Acht Antworten zum Hochwasserschutz

Leser stellen Fragen

04.12.2014 | Stand 02.12.2020, 21:54 Uhr
Hochwasser in Schrobenhausen: Damit es zu dieser Situation - wie hier 2013 am Weilachufer - künftig möglichst nicht mehr kommt, läuft seit Jahren ein Verfahren zur sogenannten »Hochwasserfreilegung«. Noch immer gibt es dazu sehr viele ungeklärte Fragen - einige gab die Schrobenhausener Zeitung jetzt ans Wasserwirtschaftsamt weiter. −Foto: Spindler

Schrobenhausen (SZ) In Schrobenhausen finden in diesen Wochen hinter den Kulissen Erörterungstermine zum Verfahren zur Hochwasserfreilegung Schrobenhausens statt. Nach wie vor stehen viele offene Fragen im Raum. Die SZ hat jetzt Leserfragen gebündelt ans Wasserwirtschaftsamt Ingolstadt weitergegeben. Abteilungsleiter Holger Pharion hat sich damit auseinandergesetzt.

1. Was spricht gegen eine Flussbetträumung des gesamten Paarlaufes im Stadtbereich und darüber hinaus? Im Kanu-Wanderführer für Bayern steht: „Arsenauswaschungen der Mülldeponie Gallenbach belasten das Gewässer, Hautreizungen und -ausschläge bei mehreren Personen werden auf den Kontakt mit dem kontaminierten Wasser zurückgeführt“. Gibt es einen Zusammenhang?

Holger Pharion: Ein Zusammenhang zwischen einem Schadstoffaustrag bei der Mülldeponie Gachenbach und einer Flussbetträumung an der Paar bei Schrobenhausen besteht nicht. Grundsätzlich ist festzustellen, dass an der Paar eine ordnungsgemäße Gewässerunterhaltung im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben und der fachlichen Notwendigkeit erfolgt. Für eine über die ursprüngliche Gewässerbetttiefe hinausgehende Eintiefung der Paar wäre ein wasserrechtliches Genehmigungsverfahren zu durchlaufen. Die zusätzliche Eintiefung hätte auch zur Folge, dass die Standsicherheit der Brückenbauwerke sowie der Ufermauern in Schrobenhausen nicht mehr gewährleistet wäre. Da das Paarwasser bei großen Hochwasserereignissen ohnehin breitflächig in der Paaraue abläuft, und von dem verhältnismäßig flachen Abflussgefälle unterhalb von Schrobenhausen beeinflusst wird, sind durch kostspielige Räumungsmaßnahmen im Flussschlauch zudem keine wesentlichen Auswirkungen auf die Hochwassersituation in Schrobenhausen zu erwarten.

2. Es gibt wohl einen Regierungsbeschluss aus den Jahren 1981/82, demzufolge die ursprüngliche Paar im Goachat an den Kanal angeschlossen werden solle. Warum kommt es dazu nicht?

Holger Pharion: Durch den Anschluss der Paar im Goachat an den Paarkanal wird auf die aktuelle Abflusssituation eingewirkt. Aus rechtlicher Sicht handelt es sich dabei um einen Gewässerausbau, für den eine wasserrechtliche Genehmigung erforderlich ist. Die Maßnahme „Anbindung der Alten Paar an den Paarkanal“ ist als ökologische Ausgleichsmaßnahme Bestandteil der Hochwasserschutzmaßnahmen für Schrobenhausen und wird in dem laufenden Planfeststellungsverfahren mit abgehandelt. Sobald der rechtskräftige Planfeststellungsbeschluss vorliegt ist vorgesehen, mit den Ausgleichsmaßnahmen oberhalb von Schrobenhausen zu beginnen. Wesentliche Auswirkungen auf die Hochwassersituation in Schrobenhausen sind durch diese Maßnahme jedoch nicht zu erwarten, da bereits jetzt die Paar bei größeren Hochwasserereignissen unterhalb von Hörzhausen über die Ufer tritt und breitflächig in der ursprünglichen Paaraue abfließt.

3. Was halten Sie von der Idee, den Rollgraben und den Schönwiesgraben erst nach der Brücke „alte Dorfstraße“ in die Paar einzuleiten?

Holger Pharion: Die Auswirkungen einer Verlegung der Einleitungsstelle des Rollgrabens und des Schönwiesgrabens wurden im Rahmen der Tekturplanung zum Hochwasserschutz in Schrobenhausen untersucht. Die hydraulische Berechnung ergab allerdings, dass die günstigen Auswirkungen, die sich durch die Verlegung der Gräben erreichen lassen, insbesondere in den bebauten Bereichen relativ gering sind und zusätzliche kostenintensive Maßnahmen verursachen würden.
Aus diesem Grunde wurde der Vorschlag in der Planung nicht weiter verfolgt.

4. Was halten Sie von dem Vorschlag, die Weilach mit einem Wehr an der Pfaffenhofener Straße zu regulieren?

Holger Pharion: Für den Schutz vor einem statistisch gesehen einmal in hundert Jahren auftretenden Hochwasserereignis sind sehr große Rückhalteräume erforderlich. Ein ausreichender Hochwasserschutz durch Rückhaltebecken ist daher in der Regel lediglich in kleineren Einzugsgebieten möglich. Um den Hochwasserabfluss der Weilach ausreichend reduzieren zu können, steht aber nicht ausreichend Platz zur Verfügung.
Zudem hätte eine Hochwasserrückhaltung im Oberlauf der Weilach auch massive Auswirkungen auf das benachbarte Gemeindegebiet.

5. Warum werden die Anlieger der Weilach bis Wollomos bisher nicht für den Rückhalt von Regenwasser in ihrem Einzugsbereich herangezogen?

Holger Pharion: Hochwasser ist ein Naturereignis, das es schon immer gegeben hat und dessen Ausmaß maßgeblich von der Größe der Niederschläge und dem Wasseraufnahmevermögen des Bodens bestimmt wird. Für die Natur stellt Hochwasser kein Problem dar, sondern hat beispielsweise als Nährstofflieferant für die Aue grundsätzlich auch positive Auswirkungen.
Probleme und Schäden ergeben sich nur dann, wenn der Mensch durch nicht angepasste Nutzung, wie beispielsweise Bebauung, in die hochwasserbeeinflusste Gewässeraue eingreift und so Schadenspotenzial schafft. Oberstes Ziel muss es daher sein, hochwassergefährdete Gebiete von Bebauung frei zu halten. Dies wurde in Schrobenhausen in der Vergangenheit leider nicht ausreichend beachtet, sollte aber zumindest bei zukünftigen Planungen oberste Priorität haben.
Bei den oberhalb von Schrobenhausen an der Weilach liegenden Gemeinden wurde dieser Grundsatz weitgehend beherzigt. Die Talaue der Weilach wurde hier weitgehend von Bebauung freigehalten und steht so noch fast vollständig für den natürlichen Rückhalt zur Verfügung. Bei der Planung von neuen Baugebieten wurde hier in den vergangenen Jahren, den wasserwirtschaftlichen Grundsätzen entsprechend, darauf geachtet, dass das anfallende Niederschlagswasser soweit möglich vor Ort versickert wird, oder sofern dies nicht möglich war, gedrosselt in die Vorfluter eingeleitet wird. Einer Abflussverschärfung in der Weilach wurde so effektiv entgegengewirkt.

6. Angeblich wird ungeklärtes Fäkalienwasser schon bei Platzregen auf Höhe der Wohnbebauung Erlen- und Magnolienweg in den Schönwiesgraben eingeleitet – und das ist wohl auch noch FFH-Gebiet. Ist das Problem bekannt? Ist dafür eine Lösung in Sicht?

Holger Pharion: Auf Höhe der Wohnbebauung Erlen- und Magnolienweg befindet sich ein Regenüberlaufbauwerk, das die Funktion hat, den Abwasserkanal bei Starkregenereignissen vor einer Überlastung zu schützen. Im Überlastfall springt das Bauwerk an und schlägt überschüssiges Wasser in den Schönwiesgraben ab. Nachdem es in der Vergangenheit Probleme mit dem Austrag von Feststoffen gab, wurde bereits 1999 ein Siebrechen an das Bauwerk angebracht. Weiterhin wurden in den Jahren 2008 und 2012 Maßnahmen am Jahnweg sowie an der Georg-Leinfelder-Straße realisiert, mit denen der Kanal am Erlen- und Magnolienweg entlastet und so die Anspringhäufigkeit des Überlaufbauwerkes reduziert wird. Das Regenüberlaufbauwerk entspricht den Regeln der Technik.

7. Warum lehnt das Wasserwirtschaftsamt nach wie vor einen Hochwasserrückhalt im großen Stil im Goachat ab? Viele Schrobenhausener sind nach wie vor davon überzeugt, dass hier immens Druck im Fall der Fälle abgebaut werden könnte – ohne dass die hohen Mauern nötig würden.

Holger Pharion: Bereits in der landesplanerischen Beurteilung vom 31. Oktober 2000 zum Raumordnungsverfahren für die Hochwasserfreilegung der Stadt Schrobenhausen mit Bau einer Entlastungsstraße wurde von der zuständigen Raumordnungsbehörde festgestellt, dass die Varianten mit Aufstau der Paar mittels Rückhaltedämmen nicht den Erfordernissen der Raumplanung entsprechen und somit nicht genehmigungsfähig sind. Trotzdem wurden die Anregungen der Bürger im Planfeststellungsverfahren aufgenommen und im Rahmen der Tektur zum Hochwasserschutz Schrobenhausen verschiedene Varianten zur Hochwasserrückhaltung ausführlich untersucht. Die Studie ergab, dass bei dem Bau von größeren Hochwasserrückhaltebecken zusätzlich zu den höheren Kosten auch mit erheblichen Eingriffen in das naturschutzfachlich sensible Gebiet des Goachat zu rechnen ist, die auch mit aufwendigen Ausgleichsmaßnahmen voraussichtlich nicht kompensiert werden können.
Die in der aktuellen Planung vorgesehene Rückhaltung mit einer Wegerhöhung zum Ausgleich von Retentionsraum stellt mit dem hierfür relativ kleinen Eingriff aus naturschutzfachlicher Sicht bereits die Grenze des Vertretbaren dar.

8. In einem Fernsehbericht des BR vom März 2014 mit dem Titel „Hochwasserschutz in Bayern“ gaben Wasserbauer der LMU diese Parolen aus: „Breite geht vor Höhe“ und „Fließgeschwindigkeit reduzieren“. Kennen Sie diese Grundsätze? Teilen Sie sie? Wird der technische Hochwasserschutz in Schrobenhausen diesen Grundsätzen gerecht?

Holger Pharion: Bereits nach dem Pfingsthochwasser im Jahr 1999 hat das bayerische Umweltministerium das zukunftsweisende Aktionsprogramm 2020 für einen nachhaltigen Hochwasserschutz in Bayern entwickelt. Diese moderne, integrierte Hochwasserschutzstrategie besteht aus den drei Handlungsfeldern „vorbeugender Hochwasserschutz“, „technischer Hochwasserschutz“ und „weitergehende Hochwasservorsorge“ und beinhaltet die oben genannten Grundsätze. Sie bildet die Grundlage unseres Handelns am Gewässer.
Insbesondere das Handlungsfeld „vorbeugender Hochwasserschutz“ beinhaltet den Rückhalt in der Fläche – also im gesamten Einzugsgebiet, der Aue und im Gewässer selbst – und trägt beispielsweise durch die Rückverlegung von Deichen, eine verstärkte Vernetzung von Fluss und Aue oder die Reaktivierung natürlicher Rückhalteräume zu einer Entschleunigung des Abflussgeschehens bei.
Neben den positiven Auswirkungen auf das Gewässerökosystem und die biologische Vielfalt am Gewässer haben diese Maßnahmen insbesondere bei kleinen Hochwasserereignissen abflussverzögernde und hochwasserdämpfende Wirkung. Bei großen Hochwasserabflüssen stoßen diese Maßnahmen jedoch sehr schnell an ihre Grenzen. Sobald die Speicherfähigkeit des Bodens erschöpft ist, und die Rückhalteräume gefüllt sind, ist auch die Wirkung auf die Hochwassersituation gering.
Für den Schutz der bestehenden Bebauung in Schrobenhausen vor großen Hochwasserereignissen sind sie daher nicht ausreichend. Hierfür ist der technische Hochwasserschutz zwingend erforderlich.
Rückhalt in der Fläche wird bei der geplanten Hochwasserschutzmaßnahme in Schrobenhausen unter anderem im Goachat, im hinsichtlich der Genehmigungsfähigkeit größtmöglichen Umfang, praktiziert. Mit dieser Maßnahme kann Retentionsraum ausgeglichen und so einer Abflussverschärfung entgegengewirkt werden.