Röttenbach
"Ach wie gut, dass niemand weiß..."

Das Rumpelstilzchen geistert in Röttenbach durch die Neujahrsansprache des Bürgermeisters

09.01.2012 | Stand 03.12.2020, 1:58 Uhr

Spendierfreudig zeigten sich die Besucher des Röttenbacher Neujahrsempfangs angesichts der schmuck gekleideten Sternsinger. Ob nun auch die Bürgerbeteiligung in Sachen Dorfladen neue Fahrt aufnimmt, wird sich hingegen 2012 erst noch zeigen müssen. - Foto: Leykamm

Röttenbach (HK) Mit ihren Märchenwesen haben die Gebrüder Grimm archetypische Allegorien erschaffen, die als solche in unseren modernen Tagen gerne die Medienlandschaften bevölkern. Aktuelles Beispiel hierfür ist das Rumpelstilzchen, das seit geraumer Zeit nicht nur erneut durch den Blätterwald tobt, sondern von dem nun auch beim Neujahrsempfang der Gemeinde Röttenbach zu hören war.

Seit der Finanzkrise taucht der Name des Rumpelstilzchens immer häufiger als Bezeichnung für Investmentbanker auf. Auf diesen Zug sprang in seiner Ansprache in der Grundschulaula auch Röttenbachs Bürgermeister Thomas Schneider auf. Allerdings seien die einst so hoch geschätzten Geldexperten dem Grimmschen Unhold sogar noch überlegen. Denn sie benötigten nicht einmal mehr Stroh, um daraus Gold zu spinnen, sondern schafften es sogar, „aus Nichts Geld zu machen“. Die Spekulanten verlangten zwar als Gegenleistung für ihre Geschäfte keine königlichen Kinder, jedoch die Preisgabe moralischer Werte bei ihren Partnern. Und auch „Arbeitsplätze, menschliche Existenzen oder Unternehmen können schon mal auf der Strecke bleiben“, monierte Schneider. Auch Bundespräsident Christian Wulff sei zuletzt als Rumpelstilzchen bezeichnet worden, wegen seines Gebarens gegenüber diversen Presseorganen, bemerkte Schneider. In diesem Zusammenhang sagte Schneider, er habe „das Gefühl, dass die Gesellschaft (und das sind wir) mit sehr unterschiedlichen Maßstäben misst“. Er zeigte sich verwundert über die großzügige Bereitschaft, andere Zeitgenossen wohlwollender zu betrachten als den Bundespräsidenten. Fußballtrainer und Künstler, die ehedem Drogen genommen hätten, würden kurz nach ihren Eskapaden wieder gefeiert. „Da scheint mir einiges aus dem Gefüge gekommen zu sein“, so der Rathauschef.

Jeder wolle Windkrafträder statt Atomstrom – aber vorzugsweise vor dem Haus des Nachbarn. Der Forderung nach fairen Milchpreisen für die Bauern stünde der Billigeinkauf der Kunden beim Discounter gegenüber. Solches Denken mache auch vor den Toren der Kommunen nicht halt, ließ Schneider durchblicken: Zum einen herrsche in Röttenbach der gemeinsame Wunsch nach einer lebenswerten Gemeinde mit guten Immobilienwerten; andererseits aber gäbe es bei jedem Projekt, in dessen Rahmen eine Straße ausgebaut werde, Beschwerden über die Erhebung von Beiträgen. „Wir wollen Einkaufsmöglichkeiten vor Ort. Aber die Bereitschaft, auch nur 200 Euro in die Hand zu nehmen, um einen Dorfladen zu ermöglichen, ist überschaubar“, spielte der Bürgermeister auf die nur zögerlich in Gang kommende Bürgerbeteiligung des ehrgeizigen Projekts an. Aber: „Hier haben Sie schon die erste Gelegenheit, das Ruder herumzureißen“, appellierte er an seine Zuhörer.

Ob die gut 100 Gäste des Empfangs diesen Wink mit dem Ladenschild verstanden haben, wird das Jahr 2012 weisen. Spendierfreudig zeigten sich die Besucher indes gleich zu Beginn des Empfangs, als die Sternsinger mit ihren sich schnell füllenden Büchsen die Runde durch die Aula drehten, in der die Gemeindemitglieder mit den Ehrengästen (unter ihnen die Landratstellvertreter mit Hannedore Nowotny, Max Netter und Walter Schnell) bei Brezen, Bier und Sekt sich (nicht nur) über die Worte Schneiders austauschten. Musik dazu erklang von der Empore, auf der eine improvisierte Kapelle ihren gelungenen Einstand feierte. Sie war spontan zusammengetrommelt worden, nachdem das ursprünglich gebuchte Ensemble kurzfristig abgesagt hatte. Ein Engagement, das für das Jahr 2012 Gutes erhoffen lässt.