Abschied vom "Schichtl"

29.12.2006 | Stand 03.12.2020, 7:11 Uhr

Gosseltshausen (WZ) 70 Jahre war die Wirtschaft ein Familienbetrieb. Die Kinder von Centa und Adolf Schichtl sind hier aufgewachsen und haben die Tradition aufrecht erhalten. Morgen geht eine Ära zu Ende, denn das "Gasthaus Schichtl" sperrt zu.

Die Schichtl-Oma war nicht nur das Herz der Wirtschaft, sie war auch das Zentrum einer Familie, die zusammensteht, wie das heute nur noch selten zu finden ist. Gezeigt hat sich das vor allem, als die Schichtl-Oma die Wirtschaft, die sie vor 70 Jahren mit ihrem Mann Adolf übernommen hatte, nicht mehr selber führen konnte. Keine langen Planungen waren da notwendig, denn längst waren die Kinder und deren Familien eng in den Wirtshausbetrieb eingebunden und taten einfach, was zu tun war. Nicht weil sei mussten, sondern weil sie es so wollten. Während die Schichtl-Oma lange noch die organisatorischen Zügel in der Hand hielt und am liebsten an ihrem Platz am Ofen in der Wirtsstube saß, hatte in den letzten Jahren längst die zweite Schichtl-Generation die Wirtschaft geführt. Die Töchter und Söhne, Schwiegertöchter und Schwiegersöhne, die Enkel und Enkelinnen – jeder trug seinen Teil dazu bei, die Schichtl-Tradition weiter zu leben. So lange es eben ging.

Denn die Zeiten waren nicht leichter geworden, gerade nicht für eine einfache Dorfwirtschaft. Während früher das Gastzimmer wie selbstverständlich regelmäßig voll war und etliche Feiern, Bälle, Feste und gar Hochzeiten abgehalten wurden, blieb auch dem Gosseltshauser Gasthaus Schichtl das Schicksal nicht erspart, das vielen Dorfwirtschaften zu schaffen macht: Die Gäste wurden spärlicher, die Vereine zogen sich in ihre Vereinsheime zurück. Geblieben ist jedoch auch beim Schichtl ein harter Kern von Stammgästen, der gehegt und gepflegt wird und irgendwie zur Familie gehört. Bis zum morgigen Sonntag. Denn während die Stammgäste der Familie treu verbunden bleiben werden, können sie ab Montag ihr Bier nicht mehr am Stammtisch trinken. Das Gasthaus Schichtl, die Gosseltshauser Dorfwirtschaft, wird zum neuen Jahr ihre Zapfhähne für immer zudrehen.

Schon seit Jahren hat die Familie Schichtl mit dem Gedanken gelebt, hat gewusst, dass es irgendwann einmal so kommen wird. Der Abschied fällt keinem deswegen leichter. Schließlich sind die Kinder der alten Wirtsleute Centa und Adolf Schichtl hier aufgewachsen, können unzählige lustige und auch bewegende Episoden aus 70 Jahren Wirtsgeschichte erzählen. Episoden, die ihr Leben waren. Mit dem Tod der Schichtl-Oma jedoch, die im Oktober im Alter von 93 Jahren verstorben ist, rückte auch das Ende der Dorfwirtschaft unausweichlich näher.

Vor allem für die Seniorwirtin hatte die Familie den Betrieb noch aufrecht erhalten. Ein Weiterführen der alten Dorfwirtschaft würde aber unzählige Renovierungen notwendig machen, die weder für die Familie Schichtl noch für die Toerring-Brauerei noch für die Eigentümerin des Hauses lohnend wären.

So steht die Gosseltshauser Dorfwirtschaft zum Verkauf. Was aus ihr werden wird, kann dann der neue Eigentümer entscheiden, wenn er denn einmal gefunden ist.

Damit geht mit dem morgigen Sonntag eine 70 Jahre alte, bayerische Wirtshaustradition zu Ende. Vorbei ist die Ära Schichtl deswegen aber lange nicht, denn in der Erinnerung leben die Geschichten weiter, die die alten Wirtshausmauern festgehalten haben.