stadtgeflüster
Ach herrje! Heute schon Apokalypse?

31.08.2018 | Stand 02.12.2020, 15:46 Uhr

(sic) Es ist nicht alles schlecht am Weltuntergang.

Er hat auch seine guten Seiten. Den Frankenkönig Karl den Großen zum Beispiel plagten am Ende des achten Jahrhunderts solche Ängste vor der Apokalypse, dass er seinen Hofgelehrten die Hölle heiß machte, damit sie das Kalenderwesen kühn weiterentwickelten und die Zeitrechnung revolutionierten. Denn Karl wollte unbedingt wissen, wie spät es ist. Wie viel Zeit war seit der Erschaffung der Erde (so plus, minus ein oder zwei Tage) genau vergangen? Es pressierte! Lehrte doch der Prophet Daniel im Alten Testament, dass 6000 Jahre nach der Schöpfung leider schon wieder Schicht ist mit Gottes Werk. Diese Frist bis zum Weltuntergang, deuteten Karls des Großen Jahreszähler dezent an, könnte anno 800 ablaufen. Also ziemlich bald.

Gut, sie hatten sich ganz leicht verrechnet. Die Erde überdauerte die Herrschaft der Franken. Immerhin lebte Karl bis ans Ende seiner Tage in Erwartung des Jüngsten Gerichts um so gottgefälliger. Genau wegen dieses erzieherischen Effekts hat sich das Christentum die Story mit der Apokalypse ja auch ausgedacht.

Astronomisches Kleinklein wie die Wanderung der Sonne und die davon abgeleitete Berechnung der Tageszeit interessierten Karl den Großen indes nicht. Wenn es für immer finster wird, dachte er wohl, ist die Frage, ob der letzte Schatten auf der Sonnenuhr halb vier oder halb fünf zeigt, eher wurscht.

Dabei kann gerade diese Zeitdifferenz so wichtig sein! Wenn nämlich anlässlich des Weltuntergangs Satan seine gemeinen Freunde am geheimen Ort Armageddon gegen Gottes Heerscharen ins letzte Gefecht führt (wie es der Apokalyptiker Johannes prophezeite), wäre es blöd, wenn die Guten nach, sagen wir, mitteleuropäischer Sommerzeit aufmarschieren und ihre Widersacher nach Standardzeit, weil sie sich dann verpassen könnten - und der große Weltbrand fällt ins Wasser. Muss ja nicht sein.

Dank der EU ist diese Gefahr bald gebannt. Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hat jetzt nach einer Volksbefragung verkündet, dass die Ära der Zeitumstellungen zu Ende geht und künftig einheitlich in allen EU-Ländern immerwährende Sommerzeit herrschen soll. Das freut vor allem Millionen Deutsche. Sie debattieren über das Thema Sommer- und Winterzeit in einer Dramatik, als hinge der Fortbestand der Erde davon ab.

Die Ingolstädter pflegen ein gelasseneres Verhältnis zur Zeit. Das erkennt man daran, dass sie sich von stillstehenden Uhren im öffentlichen Raum nicht weiter irritieren lassen. Als etwa vor einem Jahr die Zeiger des Münsters zwölf Minuten vor zwei das Kreisen einstellten, fiel das erst nach einer Woche auf. Auf der Uhr am Alten Schlachthof ist es seit ewigen Zeiten Punkt 6. Ähnlich lang zeigt die Uhr am alten DK-Haus an der Donaustraße 25 Minuten vor drei an. Und die Turmuhr der Spitalkirche geht zuverlässig fünf Minuten nach. "Egal! ", sagen da Ästheten wie Apokalyptiker. Denn auf dem Rathausplatz, auf den diese Uhr zeigt, ist eh längst alles zu spät.