AD(H)S "wächst sich nicht aus"

26.02.2007 | Stand 03.12.2020, 7:00 Uhr

Ingolstadt (DK) ADHS – Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitäts-Störung – ist eine medizinische Krankheitsbezeichnung für ein Störungsbild mit der Kombination von Aufmerksamkeitsschwäche, überschießender Impulsivität und oft extremer Unruhe (Hyperaktivität).

Folgen sind verstärktes Störverhalten, unsystematische und langsame Aufgabenlösung, Ablenkbarkeit und geringe Frustrationstoleranz. Nicht jedes "hyperaktive" Kind muss dauernd zappeln, aber alle Kinder fallen aus dem Rahmen, sowohl in der Schule, als auch im häuslichen Umfeld. Meist wird ihr Verhalten als störend empfunden und bereitet den Eltern, den Erziehern und nicht zuletzt den Kindern und Jugendlichen selbst erhebliche Schwierigkeiten.

Stoffwechselstörungen

Als Ursache wird eine fehlerhafte Informationsverarbeitung zwischen verschiedenen Hirnabschnitten (Frontalhirn, Basalganglien) angenommen, bedingt durch Störungen im Stoffwechsel der Botenstoffe (vor allem Dopamin). Genetische Faktoren haben eine große Bedeutung.

In Deutschland rechnet man im Kindes- und Jugendalter mit einer Häufigkeit von fünf Prozent , das entspricht zirka 500 000 Betroffenen zwischen 6 und 18 Jahren. Bei Untersuchungen zur Häufigkeit wurden in Abhängigkeit von der angewandten Untersuchungsmethode jeweils etwas verschiedene Werte gefunden, wobei fünf Prozent als realistisch anzusehen sind.

Zusätzlich zur Aufmerksamkeitsstörung liegen häufig weitere Teilleistungsstörungen vor. Besonders schwerwiegend sind Lese-Rechtschreib-Schwäche und Rechenschwäche, insbesondere wenn sie kombiniert auftreten. Eine Stärke der betroffenen Kinder ist jedoch oftmals ihre Kreativität und die Fähigkeit, originelle Lösungen zu produzieren.

In allen Altersgruppen

ADHS ist in allen Altersgruppen anzutreffen. Die früher häufig geäußerte Ansicht, dass sich die Störungen im Laufe der Pubertät "auswachsen", ist falsch. Es verändern sich jedoch die Erscheinungsweisen. In der Pubertät verliert sich die überschießende Motorik meist und macht einer gewissen Passivität Platz. Auch bei jungen Erwachsenen bleibt das Problem bestehen. Allerdings sind Kinder und Jugendliche durch Aufmerksamkeitsstörungen am meisten beeinträchtigt, so lange sie in die Schule gehen und dort mit relativ starren und restriktiven Anforderungen konfrontiert sind. Außerhalb der Schule ist es eher möglich, d ie Lebensumstände so zu verändern, dass man leichter mit den Schwierigkeiten umgehen kann. Durch die richtige Berufswahl und oder geeignete Freizeitgestaltung können Konfrontationen mit anderen zum Teil vermieden werden.

Die sachgerechte Diagnosestellung von ADHS liegt in der Verantwortung von Fachleuten, insbesondere auch bei den Kinder- und Jugendärzten. Diese werden die Zusammenarbeit suchen mit Lehrern, Erziehern und anderen Betreuern. Der Kinder- und Jugendarzt sucht dabei auch die gemeinsame Klärung mit Kinder- und Jugendpsychiatern, Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten, Psychologen.

Die Beobachtungen der Lehrerin und des Lehrers können Anlass zu einer Untersuchung des Kindes sein. Darüber hinaus können Lehrerinnen und Lehrer wichtige zusätzliche Hinweise über die Ausprägung der Symptomatik geben.

Die Beobachtungen in der Schule dienen schließlich auch der Überprüfung der Wirksamkeit von therapeutischen Maßnahmen. Denn alle Maßnahmen , sei es durch Medikamente und/oder psychotherapeutische Verfahren, sollen ja auch zu einer Verbesserung der Situation in der Schule führen.

Individuell entscheiden

Abhängig vom Erscheinungsbild der Störung und dem Schweregrad der Beeinträchtigung kommen medizinische (Behandlung von Teilleistungsschwächen, Medikamente), pädagogische, psychologische und psychotherapeutische Ma ß nahmen in Frage. Welche Therapie einzusetzen und wo schwerpunktmäßig – beim Kind, bei den Eltern, in der Schule – anzusetzen ist, muss individuell entschieden werden. Die Zusammenarbeit aller Beteiligten ist erforderlich. Bei der Frage nach der Therapie spielen auch äußere Umstände eine Rolle, wie z um Beispiel die Verfügbarkeit von Therapeuten vor Ort oder die Entfernungen zu geeigneten Einrichtungen.

Wirksam sind im Bereich der medikamentösen Behandlung laut der Arbeitsgemeinschaft ADHS der Kinder- und Jugendärzte vor allem Stimulanzien wie Ritalin und Amphetaminsulfat. In Einzelfällen könnten auch andere Medikamente nötig sein. Nach sorgfältiger Diagnosestellung, gründlicher körperlicher Untersuchung – besonders bei Verdacht auf Herzerkrankungen – und genauer Aufklärung der Eltern und Betreuenden sei die medikamentöse Therapie zuverlässig, sicher, sehr wirksam und ungefährlich. Die Nebenwirkungen s eien gering und bei der Schwere der Störung zu vernachlässigen. Langzeitnebenwirkungen oder Abhängigkeit s eien nicht bekannt. Laut der Ärzte-Arbeitsgemeinschaft konnte in einer großen amerikanischen Untersuchung (MTA-Studie) gezeigt werden, dass die medikamentöse Therapie mit Stimulanzien die wirksamste Behandlung ist, sowohl für die Besserung der Kernsymptome bei ADHS als auch zur Vorbeugung und Verhinderung von Unfällen, von Sucht und Kriminalität. Die besten Erfolge erziele eine medikamentöse Therapie, wenn sie in ein Gesamtbehandlungskonzept eingebettet ist.