A bisserl Cordoba

13.06.2008 | Stand 03.12.2020, 5:50 Uhr

Glückliches Österreich: Alex Wagner, stolzer Tiroler und Wirt des Café Fingerlos in der Fußgängerzone, ist voll und ganz auf Fußball eingestellt. Er träumt von einem zweiten Cordoba. "Dann haben wir wieder 30 Jahre unsere Ruhe." - Foto: Rössle

Ingolstadt (DK) Am Montag kämpft das deutsche Team gegen Österreich um den Einzug ins Viertelfinale. Alex Wagner, Tiroler und Wirt in Ingolstadt, hat sein Lokal rot-weiß-rot dekoriert. Er ist sich sicher: "Mir gwinna eh!"

Die Völkerverständigung zwischen Deutschen und Österreichern erlebte am Freitag mal wieder eine Sternstunde. Am frühen Nachmittag betrat ein stadtbekannter Kontaktbeamter der Ingolstädter Polizei das Café Fingerlos an der Ludwigstraße und konfrontierte den Wirt, einen bekennenden Österreicher, mit verbalem Pressing: "Wenn ihr am Montag gegen uns gewinnt, sperr’ ich Dir sofort den Laden zu!" Doch Alex Wagner, Gastronom und Skilehrer aus Kitzbühel, konterte offensiv: "Ich will mich jetzt schon mal bei allen deutschen Freunden entschuldigen – mir gwinna eh!"

Was auch sonst. Sein Café in der Fußgängerzone kündet seit Beginn der Fußballeuropameisterschaft von der Herrlichkeit der österreichischen Nation. In Rot-Weiß-Rot. Die Flaggen über dem Großbildschirm, die EM-Aufkleber an der Fensterfront – alles Österreich. Und über den Tischen, wo die Almdudler-Reklametafeln stehen, baumeln Fußballschuhe in Kindergröße. "Die haben meine Stammgäste gesponsert."

Und den jungen Wirt aus Österreich dabei nassforsch angeredet. "Seit der EM-Auslosung tun die mich frotzeln!", berichtet Wagner. Der Spruch "Hast scho an Trauerflor, Alex" gehöre dabei noch zu den Originelleren. "Ich sag’ dann immer: Dafür haben wir weniger Arbeitslose!" Und außerdem mehr Ski-Weltmeister. Doch an dieses Argument hat Wagner (29), der vor sechs Jahren wegen der Liebe nach Ingolstadt kam, vor lauter Fußball-Euphorie noch gar nicht gedacht.

Seit Donnerstag hat der Spott ein Ende. Ein langjähriger Vasall des alten Habsburgerreichs brachte neue Hoffnung: Kroatien. Seit der Pleite der DFB-Elf hat der Österreicher keine blöden Sprüche mehr gehört. Jetzt feuert er seinen Optimismus an: "Ihr Deutschen werdet’s so schaun! Keiner hat Österreich was zugetraut!" Außerdem habe die Elf des Josef Hickersberger nichts zu verlieren.

Umsatztechnisch gesehen sei ein zu frühes Ausscheiden der Deutschen nicht die Schau, das räumt der Wirt ein. Aber bei ihm obsiegt der Patriotismus. Wie bei den anderen Exil-Österreichern, die zu ihm vor den Großbildschirm kommen, wo es am Donnerstag in der Nachspielzeit sogar etwas zu jubeln gab: Das erste Tor für Österreich bei der Europameisterschaft im eigenen Land.

Wagner hofft innig auf die Wiederkehr eines historischen Ereignisses. Cordoba. So heißt die argentinische Stadt, in der österreichische Fußballer ihren letzten nennenswerten Sieg gegen eine deutsche Mannschaft errungen haben. 3:2 gewannen sie damals, 1978, bei der Weltmeisterschaft. Es würde sich so gut ausgehen. A bisserl Cordoba nur! "Genau vor 30 Jahren haben wir gegen die Deutschen gewonnen! Und jetzt das Spiel daheim. Wenn wir das auch gewinnen, haben wir wieder 30 Jahre unsere Ruhe."

Wagner wurde fünf Monate nach dem Triumph geboren. "Ein Cordoba-Kind bin ich leider nicht", sagt er. "Aber fast."

Und außerdem sind ja eh alle österreichischen Fußballfans irgendwie Cordoba-Kinder. Aber das sagt Wagner nicht.