Alarmstufe Rot im Altenheim

Feuerwehr übt Brandsituation

07.08.2016 | Stand 02.12.2020, 19:27 Uhr
Brand im Nebengebäude eines Altenheims. Die Hepberger Feuerwehr löscht bei der Übung, während im Schlafhaus daneben die Bewohner auf Hilfe warten. −Foto: Stefan Eberl

Hepberg (DK) Brand in einem Altenheim mit mehreren Gebäuden! Das Feuer ist im Versorgungsgebäude ausgebrochen und droht aufs Schlafhaus überzugreifen. 20 Bewohner müssen evakuiert werden. Feuerwehr, Rotes Kreuz und Kriseninterventionsteam sind im Einsatz.
Gottlob nur eine Übung.

Als sich am Samstag gegen 8.30 Uhr die Kolonne des BRK-Kreisverbands Ingolstadt mit rund 20 Einsatzfahrzeugen auf den Weg zu ihrer Jahresübung auf dem Truppenübungsplatz in Hepberg macht, dürfte sich der eine oder andere Verkehrsteilnehmer schon etwas gewundert haben. Kein Blaulicht, allzu schlimm kann es also nicht sein. Aber der eigentliche Einsatz hat ja auch noch gar nicht begonnen.

Der weitläufige Truppenübungsplatz bietet die passende Kulisse für die Jahresübung. Links vom „Arme-Sünder-Weg“, der zu zwei nebeneinanderstehenden leeren Gebäuden führt, weidet eine Schafherde. Noch ahnen die Tiere nicht, dass wenig später Feuerwehrautos und Rettungsfahrzeuge mit Blaulicht und Martinshorn an ihnen vorbeirauschen werden. Das Schlafhaus des Altenheims hat drei Stationen: Station Sonnenblume im Erdgeschoss, Station Regenbogen im Obergeschoss und Station Himmelblick unterm Dach. Anina Lux, die später als „Schwester Ingeborg“ für die Station Sonnenblume zuständig sein wird, weist die Mimen ein, zumeist Mädchen und Jungen vom Jugendrotkreuz und der Hepberger Feuerwehr. Gegen den Lärm von Feuermeldern, Martinshörnern und dem Geschrei der Bewohner verteilt sie Ohropax. „Wenn es jemandem schwindelig wird oder er Panik bekommt, dann einfach das Wort ,Ernstfall’ sagen“, erklärt Lux. Es wird tatsächlich bei der Übung drei „Ernstfälle“ geben, Kreislaufschwächen, die schnell behandelt werden. Genügend Sanitäter sind ja vor Ort.

Heimleiterin Pauline Möhrlein ist in ihrer Rolle exzellent. Hinter der schwarzen Langhaarperücke steckt Patrick Möhrlein, ein langjähriger BRK-Mann, der in der Notfalldarstellung des Roten Kreuzes in Augsburg tätig ist. Nachdem Michael Drätzl, Atemschutzgeräteträger bei der Feuerwehr Hepberg, im Nebengebäude ein Feuer gelegt hat und dunkle Rauchschwaden aus dem Gebäude aufsteigen, alarmiert die Heimleiterin die Feuerwehr. Als wenige Minuten später die ersten Feuerwehrautos vorfahren, rennt Pauline Möhrlein den Wagen entgegen. „Hilfe, es brennt“, schreit sie hysterisch und fuchtelt wild mit den Armen herum. „Was ist das für ein Gebäude? Sind Personen drin?“, fragt Einsatzleiter Bernhard Wittmann mit ruhiger Stimme. „Meine Alten sind da drin“, kreischt Möhrlein. Wie viele es sind, kann sie in der Aufregung nicht sagen. „Ich frag nach“, ruft sie und rennt weg.

Im Schlafhaus herrscht das totale Chaos. Schreie und Hilferufe dringen nach draußen. Eine Frau fällt aus dem Bett und zieht sich eine blutende Platzwunde am Kopf zu. Doch weil der Brand auf die Schlafräume überzugreifen droht, dreht sich zunächst alles ums Nebengebäude. Es gilt, das Feuer zu löschen. Zwei Atemschutzgeräteträger betreten das Nebengebäude, ein weiterer Feuerwehrmann überwacht von außen über ein elektronisches Gerät den Druck ihrer Atemmasken. „Es zeigt an, wie viel Luft sie noch haben“, erklärt er den gelben Kasten. Überdies werde überprüft, welchen Weg die Kameraden gegangen sind.

Mittlerweile sind die ersten Sanitätswagen angerückt. Fünf Schnelleinsatzgruppen sind an der Übung beteiligt. Und das Kriseninterventionsteam (KIT). Ein Feuerwehrmann trägt eine blaue Puppe aus dem brennenden Gebäude auf die Wiese hinter dem Schlafhaus, wo später auch die Bewohner versorgt werden, bevor sie abtransportiert und zur eingerichteten Notunterkunft im Hepberger Feuerwehrhaus gebracht werden. Die Puppe hat keinen Puls und wird reanimiert.

Die Bewohner, von denen die einen bettlägerig sind, andere an Parkinson oder Demenz leiden, bekommen eine Verletztenkarte um den Hals gehängt, die später von den Sanitätern ausgefüllt wird. Zunächst wird nur ein grüner, gelber oder roter Zettel hineingesteckt. Er teilt die Verletzten in leicht verletzt, also gehfähig, mittelschwer und schwer verletzt ein. Die mit der roten Karte werden als Erste evakuiert. Darunter ein Senior, der durch die Aufregung einen Herzinfarkt erlitten hat. Bernhard Grimmer, Leiter der Schnelleinsatzgruppe Behandlung, macht sich vom Zustand der Bewohner ein Bild und gibt Anweisungen. Die Sanitäter agieren ruhig, stellen den Bewohnern Fragen und versuchen, sie zu beruhigen, während sie sie versorgen. Auch zwei Asylbewerber, von denen einer beim BRK ist, nehmen als Mimen an der Übung teil. Als sie geborgen und auf der Wiese behandelt werden, mimt der eine den Verletzten derart realitätsnah, dass Anina Lux besorgt fragt, ob das jetzt „Ernstfall“ sei. „Hallo, geht’s dir gut?“, fragt sie. Als der junge Mann sich immer noch nicht rührt, sagt sie laut: „Steh mal auf“. Erst jetzt bewegt sich der Asylbewerber und grinst. Gott sei Dank, alles o. k.

Die Mimen spielen ihre Rollen gut. Hedwig Redel-Spreiter etwa, die Frau mit der Platzwunde und Verdacht auf Wirbelsäulenfraktur, zittert ununterbrochen mit den Armen und schreit, sobald sie angefasst wird. Ihr Mann, der lange vor ihr evakuiert und von Holger Zirkelbach vom Kriseninterventionsteam betreut wird, fragt immerzu nach seiner Frau. Zirkelbach geht mit ihm auf die Suche. „Hier ist Ihre Frau“, sagt er, als er die beiden zusammenführt. „Du bist ja verletzt“, sagt der Mann besorgt. Und bekommt prompt zur Antwort: „Weil Du nicht auf mich aufgepasst hast.“

Das Kriseninterventionsteam ist auf Situationen wie diese vorbereitet. „Die Menschen haben massive Existenzängste. Viele wissen nicht, was mit ihren Angehörigen ist“, erklärt Zirkelbach, Fachdienstleiter beim ehrenamtlichen Kriseninterventionsteam. Und dann käme noch hinzu: Menschen, die im Altenheim leben, gehören zur Generation Krieg. Was in Momenten wie diesem schnell zur Panik führen kann.

Wie bei einem echten Großeinsatz gibt es extra jemanden für die Presse. Björn Schäfer, der neue Pressesprecher des BRK-Kreisverbands, weicht der DK-Vertreterin nicht von der Seite und beantwortet Fragen. Als die Redakteurin und ihr Fotograf im Schlafhaus auftauchen, werden sie von den alten Leuten wüst beschimpft. Auch das ist fast wie bei einem echten Einsatz.