"Alle Weg san verwaht..." im fränkischen Grenzland

15.01.2021 | Stand 23.09.2023, 16:27 Uhr
Winteridylle am Schlossberg: Auf den Jurahöhen weht's derweil die Straßen zu. −Foto: Auer

Als Eichstätter zählt man ja seit der Gebietsreform nicht mehr zu Mittelfranken, sondern zu Oberbayern.

Die Franken waren, wie man hört, seinerzeit von diesem Verlust nicht sonderlich traumatisiert: Es kostete den damaligen Eichstätter Landrat angeblich einen einzigen Termin (in Zahlen: 1) bei der Bezirksregierung in Ansbach, dass die erzkatholische Bischofsstadt samt Umland mit besten Wünschen verabschiedet wurde. Die Eichstätter galten anscheinend schon länger als unsichere Kantonisten, als Pseudo-Franken. Seitdem verläuft die Demarkationslinie zwischen Oberbayern und Franken jedenfalls irgendwo zwischen Mantlach und Waizenhofen, zwischen Kinding und Greding, zwischen Großnottersdorf und Esselberg. Für die meisten Eichstätter enden Ausflüge gen Norden kurz vor dieser Grenze, beispielsweise in Titting, vor allem wenn da grade Kellerfest der Brauerei Gutmann ist.

Nun will es das freundliche Schicksal, dass ein altgedienter Eichstätter Lokalredakteur beruflich zum Hilpoltsteiner Kurier bestellt wird. Also nach Mittelfranken

Google Maps bietet drei ziemlich gleichwertige Fahrtvarianten von Eichstätt aus an: über die Autobahn (Auffahrt Altmühltal), über Titting-Thalmässing und über Nennslingen-Heideck. Und siehe da: Das läuft ja wie geschmiert, jubelt der Redakteur am ersten Arbeitstag: Auf der A9 flutscht der Verkehr in Richtung Norden. Auf der Gegenseite allerdings gibt es gerade einen Verkehrsstau bis zum Horizont. Die Lektion dieser Fahrt: Der Autobahn ist nicht zu trauen. So ist es zwei Tage später höchste Zeit für die ländliche Streckenvariante via Titting. Man will ja schließlich die Gegend kennenlernen (wobei der Redakteur mit dem Radl da früher schon überall unterwegs war).

Die Jurahöhe: Ein Idyll! Hinterm Anlautertal geht's hinauf, die Sonne scheint, auf den Feldern glitzert der Pulverschnee, Kaum ein Mensch unterwegs. Öha! Hinter Mantlach wird der "Ausflug" zur Expedition: Willkommen in Bayrisch-Sibirien. . . Auf einen Schlag sind die Straßen stellenweise schneebedeckt, der Westwind weht die Fahrbahn zu. Der hochmütige Eichstätter denkt kurz, das liege wohl daran, dass man jetzt auf fränkischem Zuständigkeitsgebiet sei - aber dann stellt sich heraus, dass das Rother Landkreisschild erst fünf Kilometer später kommt. Schneeverwehungen kennen keine Grenzen. Der Beginn von Ludwig Thomas alpendländischer Weihnachtsgeschichte fällt einem ein: "Im Wald is so staad, alle Weg san verwaht. . . " Wie würde das eigentlich auf fränkisch heißen? Schwitzend schleicht der Autofahrer Thalmässing entgegen. Jetzt weiß man auch warum die Straßenmeister überall schwarz-orange Holzstangen aufgestellt haben. Kann ja sein, dass die Straße komplett verschwindet, Steil geht's hinab nach Thalmässing - und wie von Geisterhand verschwindet der Verwehungs-Spuk.

In der Mittagspause, bei einem Spaziergang um den Hilpoltsteiner Stadtweiher, ist der neue Reporter gänzlich mit dem Wetter versöhnt. Von allen Seiten strömen die Kinder mit Schlitten zum Schlossberg. Wenn das mal kein Zeitungsbild ist! Später in der Redaktion, zeigt sich: HK-Fotograf Tobias Tschapka hat den Schlittenberg natürlich gleichfalls entdeckt - bloß hat er ihn besser fotografiert. Und schon hat der Neuling wieder eine fränkische Weisheit gelernt: "Da könnt' ja jeder kommen. . . "

Richard Auer

Richard Auer