München
AfD sorgt erneut für Eklat im Landtag

Abgeordneter bleibt bei Gedenkakt für den ermordeten Politiker Walter Lübcke einfach sitzen

26.06.2019 | Stand 23.09.2023, 7:33 Uhr
Auszug aus dem Plenum: Während der AfD-Abgeordnete Ralph Müller eine Rede hält, verlassen Politiker der anderen Parteien den Sitzungssaal. Müller war zuvor bei einem Gedenkakt für den mutmaßlich von einem Rechtsextremisten getöteten Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke als einziger Parlamentarier sitzen geblieben. −Foto: Hase/dpa

München (DK) Am Ende machte Ralph Müller sich ganz, ganz klein: "Ich entschuldige mich ausdrücklich für das Verhalten", sagte er.

"Bitte nehmen sie meine Entschuldigung an. " So demütig erlebt man den AfD-Mann aus Nürnberg im Landtag selten. Fein, edel und teuer gekleidet (alleine seine Arbeitstasche eines französischen Superluxus-Herstellers kostet rund die Hälfte des Monatslohnes eines Durchschnittsarbeitsnehmers) weiß der studierte Zahnarzt üblicherweise aufzutreten - und zu provozieren. Innerhalb der AfD wird er von Beobachtern dem Lager der deutschnationalen Hardliner zugeordnet.

Bei einem Gedenkakt des Landtags für den offenbar von einem Rechtsextremisten ermordeten Kassler Regierungspräsidenten Walter Lübcke blieb Müller, anders als die übrigen Landtagsabgeordneten, während der zweieinhalbminütigen Rede von Landtagspräsidentin Ilse Aigner (CSU) einfach sitzen. Erst am Ende, als eines verstorbenen früheren Landtagsabgeordneten gedacht wurde, erhob er sich.

Über alle Fraktionen hinweg erachtete man das als demonstrative Geste - schließlich schwelt in der Bundespolitik gerade die Debatte darüber, inwieweit die AfD, die im CDU-Politiker Lübcke ein Feindbild sah, eine moralische Mitverantwortung für dessen Ermordung hat. Und schließlich hat die AfD ja auch vor geraumer Zeit eine ähnliche Situation im Landtag genutzt, um ein politisches Signal zu setzen: Im Januar verließen die Rechtspopulisten während eines Gedenkaktes für die NS-Opfer demonstrativ den Saal, als die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, Charlotte Knobloch, sprach. Darunter eben auch: Ralph Müller.

Ministerpräsident Markus Söder (CSU) zeigte sich persönlich zutiefst empört. "Einem Verstorbenen das Totengedenken demonstrativ zu verweigern ist ehrverletzend, respektlos und ein beispielloser Fehltritt im bayerischen Landtag aus den Reihen der AfD", sagte er. "Dieses Verhalten zeigt wieder einmal die wahre Gesinnung. " Ex-Justizminister Winfried Bausback (CSU) meinte: "In der Ablehnung von Gewalt und dem Respekt für ein Opfer politischer Gewalt sollte ein Parlament einig sein. Wer hier ausschert, begeht nicht nur einen Stilbruch. " Katharina Schulze (Grüne) fand ebenfalls deutliche Worte. "Schändlich", "widerlich" und "ehrlos". Und Margit Wild von der SPD zeigte sich "entsetzt, aber nicht wirklich überrascht".

FDP-Mann Matthias Fischbach ahnte es schnell: "Wenn Sie ein persönliches Zeichen setzten wollten, dann haben Sie es geschafft", hielt er Müller vor. Wie Fabian Mehring von den Freien Wählern forderte er von Müller und der AfD eine Entschuldigung - andernfalls werde man den Saal verlassen und jedwede weitere parlamentarische Zusammenarbeit mit der AfD-Fraktion sei ausgeschlossen. Müller indes sah erstmal gar keinen Anlaß, sich zu entschuldigen - er sei lediglich unachtsam und ein paar Sekunden in ein Papier vertieft gewesen. Das täte ihm leid, aber er könne darin keine Schuld sehen. Überhaupt sei es eine "moralingetränkte Hexenjagd", die da auf ihn veranstaltet werde.

Christoph Maier, Parlamentarischer Gerschäftsführer der AfD-Fraktion, der sich dann zeitweise mit Müller um den Platz des Redners stritt, sagte lediglich: "Sollten Missverständnisse aufgetreten sein, wird die AfD-Fraktion das intern klären. " Und weil Müller laut Tagesordnung als nächster Redner vorgesehen war (Thema: Minarettverbot in Bayern), leerte sich schlagartig der Landtagssaal - wie einst die AfD bei Knobloch verließen nun Abgeordnete von CSU und Freien Wählern, von SPD, FDP und Grünen in Scharen das Plenum. Landtagspräsidentin Aigner mahnte sauer in Richtung der AfD, es wäre "leicht gewesen, das abzuräumen - das wollten Sie erkennbar nicht".

Später redete Aigner dann in der Landtags-Lobby Müller, der zwischenzeitlich wie auch die AfD-Fraktionsführung von den eigenen Leuten unter Beschuss geraten ist, ins Gewissen, sich zu entschuldigen - was der dann einigermaßen jammervoll zwischen zwei Tagesordnungspunkten vor dem gesamten Landtag auch tat. Applaus blieb aus.
 

Alexander Kain