Ingolstadt
ACTA bringt die Netzgemeinde auf die Barrikaden

Internetaktivisten fürchten um Bürgerrechte, die Bundesregierung versteht die ganze Aufregung nicht

08.02.2012 | Stand 03.12.2020, 1:51 Uhr

Ingolstadt (DK) Bislang fürchtete der gemeine Internetnutzer vor allem Viren und Trojaner. Jetzt fühlt sich die Netzgemeinde von ACTA bedroht, einem internationalen Handelsabkommen zur Abwehr von Fälschungen.

Dabei geht es zwar unter anderem auch um die Verbreitung von nachgemachten Designerklamotten, aber einige Abschnitte beziehen sich eben auch auf „geistiges Eigentum in der digitalen Umwelt“.

Schon allein der Weg zu dem Abkommen sorgt für Unbehagen: „ACTA wurde hinter verschlossenen Türen ohne demokratische Debatte ausgehandelt“, kritisiert Benedikt Schmidt, Kreisvorsitzender der Piratenpartei in Ingolstadt.

Die Anfänge von ACTA reichen bis in das Jahr 2006 zurück: Am Rand eines G8-Treffens in Russland begannen die ersten Vorgespräche zwischen den USA und Japan. Die eigentlichen Verhandlungen unter Beteiligung von mehr als zwei Dutzend Ländern zogen sich dann von 2008 bis 2010 hin. Alles unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Als Problem werten die Kritiker vor allem die Tatsache, dass an den Verhandlungen Lobbyisten und Vertreter unter anderem der Musikbranche beteiligt waren, während die Parlamente der betroffenen Länder ausgeschlossen blieben. Ihnen bleibt es überlassen, die ACTA-Regelungen in nationales Recht umzusetzen. Und da regt sich inzwischen in den ersten Unterzeichnerstaaten Widerstand: Tschechien und Polen haben die Ratifizierung des Abkommens ausgesetzt, weil die Internetnutzer in beiden Ländern lautstark gegen das Vorhaben protestieren.

Doch was bringt die Gegner so auf? Sie fürchten um den Verlust von bürgerlichen Freiheiten und die Informationsfreiheit. „Das ursprüngliche Ziel des Abkommens, Eindämmung des Handels mit gefälschter Markenware, wurde zuungunsten der Verbraucher auf privates Kopieren von nicht näher definiertem ,Geistigen Eigentum’ ausgeweitet“, heißt es dazu in einem Papier der Piraten.

Und das solle mit äußerst fragwürdigen Mitteln geschützt werden, wie Pirat Benedikt Schmidt kritisiert: So sollten Internetanbieter gezwungen werden, ihre Kunden zu überwachen, um nicht selber wegen Urheberrechtsverletzung verklagt werden zu können. Die Internetanbieter könnten auch selber sanktionieren – also den Internetzugang abschalten – wenn sie eine Urheberrechtsverletzung vermuten. Die Folge: Eine Teilnahme am öffentlichen Leben sei ohne Zugang zum Internet massiv eingeschränkt.

Union und FDP können die Aufregung nicht verstehen: Die Forderungen von ACTA seien ohnehin schon deutsches Recht, lässt das Bundesjustizministerium wissen, und der CSU-Bundestagsabgeordnete Reinhard Brandl (CSU) aus Ingolstadt fügt an, dass die Vorwürfe der Kritiker „in Teilen nicht die Realität trifft“. Es habe eine lange Debatte gegeben, „deren Ergebnis ist, dass es in Deutschland keine Netzsperren geben wird“. Ohnehin beinhalte ACTA keine Verpflichtung zu solchen Sperren.

Der auf IT-Recht spezialisierte Fachanwalt Thomas Stadler in Freising stimmt zu: „Wenn man sich den ACTA-Text anschaut, dann findet man dort fast nichts, was nicht in Deutschland ohnehin schon geltendes Recht wäre.“ Die Diskussion werde vielfach unsachlich geführt. Dabei gebe es gute Gründe, gegen ACTA zu sein. So werde mit ACTA „eine urheberrechtliche Richtungsentscheidung“ zementiert, „die einseitig die Rechteinhaber begünstigt und wenig Rücksicht auf das Gemeinwohl nimmt“.