KURIOSITÄTEN IM SPORT
"A unwohrscheinlicher Sieg!"

Der Franzose Antoine Dénériaz lässt 2006 Österreichs Traum vom Abfahrts-Gold bei Olympia platzen

24.03.2020 | Stand 02.12.2020, 11:40 Uhr
Mit seiner Goldfahrt überraschte Antoine Dénériaz (oben) auch den damaligen ORF-Co-Kommentator Armin Assinger. −Foto: dpa

Vorhang auf für den ganz großen Skizirkus: Wir schreiben Sonntag, den 12. Februar 2006, Olympische Winterspiele von Turin.

 

Die "Kandahar Banchetta" in Borgata (Ortsteil von Sestriere) 100 Kilometer westlich scheint die perfekte Bühne für den großen Abfahrts-Olympiasieg des Österreichers Michael Walchhofer. Nach dessen Erfolg bei der WM 2003 in der Schweiz gibt es nur eine logische Steigerung: Olympia-Gold. Ganz Österreich erhofft, nein erwartet von Walchhofer nichts weniger als den Sieg. Und der Top-Favorit behält vor 8560 frenetischen Zuschauern die Nerven und bringt die 3,3 Kilometer Strecke in starken 1:49,52 Minuten hinter sich. 30 Hundertstel hat Walchhofer vor dem später drittplatzierten Schweizer Bruno Kernen Vorsprung. Nur noch ein Starter. Aber wie stark ist dieser 29-jährige Franzose mit der Nummer 30 wirklich? Antoine Dénériaz gilt zwar als "Wundergleiter", hat aber gerade erst einen Kreuzbandriss auskuriert, den er sich im Januar 2005 zugezogen hatte. Vor der olympischen Abfahrt bereitet das Innenband Probleme. Der ORF-Co-Kommentator und ehemalige Skiprofi Armin Assinger erklärt in seinem charmanten kärntnerischen Dialekt: "Der Toni weiß natürlich genau, wias steht und konn attackieren auf Deife kumm raus. "
Eine Kamera, die auf ihn und Kommentator Robert Seeger gerichtet ist, zeigt: Assinger ist nicht nur angespannt, sondern sichtlich nervös. Ahnt der 55-Jährige etwa, was da kommt? Dénériaz startet im Piemont stark ins Rennen, was Assinger natürlich nicht verborgen bleibt: "Der fightet. Schau, wia der die Stecken eini duat. " Wenige Augenblicke später wird es laut in der Kommentatorenbox. Die erste Zwischenzeit: 22,75 Sekunden, Dénériaz hat Vorsprung auf Walchhofer. Assinger erschrickt: "Hey! Hu! Hu! Ganslhaut-Alarm! " Dénériaz bleibt konzentriert und fährt das Rennen seines Lebens. Assinger brüllt: "Der ist schnell! Bist du deppert? ! Vier Zehntel ist der vorn. " Spätestens da ist klar: Der österreichische Gold-Traum könnte tatsächlich platzen, was auch Assingers Beschreibung von Dénériaz' Rennstil wiedergibt: "Ja spinnt denn der? ! Foahrt der do owa wia die g'sengte Sau! Muass i so song. Unwoahrscheinlich! " Assinger holt einmal Luft und legt nach: "Der fohrt, der fohrt. I fang as Schwitzen o. " Nach 85 Sekunden unterläuft Dénériaz ein leichter Fehler, die Österreicher schöpfen kurz Hoffnung. Doch der Franzose ist sofort wieder in der Spur und rast unaufgeregt und unaufhaltsam Richtung Ziel. Assinger verzweifelt endgültig, schlägt die Hände über dem Kopf zusammen: "Der hoit des. Wenn er jetzt net niederliegt, dann hoit er's! " Der Experte behält recht. Dénériaz' Husarenritt endet nach fantastischen 1:48,80 Minuten mit der Goldmedaille, die großen Favoriten Walchhofer und Kernen sind geschlagen. Ein fassungsloser Assinger über Dénériaz: "Wahnsinnig is der. Is der beinander! A unwohrscheinlicher Sieg! " Während Seeger Dénériaz' Erfolg gelassen zur Kenntnis nimmt, sagt Assinger: "Is der heid gfedert. Ja bist du deppert. " Er rauft sich die Haare und schüttelt dabei immer wieder den Kopf. Assinger kann einfach nicht glauben, was er an jenem 12. Februar 2006 zur Mittagsstunde erlebt hat.

DK

Aufgrund der Corona-Pandemie wird die Welt aktuell von negativen Nachrichten überschüttet. Wir blicken deshalb in unserer Serie auf Geschichten zum Schmunzeln oder Kuriositäten aus der Welt des Sports.