Pfaffenhofen
A echter boarischer Nikolo

Willi Knoll aus Pfaffenhofen feiert heuer sein 20-jähriges "Dienstjubiläum" als Nikolaus

05.12.2019 | Stand 23.09.2023, 9:46 Uhr
"In Bayern kimmt da Nikolo": Seit 20 Jahren schlüpft der Pfaffenhofener Willi Knoll in den ersten Dezembertagen in die Rolle des Heiligen Nikolaus. −Foto: Köpf

Pfaffenhofen - Seit nun schon 14 Jahren kommt jedes Jahr rund um den 6. Dezember mein alter Schulfreund Willi Knoll zu mir nach Hause. So mit einbrechender Dunkelheit rauscht er förmlich durch unseren Vorgarten - und noch bevor er stürmisch klingelt, klopft er bedeutungsvoll ans Küchenfenster. Und dann steht er vor uns. In seiner ganzen reichlich einsneunzig großen, Ehrfurcht gebietenden Pracht, mit wallendem, roten Gewand, Bischofsstab, weißem Rauschebart, einem goldenen Buch in den weiß behandschuhten Händen und einer Mitra mit goldenem Kreuz vorne drauf - mit der er sich ordentlich bücken muss, um überhaupt durch die Tür zu kommen. Und mit einem griabigen "Griaß Eich God mitanada!" in sonorem Bariton.

 


Die Augen meiner Kinder glänzen. Obwohl wir ja den Knoll Willi eigentlich schon so lange kennen. Aus Schulzeiten, vom Musikspielen als Trompeter bei der Stadtkapelle, aus dem Freibad. Und obwohl unsere Kinder, mittlerweile 11 und 15 Jahre alt, natürlich längst daran zweifeln, ob das denn wirklich der echte Nikolaus ist, sogar schon drüber spekuliert haben, ob das nicht vielleicht doch der Willi sein könnte. Doch in diesen Momenten, einmal im Jahr, ist es erstens schwer, den Willi in seiner weihevollen Gewandung als selbigen auszumachen. Und zweitens auch irgendwie unwichtig. Über so etwas ist diese Familientradition irgendwie erhaben. Es ist uns ein heiliges Schauspiel in Einstimmung auf die Weihnachtszeit, das wir einfach nicht missen möchten.

In diesem Jahr feiert Willi Knoll sein 20-jähriges "Dienstjubiläum" als Pfaffenhofener Nikolaus. Dazu gekommen ist er quasi "wie die Jungfrau zum Kind", so sagt er. 1999 war sein erster Sohn Adrian ein Jahr alt und mit seiner Mama Elisabeth in einer Krabbelgruppe in Pfaffenhofen, bisweilen auch im Kinderpark in Scheyern. Irgendwer kam auf die Idee, dass doch ein Nikolausbesuch für die Kleinen sicherlich was Schönes wäre. Und irgendwer kam dann auch drauf, das könnte doch der Papa vom Adrian machen. Sein erstes "Gwand" hat er sich vom Kloster Scheyern geliehen; musste es aber gerade deshalb noch vor dem Nikolaustag wieder zurückgeben. Aber ihm gefiel die Rolle eigentlich ganz gut: Auch im nächsten Jahr machte er bei den Krabbelkindern wieder den Nikolaus. Doch durch Mundpropaganda wurden die Aufträge stetig mehr, weshalb er sich 2001 eine eigene Ausstattung zulegte - und per Handzettel auch Werbung für seine Dienste machte. Seine Einnahmen spendet er zum Großteil wohltätigen Zwecken.

Bis zu 60 Anfragen erhält er seither jährlich, nimmt aber maximal 35 Auftritte an. "Primetime ist natürlich am sechsten Dezember so um sechs, sieben Uhr am Abend", erläutert Knoll. Im Einsatz ist er dann an rund zehn Tagen und Abenden, von Ingolstadt bis Neufahrn: Bei Familien, auf Weihnachtsfeiern von Unternehmen und Parteien, oder auch bei Geburtstagen. Manche Auftritte dauerten bis zu einer Stunde, manche Familien würden sein Erscheinen regelrecht zelebrieren, mit der ganzen Großfamilie, mit Stubenmusik, Krippenspiel und so weiter. Einmal habe er am Heiligabend bei einer Familie den Weihnachtsmann mimen sollen - doch das lehnte er ab: "In Bayern kimmt da Nikolo und nachad as Christkindl, aber koa Weihnachtsmann!". In diesem Sinne versteht der gläubige Katholik auch seinen heiligen Dienst: nicht etwa als "Xmas-Event" - sondern als gelebtes Brauchtum.

In den ersten Jahren hatte Knoll außerdem immer noch ein kleines Engerl dabei: Seinen Sohn Adrian, später dann dessen jüngeren Bruder Loris, in schneeweißem Engelsgewand, teils mit güldener Lockenperücke und einer Laterne in der Hand. Die glaubten zwar selbst noch an den Heiligen Nikolaus, waren aber quasi darin eingeweiht, dass der Papa dessen Helfer machen muss, weil der "echte" Nikolaus halt einfach so viel zu tun hätte. Der "Echte" kam dann trotzdem noch zu ihnen nach Hause - in Person von Heinz Zehnter, ehemals Chef der Stadtkapelle und Kollege von Knoll am Landratsamt, wo dieser schon seit vielen Jahren als Hausmeister in Diensten steht.

Zu seinen Engagements reist der Nikolaus stilecht im Schlitten: Früher ein Mercedes, neuerdings meist ein BMW. Am Steuer seine Frau, die sich selbst als sein "Rentier" bezeichnet und ihn zwischen den Auftritten mit einer Brotzeit versorgt. Früher zu "Engerlzeiten" sozusagen, besorgten das meist noch Oma und Opa, Willis Eltern. War zwar damals hie und da noch ein Engerl dabei - einen Krampus an seiner Seite würde Willi Knoll nie wollen. Auch für einen "schimpfenden, bösen Nikolaus", der damit droht, Kinder mitzunehmen, sei er der falsche Mann. Freilich liest er den Kindern die Leviten, aber mit ruhiger Strenge; er ermahnt sie, anständig zu sein, aber ohne laut zu werden. Oder was ihm die Eltern halt sonst noch so auf den Zettel schreiben, den er in sein goldenes Buch einlegt und - unter "gewissen Freiheiten, die ich mir nehme" - den Mädchen und Buben, die ihrerseits oft mit Zeichnungen, Liedern oder Gedichten aufwarten, in gutmütigem Sprachduktus vorträgt.

"Eigentlich würde ein Zettel für alle Kinder reichen", erzählt Knoll: denn meist gehe es um Hausaufgaben, Zähneputzen, unaufgeräumte Zimmer, Streitereien unter Geschwistern - und bisweilen auch um die Entwöhnung vom heißgeliebten Diddi, den ihm schon so manches, dem Säuglingsalter endgültig entwachsenes Kind, ganz tapfer für immer mitgegeben hat. Und zum Schluss gibt's natürlich - das Wichtigste - für jedes Kind Geschenke: "Da stell ich fest," sagt Knoll, "dass man in den letzten Jahren wieder mehr und mehr zum Althergebrachten zurückkommt, zu Äpfeln, Nüssen, Mandarinen oder Orangen. Und natürlich a bisserl Schokolade." Früher dagegen hätte er sich oft gedacht "Ja, is denn heid scho Weihnachten?".

Zum Abschied müssen ihm die Kinder dann noch versprechen, sich um Besserung zu bemühen, zumindest aber so zu bleiben wie sie sind, "weil des basst scho ganz guad a so". Auch gemahnt er mitunter zum regelmäßigen Gebet, weil "des hod no koam ned gschodt". Es kann auch sein, dass ihm noch ein Stoßgebet für den FC Bayern München entfährt. Weil er weiß, dass dann mein tiefblaues Herz bitterlich weinen muss. Und dann rauscht er schließlich unter herzlichem "Pfiat Eich God, bleibt's olle gsund" wieder von dannen.

Wenn ihm dann die Kleinen noch liebe Grüße an Omas und Opas im Himmel mit auf den Weg geben - das sind dann die Momente, die ihm selbst tief zu Herzen gehen. Etwa in Familien wie der unseren vielleicht, wo in den ersten Jahren noch ein paar Großeltern mehr an diesen Abenden versammelt waren; bei Punsch und Plätzchen am heimelig flackernden Holzofen. Bitte, lieber Willi, komm noch ganz, ganz lange in den ersten Dezembertagen zu uns auf Besuch!

PK

 

Christian Köpf