Geisenfeld
660 Paare sagen vor Anna Maier "Ja"

Geisenfelder Standesbeamtin behandelt in 50 Jahren Dienstzeit jedes Anliegen so, als wäre es ihr eigenes

07.08.2021 | Stand 23.09.2023, 20:11 Uhr
Seit 50 Jahren im Geisenfelder Rathaus: Standesbeamtin Anna Maier nahm zum Dienstjubiläum neben lobenden Worten von Bürgermeister Paul Weber auch diverse Präsente mit nach Hause. −Foto: Zurek

Geisenfeld - Anna Maier versteht ihren Beruf als "Dienst am Menschen" - und das seit über fünf Jahrzehnten. Dafür wurde der Verwaltungsfachangestellten bei der Stadt Geisenfeld eine besondere Ehrung zuteil, an die sich ein öffentlicher Empfang im Alten Rathaus anschloss.

"Mein erster, wenn auch indirekter Kontakt mit dem Standesamt ist mir bis heute ins Stammbuch geschrieben", erzählt die gebürtige Gadenerin. Eigentlich hätte sie nämlich Anneliese heißen sollen. Als ihr Papa diesen Wunsch vorgetragen habe, sei die Reaktion des damaligen Standesbeamten und Geschäftsleiters Josef Doesel aber ein protestierendes "Naaaa" gewesen - stattdessen trug dieser "Anna Elisabeth" in die Urkunde ein. "Und der Name ist mir halt bis heute geblieben", sagt sie.

Schulrektor stellt WeichenRichtung Verwaltungsdienst

Die Schulbank drückte sie neun Jahre lang - am Ende hatte sie einen Hauptschulabschluss mit fast lauter Einsen in der Tasche. Eine weiterführende Schule stand dennoch nicht zur Debatte. "Das war für Mädels damals unüblich. Außerdem war ich so zierlich, dass meine Mutter fürchtete, ich wäre dem gar nicht gewachsen", erzählt Maier im Rückblick. Der Berufsweg hin zur Friseurin oder Verkäuferin schien damals vorgezeichnet. Doch Schuldirektor Konrad Bachmaier sorgte dafür, dass die Weichen anders gestellt wurden. "Mädel, bewirb dich bei der Stadt, die brauchen dringend jemand", hatte er sie damals ermutigt. "Von Anfang an hat mir die Arbeit Spaß gemacht", sagt die Jubilarin im Rückblick auf eine Zeit, als man als Lehrling im Monat noch mit 165 D-Mark (abzüglich der Fahrtkosten nach Dachau zur Berufsschule) auskommen musste.

Just zum Zeitpunkt ihrer Einstellung im Jahr 1971 begann die Phase der Eingemeindungen, die in der Verwaltung einige Umwälzungen mit sich brachten. "Als erste Aufgabe musste ich Grundsteuer-Akten anlegen, das war ein Papierstapel höher als ich groß bin", erinnert sich die heute 64-Jährige mit einem Lächeln auch an weitere Herausforderungen: Beim ersten Einsatz eines Tackers verletzte sie sich gar den Finger. "Ein solches Gerät hatte ich noch nie zuvor in Händen gehalten."

Nach ein paar Wochen durfte die 15-Jährige ins Einwohnermeldeamt zu Kurt Lindemann wechseln, in dessen Fußstapfen als Abteilungsleiter sie 1975 trat. Dort war man unter anderem auch für Passangelegenheiten, Wahlen, Lohnsteuerkarten und Gewerbeangelegenheiten zuständig. Im Büro hielt gerade die Moderne Einzug - mit einer Technik namens "Adrema". Dank dieser Adressiermaschine wurde für jeden Bürger eine Stahlplatte gedruckt, auf der alle relevanten Daten festgehalten wurden, erinnert sich Maier.

Unkaputtbare Karteikartenund ein Drucker in Flammen

Diese "unkaputtbaren Karteikarten" dienten auch als Hilfe, wenn zu den damals üblichen Röntgen-Reihenuntersuchungen aufgefordert werden musste. Als weit störanfälliger erwies sich ein aus heutiger Sicht vorsintflutliches Gerät, das immer dann zum Einsatz kam, wenn mehrere Abschriften eines Textes gebraucht wurden: der damals sehr fortschrittliche Kopierer, der laut Maier "öfter mal in Flammen aufging".

Doch nicht nur die Technik hat sich in alle den Jahren geändert, seit der erste Computer - einer für das ganze Haus, zu dem zeitlich gestaffelt Zugang gewährt wurde - und später modernste IT-Strukturen zu unverzichtbaren Helfern wurden. Vor allem auf dem Standesamt, dessen Leitung Maier 2003 übernahm, ist es immer internationaler "und daher rechtlich betrachtet, immer komplizierter geworden", wie sie sagt. Wenn alle Hürden genommen sind und sie sich endlich das Ja-Wort geben dürfen, seien Liebende gleich welcher Herkunft immer erleichtert. "Besonders dankbar, ihre Beziehung endlich legalisieren zu können, waren die ersten drei gleichgeschlechtlichen Paare, die ich trauen durfte", meint die Standesbeamtin, die bis dato 660 Ehen geschlossen hat und die zum 1. März 2020 die Leitung des Standesamts auf eigenen Wunsch an die jüngere Generation abgetreten hat. In Sonderfällen ist sie aber immer noch - selbst bei auswärtigen Amtskollegen - als "Beraterin" in kniffligen Fällen gefragt. Eine Anerkennung, die sie sehr schätzt.

Vom Respekt für dasGegenüber stets geprägt

Anekdoten könnte Maier so manche erzählen. Aber es ist nicht ihre Art, die kleinen Pannen anderer öffentlich zu machen. Auch nicht, wenn's anonym wäre. Dieser von Einfühlsamkeit geprägte Respekt vor dem Gegenüber ist es wohl, der ihre Beliebtheit ausmacht. Bis heute gilt für sie: "Ich bearbeite jeden Antrag, als wäre er mein eigener." Gerade nach einem Trauerfall, dessen bürokratische Aspekte ebenfalls in ihren Zuständigkeitsbereich fallen oder in Fragen einer Erwerbsminderungsrente, ist es ihr wichtig, die Betroffenen, die sich in einem emotionalen Ausnahmezustand befinden, auf Ansprüche oder drohende Versäumnisse aufmerksam zu machen. "Damit ihnen kein Nachteil entsteht", betont sie.

Sechs Bürgermeister hat die zweifache Mutter, die jeweils acht Wochen nach der Geburt ihrer Söhne wieder zum Dienst erscheinen musste - "Mutterschutz war damals nicht so ein Thema wie heute" - als Dienstherren erlebt: August Prechter, Anton Wolf, Max Steinberger, Josef Alter, Christian Staudter und nun Paul Weber. Dessen Anerkennung nahm sie gerührt entgegen.

Das für sie bewegendste Lob kam allerdings von jenem Mann, der ihre Lebensentscheidung maßgeblich beeinflusst hatte. Nachdem sie seine Enkelin getraut hatte, habe Konrad Bachmaier unlängst erklärt: "Mädel, es hat sich rentiert, dass ich mich damals für dich eingesetzt hab."

FÜNF JAHRZEHNTE IM DIENST DER GEISENFELDER BÜRGER

? Die Laudatio: Fünf Jahrzehnte im Dienste der Verwaltungsgemeinschaft Geisenfeld/Ernsgaden, damit hat Anna Maier, wie es Bürgermeister Paul Weber formulierte, "eine Schallmauer durchbrochen, die nur selten durchbrochen wird". Mit Wissen, Hilfsbereitschaft und Empathie sei sie ein Vorbild für die Gesellschaft und ihre Kollegen. Ihre Einstellung zum 2. August 1971 wertete der Bürgermeister aus heutiger Sicht als "weise Entscheidung des Stadtrats".

? Die Stationen im Rathaus: Schon 1975 übernahm Maier die Verantwortung für das Einwohnermeldeamt und das Passamt. 1993 wechselte sie ins Standesamt und war überdies für Rentenangelegenheiten sowie das Volksfest zuständig. Im Jahr 2003 trat sie in der Nachfolge von Herbert Helmberger die Leitung der Abteilung an. Auf eigenen Wunsch trat sie im Februar 2020 diese Führungsposition ab. Maier steht aber noch mindestens bis Ende des Jahres zur Verfügung. Wann sie endgültig die Rathaustür hinter sich schließen wird, ist offen. "So lange man mich braucht, bleibe ich gerne da", sagt sie und fügt an: "Leicht ist das Loslassen nicht."

? Die Gratulanten: Groß war die Schar der Gratulanten, die Maier persönlich Danke sagten. Neben der Urkunde, einem kulinarischen Geschenk und einem Präsent der Stadt zeugten auf dem Gabentisch viele weitere Präsente von der Wertschätzung, die Maier genießt.

? Die Zukunft: Ihr soziales Engagement möchte Anna Maier im Ruhestand unter anderen Vorzeichen fortsetzen, vielleicht bei der Nachbarschaftshilfe oder beim Bürgerring. Und womöglich wird die tibetische Klangschalen-Meditation breiteren Raum bei ihren Aktivitäten einnehmen. Die Sportschützin möchte ihrem Hobby treu bleiben, aber den Trainingsumfang reduzieren. Babyschuhe in allen Formen und Farben für künftige Eltern stricken, wird sie auch weiterhin.

GZ

Maggie Zurek