Irsching
Alle Ex-Chefs waren da

Uniper feiert 50 Jahre Kraftwerk am Standort Irsching - Auch Robert Reifenhäuser (91) war unter den Ehrengästen

26.07.2019 | Stand 02.12.2020, 13:24 Uhr
  −Foto: Konze

Irsching (DK) Zum Gratulieren waren natürlich Bürgermeister Martin Schmid, Landrat Martin Wolf und Eckhardt Rümmler, CEO von Uniper aus Düsseldorf, gekommen.

Aber das Beeindruckendste der 50-Jahr-Feier am Freitagnachmittag im Kraftwerk Irsching war die Tatsache, dass alle bisherigen Kraftwerksleiter gekommen waren. Und das trotz der extremen Temperaturen. Der Ältestes des Führungs-Zirkels war Robert Reifenhäuser, immerhin 91 Jahre alt und erzählfreudig wie eh und je.

Der aktuelle Werkleiter Oliver Schwadtke begrüßte neben den Ehrengäste alle aktiven und passiven Mitglieder. Sie hätten die Geschichte mitgeschrieben, "eine Geschichte mit Höhen und Tiefen, eine bewegte und bewegende Geschichte".

Bürgermeister Schmid sagte, ganz Vohburg sei stolz auf die Technologie des Kraftwerks, auf das modernste der Welt. Und die Stadt sei auch dankbar, dass Uniper und Schwadtke Wort gehalten haben beim Bau der Umgehungsstraße. Schmid betonte, die Gemeinde, vor 50 Jahren noch selbstständig, habe profitiert von der Industrie. Er hob auch hervor, dass im Kraftwerk immer ein gesundes Betriebsklima herrsche: "Deswegen sind auch alle Betriebsleiter seit damals heute hier. " Wolf ließ seine Jacke bei der Ansprache an: "Ein Landrat muss ja anständig angezogen sein. " Auch er lobte die gute Stimmung. "Ich habe das Gefühl, alle Kraftwerkleiter in Irsching sind Menschen. Das freut mich. " Wolf dankte allen, die das Kraftwerk mit aufgebaut und zu dem gemacht haben, was es heute ist. "Ich ziehe den Hut vor allen, die beteiligt waren oder noch sind. "

Rümmler schloss an Wolf an, der vom Stromverbrauch gesprochen hatte und dass dieser immer ansteige. "Wer ist der zweitgrößte Stromverbraucher in Frankfurt? " fragte er in die Runde. "Der Flughafen. " "Und wer ist der Größte? " "Die Datenzentren und digitalisierten Speicher. " So unterstrich der Uniper-CEO, dass in Zukunft ohne Strom nichts geht. Er hoffe, dass das Irschinger Kraftwerk bald wieder gegen Importstrom aus anderen Ländern bestehen kann. "Wenn die Blöcke 4 und 5 endlich wieder am Netz sind, hat die Politik in Sachen Energie alles richtig gemacht. "

Die coolste Geschichte erzählte Reifenhäuser, ab 1966 "Oberbauleiter" in Irsching, wo nach der Ernte 1966 auf den Feldern die Arbeiten für den Kraftwerksbau anliefen: "1972 wurden wir erpresst. In einem Brief, zusammengestellt aus ausgeschnittenen Buchstaben, wurden 1,5 Millionen Mark verlangt. " Die erste Übergabe verpasste man, in einem Haus kam es zu einer Gasverpuffung. Die zweite Übergabe scheiterte wieder, eine Hochspannungsleitung wurde angesägt. Zur dritten Übergabe kamen die Erpresser nicht, die Polizei schnappte aber zwei Ingolstädter, 23 und 24 Jahre jung, die in einem gestohlenen Auto unter einer nahen Autobahnbrücke saßen. "Damit waren die Erpresser gefasst und die Erpressung war beendet. "

 

Block 1 ging 1969 in Betrieb, Block 6 startet 2022

Das Kraftwerk Irsching wurde von den Isar-Amperwerken zunächst als schwerölbefeuerte Anlage errichtet. 1969 ging der erste Block mit einer Leistung von 151 Megawatt (MW) in Betrieb. 1972 folgte Block 2 (312 MW), zwei Jahre später wurde Block 3 mit 415 MW Leistung in Betrieb genommen.

In den 1970er Jahren wurde die Anlage auf einen umweltfreundlicheren Brennstoff umgerüstet: auf leichtes Heizöl und Erdgas. In den 1990er Jahren wurde das Kraftwerk Irsching dann vom Bayernwerk übernommen und war nur selten in Betrieb. Das änderte sich erst Ende der 1990er Jahre, als die Anlage regelmäßig zur Deckung der Spitzenlast eingesetzt wurde.

Im Jahr 2006 wurde Block 1 stillgelegt. Im gleichen Jahr begann der Neubau der Kraftwerksblöcke 4 (Kraftwerk Ulrich Hartmann) und 5. 2010 ging Irsching 5 ans Netz, das Kraftwerk Ulrich Hartmann folgte 2011. Ende 2012 wurde Block 2 stillgelegt. Die Blöcke 3, 4 und 5 sind noch einsatzbereit, sie dienen seit Jahren als Reservekraftwerke, um Strom-Engpässe - vor allem in kalten Zeiten - zu beheben.

Vor einem halben Jahr bekam Uniper den Zuschlag für den Bau von Block 6 in Irsching. Dieser soll ab Oktober 2022 zur Verfügung stehen, als sogenanntes "besonderes netztechnisches Betriebsmittel". Auch dieses Kraftwerk wird Erdgas betrieben. Im Notfall soll Block 6, wenn Windenergie und Photovoltaik nicht genügend Energie liefern können, schnell einsatzbereit sein. In 30 Minuten, heißt es.

Der Standort Irsching besteht aus einem ölbefeuerten und zwei gasbefeuerten Blöcken. Block 5 gehört mit einem Wirkungsgrad von 59,7 Prozent zu den modernsten Anlagen Europas. Neben Uniper (50,2 Prozent) sind N-ERGIE (25,2 Prozent), Mainova (15,6) und ENTEGA (9) an Irsching 5 beteiligt. Block 4 hat sogar einen Wirkungsgrad von 60,4 Prozent und ist eine der effizientesten Anlagen weltweit.

Irsching 4 und 5 fallen unter die sogenannte Netzreserveverordnung. Sie kommen ausschließlich dann zum Einsatz, wenn ihre Leistung zur Stabilisierung des Netzes gebraucht wird. Das Abschalten der Anlagen, vom Betreiber regelmäßig alle drei Jahre beantragt, lässt die Regierung nicht zu.

Der ölbefeuerte Block 3 sollte bereits 2012 endgültig stillgelegt werden. Aufgrund der Netzsituation in Süddeutschland wird die Anlage seitdem als Reserve für den Netzbetreiber TenneT vorgehalten.

Namensgeber für Irsching 4 ist Ulrich Hartmann, früherer Vorstandsvorsitzender und später Aufsichtsratsvorsitzender von Eon. Er war 39 Jahre im Konzern und seinen Vorgängerunternehmen. Als Anerkennung für seine großen Verdienste wurde Irsching 4 nach ihm benannt. Am 13. Januar 2014 starb Hartmann im Alter von 75 Jahren.