Sofia
Aber bitte mit Drohne

Pläne für Urban Air Mobility in Sofia vorgestellt

29.06.2018 | Stand 23.09.2023, 3:36 Uhr |
Netzwerken war wichtiger Bestandteil des Treffens in Sofia, das sich auch um Urban Air Mobility drehte. Bulgarien hat gerade den Vorsitz im Rat der Europäischen Union. − Foto: Schattenhofer

Städtischer Verkehr in der dritten Dimension: Im bulgarischen Sofia stellten europäische Städte ihre Pläne für Urban Air Mobility vor - Ingolstadt war mit dabei. Ziel ist, Anwendungen zu testen und Regularien zu erstellen. Wer schnell ist, dem winken EU-Fördermittel.

Der Ingolstädter Oberbürgermeister Christian Lösel (CSU) wartet gerade auf dem Flughafen Sofia auf seinen Rückflug, als die Nachricht auf sein Handy ploppt: "Wir brauchen eine schnelle Antwort auf das bayerische Flugtaxi-Testfeld", fordert der FDP-Bundestagsabgeordnete Christian Jung von Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne). Es gehe um die Sicherung des Standortes von Volocopter in Bruchsal sowie die Entwicklung und Forschung in der Region Karlsruhe. Die Meldung zeigt: Der Kampf um die besten Startplätze bei der zivilen Nutzung von Drohnen ist entbrannt.

Ingolstadt hat mit seinem Flugtaxi die Nase ziemlich weit vorn - daran besteht seit dem Treffen der EU-Forschungsinitiative zur Urban Air Mobility (UAM) in Sofia kein Zweifel mehr. Dort haben Städte und Regionen aus ganz Europa ihre Zukunftspläne vorgestellt: London, Genf, Hamburg - und eben auch Ingolstadt. Die Stadt im Herzen Bayerns unterzeichnete als eine der ersten ein entsprechendes Manifest und holte viele relevanten Partner an Bord - von der Bundesregierung bis zur Europäischen Luftfahrtbehörde. Audi und Airbus, die mit dem Projekt Pop.Up Next bereits kooperieren, mischen natürlich auch mit.

Ganz klar: Es geht hier auch um Standortsicherung. Über Dubai fand schon 2017 der Volocopter-Jungfernflug statt - das Emirat möchte Passagierdrohnen auf lange Sicht als öffentliches Verkehrsmittel einsetzen. "Wir sollten vermeiden, dass solche Zukunftstechnologien bei uns zwar mitentwickelt werden", erklärt Walter Schober, Präsident der Technischen Hochschule Ingolstadt am Rande der Tagung in Sofia, "der Einsatz als Mobility Service uns aber nicht gelingt." Das wäre nicht nur mehr als ärgerlich, sondern könnte womöglich sogar Arbeitsplätze kosten.

So also bemüht sich auch Ingolstadt um eine strategisch gute Startposition - wobei der Begriff Flugtaxi missverständlich ist: So wird im Volksmund die sperrige englische Bezeichnung VTOL (vertical take-off and landing) übersetzt. Auch Ingolstadt tüftelt jedoch nicht etwa einer Art VIP-Shuttle mit Drohnen. Solche gewerblichen Anwendungen könnten sich später durchaus entwickeln, betont OB Lösel gegenüber unserer Zeitung. "Jetzt geht es erst einmal um die Frage, wie ein bemanntes, elektrisch betriebenes Fluggerät sicher und rechtlich korrekt im Stadtverkehr eingesetzt werden kann." Das klingt zwar nicht sonderlich spannend, ist es aber. Und reichlich kompliziert.

Die interessierten europäischen Städte sollen gemeinsam im Rahmen der EU-Forschungsinitiative ermitteln, welche Möglichkeiten der Anwendungen es gibt, welche gesetzlichen Rahmenbedingungen für den zivilen Flugbetrieb geschaffen werden müssen und wie das Ganze überhaupt finanziert werden kann. Es ist ein Drohnen-Flug ins Ungewisse mit nichts als einer Vision als Ziel: Eine Stadt mit weniger Staus und Emissionen und mehr Lebensqualität. "Healthy streets, healthy people", heißt es aus London. Die Stadt und ihre Bewohner sollen gesunden.

Herausforderungen an das neue Transportmittel: "Ein Flug soll in etwa so viel kosten wie eine Taxifahrt"

Mit solchen Versprechen für eine bessere Zukunft allein gewinnt man jedoch keinen Blumentopf - und erst recht nicht die Akzeptanz der Bevölkerung. Denn diese Senkrechtstarter machen Lärm und können abstürzen. Und wer lässt sich schon gern von Drohnenpassagieren in den Garten schauen?

Um die Gunst der Bürger zu gewinnen, setzen fast die meisten UAM-Vorreiter auf Drohnen als Retter und Helfer: Sie sollen Notärzte herbeifliegen oder Defilibratoren, sollen Patienten oder Organe schnell in Krankenhäuser transportieren. Überall wird der "social benefit" beschworen. Auch Ingolstadt will erst einmal diesen Weg beschreiten: "Deshalb sind ja auch das Klinikum Ingolstadt und das BRK dabei", so Lösel. Doch hinter vorgehaltener Hand heißt es klipp und klar, dass es früher oder später auch um Passagiertransporte gehen wird - etwa für touristische Zwecke, so wie es die französische Region Nouvelle Aquitaine plant. Ein Hersteller, so heißt es, werbe bereits damit, er könne Leute billiger als jedes Taxi von der Münchner Innenstadt zum Franz-Josef-Strauß-Flughafen bringen.

Aber wer soll die Projekte in der Testphase bezahlen? In Sofia zeigen sich Investoren skeptisch: "Not bankable", winkt ein Finanzmann ab. Das alles sei noch nicht ausgereift. Die Städte sind auch keine Unternehmen, sondern können allenfalls die Infrastruktur und gute Flugbedingungen schaffen. Hamburg etwa erteilt schon jetzt großzügig Genehmigungen, wie Andreas Richter, Abteilungsleiter für Innovation und Cluster, betont. Gleise allerdings dürften beispielsweise nicht überquert werden. Die Drohnenflüge dienen dort in erster Linie dem Unterhalt von Gebäuden und Brücken. "So ein Flugtaxi wie Ingolstadt planen wir nicht", sagt Richter.

Immerhin winkt Ingolstadt die Chance, über das EU-Rahmenprogramm Horizont 2020 an Fördermittel heranzukommen. Lösel hätte gern zwei Millionen Euro. Dazu muss aber rasch gehandelt werden, eventuell in Kooperation mit der Stadt Genf. Wie THI-Präsident Walter Schober treffend bemerkt: "Es sind noch viele Hausaufgaben zu erledigen."
 

Suzanne Schattenhofer

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