Ingolstadt
„Abschiedsrituale sind wichtig“

Die Eingewöhnung in die Krippe stellt Kinder und Eltern vor eine neue Herausforderung

21.07.2017 | Stand 02.12.2020, 17:45 Uhr
Die meisten Eltern geben ihre Kinder im Alter von einem Jahr in eine Kinderkrippe, weil sowohl Vater als auch Mutter wieder berufstätig sein möchten oder müssen. −Foto: Stratenschulte/dpa

Krippeneingewöhnung – eine aufregende, neue Erfahrung für Kinder und auch Eltern. Doch manche Mamas und Papas denken dabei aber auch an traurige Kinderaugen und Abschied. Doch mit der richtigen Vorbereitung, Geduld und Einfühlungsvermögen fällt beiden Seiten die Trennung gar nicht so schwer.

Fremde Menschen, neue Räume und viele unbekannte Kinder: Wenn der Nachwuchs in die Krippe kommt, ist es nicht nur für die Kleinen eine neue Herausforderung, sondern auch für deren Eltern. Verständlich, dass es den Kindern besonders am Anfang schwerfällt, sich an die neue Situation zu gewöhnen.

„Das Wichtigste für eine solche Eingewöhnung ist Zeit und der Ablauf in kleinen Schritten“, sagt Bettina le Maire (46), Diplom-Psychologin und Pädagogische Leitung der Bürgerhilfe Ingolstadt. „Es müssen ja nicht nur die Kinder, sondern auch die Mamas und Papas eingewöhnt werden.“ Aus diesem Grund werden anfangs auch täglich begleitende Gespräche geführt. Die Eingewöhnung dauert in der Regel zwei Wochen, sie kann aber auch länger oder kürzer sein. „Flexibilität ist ebenfalls wichtig, denn jedes Kind ist anders“, betont le Maire. „Wir raten den Eltern auch immer wieder, das Ganze entspannt anzugehen und am besten Urlaub zu nehmen.“

„Das Wichtigste ist Zeit und der Ablauf in kleinen Schritten.“

Bettina le Maire, Pädagogische Leitung der Bürgerhilfe Ingolstadt

 

In Deutschland gibt es zwei verschiedene, wissenschaftlich belegte Eingewöhnungsmodelle: das Berliner und das Münchner Modell. In beiden sind die schrittweise und langsame Eingewöhnung sowie die enge Kooperation zwischen Einrichtung und Eltern zentrale Elemente. „Wir haben ein eigenes Modell entwickelt, das sich sowohl am Münchner als auch am Berliner orientiert“, erklärt die Diplom-Psychologin.

Am ersten Tag kommen die Kinder gemeinsam mit ihren Eltern für eine Stunde in die Einrichtung, eine Trennung findet noch nicht statt. Am zweiten sind sie dann etwas länger da und am dritten Tag werden sie erstmals von den Eltern getrennt. „In der Regel erfolgt die erste Trennung am Ende der Woche, indem Mutter oder Vater für eine kurze Zeit den Raum verlassen, aber in der Einrichtung bleiben“, sagt die dreifache Mutter. Stellen die Eltern bereits nach kurzer Zeit fest, dass sich das Kind wohlfühlt, denken sie häufig, dass eine Trennung bereits früher stattfinden könnte. „Wir haben allerdings die Erfahrung gemacht, dass es sich lohnt, nicht zu früh zu trennen, denn das zahlt sich dann in der späteren Betreuung wieder aus“, meint le Maire.

Doch was können die Eltern tun, wenn doch die Tränchen kullern und die Kleinen anfangen zu schreien? „Man schafft es natürlich nicht immer, dass keine Tränen fließen, da es auch immer vom Charakter des Kindes abhängt“, sagt die Pädagogin. Wichtig sei hierbei die innere Haltung der Eltern. Sind diese unsicher – und das sei anfangs auch normal – wird dieses Gefühl auch auf die Kinder übertragen. Weinen die Kinder, sei es für die Eltern wichtig zu sehen, dass die betreuende Erzieherin sie trösten kann. Es gehe um den Moment des Übergangs. „Das beste Beispiel ist, dass Mutter oder Vater die Einrichtung verlassen, das Kind weint, die Erzieherin versucht zu trösten und sobald die Eltern aus dem Raum sind, ist es vorbei“, sagt le Maire. Wird die neue Bezugsperson akzeptiert, sei das ein Zeichen für eine gelungene Eingewöhnung. Zudem sollten die Eltern den Erziehern vertrauen, denn das helfe, die Unsicherheit abzulegen und somit auch das Kind zu beruhigen. „Eine gute Vertrauensbasis ist wichtig, schließlich sollen Mutter oder Vater nicht ständig das Bild des weinenden Kindes im Kopf haben“, sagt die 46-Jährige.

Anzeichen, dass eine Eingewöhnung gelungen ist, zeigen neben dem Trösten durch die Erzieherin noch weitere Verhaltensweisen der Kinder. „Die Kleinen spielen unbeschwert, haben einen gewissen Forscherdrang, sind neugierig und nehmen auch Kontakt zu anderen Kindern auf – all das sind Anzeichen dafür, dass sie sich wohl und sicher fühlen“, sagt die Pädagogin. Wichtig sei auch hier wieder die innere Haltung der Eltern. Will beispielsweise eine Mutter gar nicht zurück in die Arbeit und ihr Kind eigentlich gar nicht abgeben, dann merken das die Kleinen. Auch sollen die Kinder sehen, dass die neue Bezugsperson und die Mama oder der Papa sich gut verstehen, das wirke ebenso beruhigend. „Natürlich gibt es seltene Einzelfälle, in denen die Eingewöhnung überhaupt nicht funktioniert“, berichtet le Maire. „Dann versuchen wir gemeinsam mit den Eltern herauszufinden, woran es liegt, und wenn es trotzdem nicht geht, brechen wir die Eingewöhnung ab und versuchen es ein Jahr später einfach noch einmal.“

Eine Vorbereitung der Kinder durch die Eltern vorab ist laut le Maire nicht notwendig. „Es wird irgendwann Thema in der Familie sein und dann bekommen es die Kleinen sowieso mit“, sagt sie. Natürlich sollte die Eltern es den Kindern mitteilen, ihnen den Namen der Einrichtung nennen und auch die positiven Aspekte hervorheben wie etwa „Das wird super!“ Von Vorteil ist es, wenn die Kindern schon einmal im kleinen Rahmen von ihren Eltern getrennt wurden. Das können Nachmittage bei der Oma, eine Stunde mit anderen Kindern bei einer Freundin oder auch eine Übernachtung bei den Großeltern sein.

„Das bereitet sowohl das Kind als auch die Eltern gut auf die neue Situation vor, aber notwendig ist es nicht“, betont le Maire. So lernen auch die Kinder, dass Mama und Papa zwar für eine bestimmte Zeit weg sind, sie aber wieder zurückkommen.

Was das Bringen und Abholen von der Einrichtung angeht, hat die Psychologin weitere wertvolle Tipps: „Wichtig ist, dass immer ein Abschied stattfindet, Abschiedsrituale sind sehr wichtig.“ Falsch sei es daher, wenn die Eltern merken, dass das Kind sich gerade wohlfühlt, und dann heimlich gehen, ohne sich zu verabschieden. Dennoch sollte der Abschied nicht allzu lange dauern oder unnötig hinausgezögert werden. Viele Eltern neigen dazu, eher zu lange dazubleiben. „Da gibt es dann noch ein Küsschen und noch eine Umarmung und dadurch gestaltet sich die Trennungssituation viel schwerer. Abschiedsrituale sind wichtig, aber sie sollten kurz sein“, sagt le Maire. Die Eltern sollen somit auch der betreuenden Erzieherin die Chance geben, Kontakt zum Kind aufzubauen. | DK

WEITERE TIPPS

Während der Trennungszeit in der ersten Woche müssen die Eltern auf Abruf immer erreichbar sein.

 

Durch die Vielfalt der neuen Eindrücke werden die Kinder in den ersten Wochen schneller ermüden. Bei der Planung des Tages sollten die Eltern darauf achten, dass die Kleinen genug Zeit zum Ausruhen haben.

 

Grundsätzlich ist die Eingewöhnung ein individueller Prozess, in dem das Kind Zeit und Dauer bestimmt.

 

Die Eltern sollten sich in der Gruppe eher passiv verhalten, sodass die betreuende Erzieherin Kontakt zum Kind aufnehmen und aufbauen kann. Trotzdem sollten die Eltern noch jederzeit für das Kind ansprechbar sein.

 

Der Raum sollte nie ohne vorherige Absprache mit der Erzieherin verlassen werden. | DK