Bergheim
Akuter Befall in Unterstall

Prozessionsspinner bereitet Probleme - Bürgermeister: "Gefahr in Verzug" - Landrat heute vor Ort

06.06.2019 | Stand 23.09.2023, 7:19 Uhr
Nur ein kleiner Teil der Eichenprozessionsspinnerraupen befindet sich am Stamm der befallenen Eichen.Bürgermeister Tobias Gensberger hat bereits Übung im Erkennen der Raupen mit dem Fernglas. Er sieht hier Gefahr im Verzug. −Foto: Hammerl

Bergheim (DK) "Eichenprozessionsspinner - bitte Abstand halten", warnt ein von der Gemeinde Bergheim aufgestelltes Schild, sich der Ortsrandeingrünung "Untere Schütt" in Unterstall zu nähern.

Was für Passanten möglich ist, nicht aber für die Bewohner des Baugebiets "An der Holzgasse".

Etwa fünf bis sieben Meter Luftlinie liegen zwischen dem Kinderzimmerfenster der Familie Kugler und einer befallenen Eiche. "Mein Mann und unser Sohn haben juckende Hautpusteln bekommen", sagt Daniela Kugler, "unsere Tochter musste mit Antihistaminika behandelt werden". Den Garten betritt sie nur in langer Kleidung und mit Gummistiefeln, die Kinder dürfen nicht mehr draußen spielen. Tanja Bartl wohnt ein paar Meter weiter entfernt. Auch sie berichtet von Hautausschlägen und klagt, sie könne nicht mehr lüften. Mittlerweile seien auch schon Bäume in den Privatgärten befallen. "Eine Nachbarin ist bereits ausgewandert", sagt Bartl in einem Anflug von Galgenhumor - sie sei mit den Kindern zu ihren Eltern gezogen.

Der am stärksten befallene Baum steht einige Meter westlich des Baugebiets, also in Hauptwindrichtung. Die 54 Anwohner, zu denen viele Kinder gehören, haben bereits im März bei der Gemeinde beantragt, die etwa 150 Jahre alten Eichen zu fällen. Der Gemeinderat befürwortete das mit sieben zu vier Stimmen, die Untere Naturschutzbehörde untersagt die Fällung allerdings, weil die Eichen im Landschaftsschutzgebiet Naturpark Altmühltal stünden, zudem sei eine Fällung während der Vegetations- und Vogelbrutzeit ohnehin nicht erlaubt. "Zunächst müssen alle anderen Möglichkeiten ausgeschöpft sein", sagt Landratsamtssprecherin Sabine Gooss.

Die Gemeinde hat die Eichen vergangenes Jahr einmal und heuer bereits zweimal mit Nematoden gespritzt. "Erfolgreich", wie Siegfried Geißler von der Naturschutzbehörde im März an Bürgermeister Tobias Gensberger schrieb und ihm empfahl, noch vorhandene alte Nester absaugen zu lassen. "Im vergangenen Jahr hatten wir 53 kleine Nester, nur einen Bruchteil des aktuellen Befalls", sagt Gensberger. "An dem Baum gibt es keine einzige Astgabel mehr, die nicht befallen ist", zeigt er auf einen. Den Massenbefall hat er vorgestern mit Baumexperte Christian Wohlhüter festgestellt. "Für mich ist jetzt Gefahr im Verzug, man muss handeln", sagt er. Ihm seien jedoch die Hände durch die Untere Naturschutzbehörde gebunden. Als Ersatz hatte er angeboten, auf 200 Quadratmetern Ausgleichsfläche 200 kleine Eichen anzupflanzen. Kreisfachberaterin Katrin Pilz war vergangene Woche vor Ort, konnte aber noch keinen Befall feststellen. "Manchmal geht das sehr schnell", sagt sie. Warum die Spritzaktionen am 13. und 31. Mai offenbar nicht wirksam waren, kann sie nicht erklären, der Gärtner sei deshalb mit dem Mittelhersteller in Kontakt. Allerdings sei die zweite Aktion erst sechs Tage her und es könne bis zu zehn Tage dauern, bis sie Wirkung zeige. Für Samstag hat Gensberger den Gärtner beauftragt, die Raupen abzusaugen. "Wir begleiten diesen Fall sehr intensiv", betont Pilz, "wenn abgesaugt ist, sollte keine Gefahr mehr bestehen".

Als überschaubar bezeichnet Johannes Donhauser, Leiter des Gesundheitsamtes, das Gesundheitsrisiko durch die von einigen Larvenstadien produzierten, allergieauslösenden Nesselhaare. "Lebensgefahr besteht definitiv nicht", betont er, chronische Folgen seien extrem selten. Natürlich müsse der Schädling bekämpft werden, um das Risiko herunterzufahren. Auf Null, wie von den Anwohnern erwartet, ließe es sich allerdings nicht reduzieren. Der Ausschlag ähnele dem durch Brennnesseln verursachten - mit dem Unterschied, dass die Wirkung über Tage andauere.

"Meine Frau war 2017 14 Tage lang krank, ich bin Allergiker", sagt Anwohner Gerhard Jahn. Für ihn ist das Experiment der Nematodenbehandlung gescheitert, "das Landratsamt hat keinen Plan". Er fühlt sich von den Behörden im Stich gelassen, lediglich Bürgermeister Gensberger setze sich für die Anwohner ein und habe einen vernünftigen Vorschlag gemacht. "Die berechtigten Sorgen der Anwohner um ihre Gesundheit und die Belange des Naturschutzes sind in einen gerechten Ausgleich zu bringen", sagt Gooss. Landrat Peter von der Grün will sich daher heute persönlich ein Bild vor Ort machen.

Andrea Hammerl