Ingolstadt
Abschied vom unbekannten Parlament

Nach Jahrzehnten kandidieren Thomas Thöne und Rudolf Geiger nicht mehr für den Bezirkstag

12.09.2013 | Stand 02.12.2020, 23:41 Uhr

 

Ingolstadt (DK) Zusammen bringen sie es auf mehr als ein halbes Jahrhundert im Bezirkstag. Am Sonntag treten sie beide nicht mehr zur Wahl an. Mit Rudolf Geiger (CSU) und Thomas Thöne (SPD) scheiden zwei profilierte Sozialpolitiker aus einem Gremium aus, von dem die Öffentlichkeit kaum Notiz nimmt.

Wenn am Sonntag gewählt wird, reden alle nur darüber, ob es die CSU wieder schafft, die absolute Mehrheit im Landtag zu holen, ob die FDP über die fünf Prozent kommt, oder ob sogar eine Regierungsmehrheit jenseits der CSU zustande kommen könnte. Der Bezirkstag taucht in den Nachrichten erst unter ferner liefen auf. Geiger (68) und Thöne (54) können die Meldungen recht gelassen verfolgen, denn sie stehen nicht mehr auf den Kandidatenlisten ihrer Parteien, haben von sich aus erklärt, dass sie aufhören wollen. Bei Geiger lag es aus Altersgründen nahe, bei Thöne bekam die Öffentlichkeit die Erklärung, dass er sich künftig verstärkt der Kommunalpolitik widmen wolle.

„Zu über 90 Prozent hat der Bezirk Pflichtaufgaben“, sagt der SPD-Mann, „da liegt der Gestaltungsspielraum für politische Mandatsträger unter zehn Prozent.“ Warum dann nicht gleich den Bezirk ganz auflösen? Diese Frage wird immer wieder gestellt. „Wenn man ihn auflösen würde, müsste trotzdem jemand die Arbeit machen“, sagt Geiger. Und wenn 23 Gremien – die oberbayerischen Landkreise und kreisfreien Städte – entscheiden würden, könne das nicht effektiver sein als im Bezirkstag. „Nein“, pflichtet Thöne ihm bei, nicht abschaffen, „man sollte dem Bezirk sogar zusätzliche Aufgaben zuweisen“.

Eindeutiger Schwerpunkt der Bezirksaufgaben ist das Soziale. Ingolstadt hat, was in Oberbayern einmalig ist, eine Außenstelle des Bezirks gegenüber dem Sozialen Rathaus. Wer zum Beispiel wegen eines Pflegefalls in der Familie Informationen über die Finanzierung und Förderung braucht, kann sich dort erkundigen. „Früher gab es ein Riesenproblem in Ingolstadt“, erinnert sich Geiger, „weil wir zu wenig Pflegeplätze hatten, die Zeiten sind vorbei.“ Damals habe er sich häufig um Betroffene gekümmert. „Da kam jemand aus dem Krankenhaus raus und wusste nicht wohin. Dann haben wir rumtelefoniert und einen Platz für ihn gesucht.“ Der Bezirk springt als „überörtlicher Sozialhilfeträger“ dann ein, wenn die Angehörigen die Pflege nicht selber bezahlen können.

„Ich fand es immer spannend zu überlegen“, berichtet Thöne, „wo wir eine Versorgungslücke haben und wie wir sie schließen können.“ So sind in den vergangenen Jahren – nicht zuletzt wegen des parteiübergreifenden Einsatzes der beiden Bezirksräte –, viele wertvolle Einrichtungen in Ingolstadt entstanden oder stark erweitert worden. Zum Beispiel in der Betreuung psychisch Kranker. Oder bei der Förderung behinderter Menschen. Oder in der Drogenprävention beim neuen Kontaktladen.

Auch die Ingolstädter Nepomuk-von-Kurz-Schule für Körperbehinderte, darin sind sich Thöne und Geiger einig, ist zwar aus einer Elterninitiative entstanden, hat aber ihre heutige Form durch die Trägerschaft des Bezirks erhalten. Durchschnittlich einmal pro Woche sind die Bezirkstagsmitglieder – sie bekommen monatlich 620 Euro Aufwandsentschädigung plus Sitzungsgeld – in den Gremien unterwegs. „Für die Zukunft gehen dem Bezirk die Aufgaben nicht aus“, glaubt Geiger, der auch Behindertenbeauftragter ist. „Wir haben das Thema Inklusion, da sind wir noch ganz am Anfang.“