Ingolstadt
Ach Auto!

Der Kunstverein Ingolstadt zeigt in der Theatergalerie die Ausstellung "Auf Kollision"

13.11.2019 | Stand 23.09.2023, 9:26 Uhr
Karin Derstroff
  −Foto: Hammer, Cornelia, Ingolstadt

Ingolstadt (DK) Zack!

Da brennt es nun vor sich hin. Auf ödem winterlichen Feld, kopfüber aufgehängt an einem Galgen. Lodert auf, flammt weg, krümmt sich schmelzend - ein trauriges Gerippe, dessen qualvollen Feuertod man gute fünf Minuten lang goutieren kann. "Auto sculpture I" hat der französische Künstler David De Beyter seinen Videofilm genannt, genau so, wie auch die Big Bangers das Ergebnis ihres Tuns bezeichnen. Drei Jahre lang hat der junge, vielfach ausgezeichnete Fotograf diese seltsame, in Nordfrankreich, Belgien und Großbritannien agierende Gruppe begleitet, die sich mit der kreativen Zerstörung von Autos mittels spektakulärer Crashs beschäftigt, einfach eines tollen Autotodes wegen. Einen Ausschnitt aus dieser seiner Werkreihe, nämlich zwei Filme, mehrere Fotos und ein veritables Crash-Objekt, zeigt De Beyter nun in der aktuellen Ausstellung des Ingolstädter Kunstvereins. Und beweist damit: Auch solche Blüten kann Liebe zum Fetisch Auto treiben.

Drei Künstler und eine Künstlerin präsentiert die Schau unter dem Titel "Auf Kollision". Es sei Zeit, in einer Autostadt das Auto zum Thema zu machen, befand Vorstandsmitglied Sigrid Diewald, stieß auf offene Ohren ihrer Kollegen, und gewann prompt den Künstler Martin Brüger als Hauptaussteller und Kurator des Projekts. Der ist hier kein Unbekannter mehr. In der Galerie Mariette Haas, im Museum für Konkrete Kunst und auch schon einmal im Kunstverein war er mit Einzelausstellungen zu Gast. Für seinen aktuellen Ingolstadt-Auftritt bringt der 54-jährige Darmstädter neun große Arbeiten mit - und als Kollegen außer De Beyter die in Berlin lebende Sabine Groß und den Schweizer Carlo Borer.

Letzterer ist der einzige im Quartett, der neue, eigens für die Schau entstandene Werke liefert, nämlich drei erstaunliche Objekte aus Metall und Reifengummi. Eine riesige Weltkarte, deren glänzende Alu-Konturen schwarze, plattgedrückte Pneu-Profile fassen ("Evolution"). Dazu eine Art aufpolierter Reifen, in deren Edelstahlrund in "Ford"-(Freedom? -)Schrift die Worte "Freedom is an Illusion" prangen. Und, witzig genug, die bittere Auto-Pille: eine überdimensionale Kapsel (halb aus Edelstahl, halb aus Reifenprofil simulierendem Polyurethan) namens "Hell C", das sich wie "Healthy" ("gesund") spricht. In aufwendigsten Arbeitsprozessen, ausgehend von CAD-Entwürfen, fertigte Borer seine pointierten, schwarzsatten, glänzenden Werke.

Glänzend geht es auch bei Sabine Groß, Bildhauerei-Professorin an der Kunsthochschule Mainz, zu, allerdings nicht mittels poliertem Stahl, sondern dank lackiertem Epoxydharz auf Styropor. Aus solchen Materialien hat Groß einen riesigen Reifenabdruck durch eine noch größere Schlammpfütze gestaltet: Über drei Quadratmeter misst das scheint's feuchte Erdreich mit der Spur darin. Allerdings untersucht die 58-Jährige mit diesem aus mehreren Abgüssen entwickelten Objekt (am Anfang stand die reale Fahrt durch einen Haufen Ton) eigentlich nicht die Spuren, die Mobilität in unserer Umwelt hinterlässt. Sondern die Trennlinien zur Kunst. Was hier ist Abbildung von Natur? Was künstlich? Und was Kunst? In diesem Spannungsfeld bewegt sich das sechs Jahre alte Werk der Professorin.

Auch Martin Brügers Arbeiten stammen teilweise aus dieser Zeit, allerdings entwickelt er die Serie der gezeigten Wandreliefs bis heute fort. Aus hochglanzlackierten Hochformaten - natürlich Autolack! - und reduziert darauf angebrachten Autoemblemen, -schriftzügen, -türgriffen oder -lüftungsgittern schafft er ästhetische, dabei komische Objekte, die mit dem Fetisch-Thema spielen. Das tut auch das zehnteilige Objekt "Die Ehre des Samurai". Mit ihm nimmt Brüger auf den gleichnamigen Rennfahrer-Comic und die darin vorkommenden (realen! ) Rennstrecken Bezug. Aber ach: Die eingefrästen Rennverläufe auf den maßstäblichen fahrbaren (! ) Bodenplatten tragen keine Modellboliden, sondern - bunte Murmeln. Kinderkram statt Männlichkeitssymbol?

Augenzwinkernd steht das Werk mitten in dieser Schau, die wohl Spannendes zu bieten hat, sich aber nicht wirklich auf Kollision begibt.

Bis 26. Januar, Sa, So, Feiert. 12 bis 18 Uhr.

Karin Derstroff