allen Zuschauern im nur gut halb besetzten Stadttheater, – doch denen, die sich auf die Operá-comique-Version von Sabine Fischmann und Michael Quast einlassen, umso mehr.

Denn die beiden Akteure, besser gesagt drei, denn Pianist Markus Neumeyer mischt im Laufe des Abends zunehmend mit, beherrschen ihr Metier aus dem Eff-eff. Ihr volles stimmliches Potenzial kommt zwar nur gelegentlich zum Vorschein, da es oft hinter piepsiger Stimmlage versteckt bleibt, doch mimisch bewegen sie sich durchgängig auf allerhöchstem Niveau. Dazu George Bizets glutvolle Musik, der Neumeyer am Flügel regelrecht Flügel verleiht. Das Konzept scheint simpel, doch verlangt es dem Mini-Ensemble Höchstleistungen ab. Fischmann und Quast greifen auf Bizets ursprüngliche Fassung einer Operá Comique zurück, die gesprochene Dialoge zwischen den Arien und Duetten vorsah. Er liest Regieanweisungen und Bühnenbeschreibungen vor, schwelgt wiederkehrend in der „andalusischen Gluthitze, die so heiß ist, wie sie nur in Spanien heiß sein kann“, während ihre Miene in der Hitze zu zerfließen scheint.

Schon der Auftritt zu Beginn ist eine Show. Nachdem der Musiker die Bühne betreten hat, schlappen Quast und Fischmann zögernd herein, mit hängenden Schultern wie verschüchterte Pennäler – oder altersgemäß eher zutreffend – deren Lehrpersonal in schönster Karikatur. Sie, in engem Rock, er in Strickpullunder mit Fliege. Ein zögernder Blick trifft die Zuschauer im Parkett, dann dreht er ab und verlässt die Bühne, Fischmann im Schlepptau. Ein Glück, dass sie sich dann doch dafür entscheiden, zurückzukommen und die Protagonisten der bekannten Oper zu verkörpern.

Das funktioniert in munterem Rollenwechselspiel. Fischmann mit tiefer Bassstimme als Leutnant Zuniga ist ebenso witzig wie als Zigeunerin Mercedes oder Frasquita. Den Vogel aber schießt sie als Bauernmädchen Micaëla ab, der sie auf Quasts Geheiß höchste Naivität in breitestem Hessisch verleihen muss.

Etliche Instrumente, darunter Tröten, Melodika, Becken, Flöten, Tamburin und natürlich Kastagnetten kommen zum Einsatz, es gibt Tanz- und pantomimische Einlagen und köstliche Störungen, die das Vergnügen an Musik und Gesang jedoch nicht beeinträchtigen. Die Grenze ist haarscharf, doch es gelingt den beiden mit spielerischer Leichtigkeit darauf zu balancieren, ohne in Klamauk oder Kitsch abzustürzen. Sie singt inbrünstig Carmens Arie und immer in genau dem Moment, in dem sie nicht (mehr) damit rechnet, schlägt er die Becken hinter ihrem Rücken oder überm Kopf zusammen. Sie zuckt, hält inne, wirft tödliche Blicke auf den Störenfried, dann den eigenen Kopf in den Nacken und fährt fort – ganz die stolze Zigeunerin. Spanisch? Kein Problem, wenn der Text ausgeht, tun es die aneinandergereihten Namen der Fußballer von Real Madrid ganz genauso, gefolgt von „Urbi et Orbi“.

Zigeuner, Schmuggler, Arbeiterinnen der Tabakfabrik, Straßenjungen, Soldaten – das ganze Opernvolk aus „Carmen“ wird lebendig, sogar der schmuddelige Wirt Lillas Pastia, dessen Taverne vor der Stadt Sevilla „der beste Beweis dafür ist, dass die EU-Fördermittel für strukturschwache Gebiete nie den Rand von Sevilla erreicht haben“. Trotz zahlreicher Gags, die das Publikum herzhaft zum Lachen bringen, gelingt es dem Ensemble, den Faden straff zu halten und Bizets mitreißende Musik in den Vordergrund zu stellen.